Schwelm. Zollfahnder durchsuchen Wohnung in Schwelm eigentlich nach Shisha-Tabak und stoßen auf einen Stapel gefälschter Impfpässe.

Das veränderte Impfschutz-Gesetz war am 24. November 2021 gerade in Kraft getreten – schon tappte nur Tage später ein Schwelmer (29) in die Falle: Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fielen den Beamten 25 gefälschte Corona-Impfausweise in die Hände.

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Ein Zufallsfund, denn eigentlich waren die Zollfahnder aus Essen auf der Suche nach unversteuertem Wasserpfeifen-Tabak gewesen. Der sollte sich kiloweise in der Wohnung an der Haßlinghauser Straße befinden. Zumindest ging das aus Telefongesprächen hervor, die die Ermittler zuvor legal belauscht und ausgewertet hatten. In den amtlich abgehörten Telefonaten, die auf türkisch und arabisch geführt worden waren, soll es um 200 Kilogramm Shisha-Tabak mit „Doppelapfel“-Aroma gegangen sein, die steuerfrei den Besitzer wechseln sollten. Der Schwelmer war offenbar lediglich bereit, pro Kilo 60 Euro hinzublättern. Dem deutschen Fiskus wären durch das illegale Geschäft rund 4600 Euro an Tabaksteuer entgangen.

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Der Vorwurf der Steuerhinterziehung ließ sich jetzt ein Jahr später vor dem Schöffengericht Hagen nicht mehr erhärten – er wurde deshalb eingestellt. Doch da war noch dieser Zufallsfund: die gefälschten Impfausweise. Als die Beamten des Zollfahndungsamtes Essen am 29. November vergangenen Jahres an der Haustür klingelten, öffnete die Verlobte. Durchsucht wurden die Wohnung des arbeitslos gemeldeten Mannes, aber auch sein Corsa und sein Golf-Combi. Auf dem Beifahrersitz lag ein Samsung-Handy, unter dem Fernsehgerät im Wohnzimmer wurden 25 Blanko-Corona-Impfausweise gefunden. Insgesamt, das haben spätere Ermittlungen ergeben, soll der Schwelmer im Besitz von 32 gelben Impfpässen gewesen sein, mit jeweils zwei gefälschten Biontech-Impfeintragungen darin und einem Stempel vom „Impfzentrum Bonn“.

Mehrere Vorstrafen

In den Jahren zwischen 2008 und 2011, damals war der Schwelmer noch nicht volljährig, hatte sich bei ihm eine Straftaten-Serie angehäuft: Beleidigung, Bedrohung, Nötigung und gemeinschaftlich begangene räuberische Erpressung. Bereits als Jugendlicher verbrachte er deshalb zwei Jahre und neun Monate in Haft. Doch in den letzten zehn Jahren war er nicht mehr auffällig geworden: „Ich habe mich schon lange von komischen Kreisen getrennt“, so die Selbsteinschätzung des Angeklagten, der mittlerweile ein stolzer Vater geworden ist und Verantwortung übernehmen will: „Das Kind hat mein ganzes Leben verändert. Von schmutzigem Geld kann ich meine Familie nicht glücklich machen.“

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Deshalb werde er bald eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker beginnen. Doch diese Sache mit den gefälschten Impfausweisen? Mit denen will der Schwelmer nie gehandelt haben. Er hätte sie damals von einem Hintermann namens „Ahmet“ am Telefon angeboten bekommen. Und ohne etwas dafür bezahlen zu müssen, „auf Kombi“ angenommen. Sie sollten auch nur privat und innerhalb der eigenen Großfamilie genutzt werden: „Ich wollte eine große Verlobungsfeier mit meiner Frau machen, doch es gab da diese Corona-Beschränkungen. Und viele meiner Verwandten hatten Angst vor einer Impfung. Nur deshalb habe ich damals die Ausweise beschafft.“ Und: „Ich weiß, dass das nicht richtig ist und illegal war. Aber ich hatte keine andere Wahl bei meinen Familienangehörigen.“

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Die Verlobungsfeier hätte letztlich aber nicht stattfinden können, weil es einen Todesfall in der Familie gab. „Im Islam ist es so, dass man in der Trauerzeit keine Verlobung oder Hochzeit feiern darf.“ Die gefälschten Impfausweise wären dadurch unnötig geworden. Deshalb lagen sie achtlos unter seinem Fernseher: „Ich habe sie dort nicht versteckt, ich wollte sie am Ende nur noch loswerden.“ Das Schöffengericht Hagen verhängte gegen den Mann aus Schwelm vier Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Er wurde wegen „Vorbereitung der Herstellung von unrichtigen Impfausweisen“ verurteilt. Ein neuer Straftatbestand, mit dem sich Richter Albrecht Bogumil zum ersten Mal auseinanderzusetzen hatte. „Durch Corona befand sich der Staat im vergangenen Jahr in einer Notlage und musste zum Schutz der Gesellschaft Maßnahmen ergreifen. Das Umgehen dieser Vorschriften kann man nur als gemeinschädliches Verhalten bewerten“, so die Urteilsbegründung.