Gevelsberg. Urteil gegen die geflüchtete Polizistinnen ist rechtskräftig. Nun muss Landrat Olaf Schade entscheiden, ob er ein Disziplinarverfahren einleitet.

Was sich unmittelbar nach dem Ende der Berufungsverhandlung gegen die beiden Polizistinnen Nadine A. (33) und Patricia B. (38) andeutete, ist tatsächlich eingetreten. Weder die beiden Frauen, die vor einer Schießerei geflüchtet waren und ihre Kollegen im Stich gelassen hatten, noch die Staatsanwaltschaft haben bis zum Ablauf der Frist Revision eingelegt. Damit ist das Urteil aus der Berufungsverhandlung vor dem Hagener Landgericht rechtskräftig. Beide erhalten vier Monate Haftstrafe auf Bewährung.

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Was heißt das jetzt? Erstmal, dass die strafrechtliche Seite damit erledigt ist. Weitere Gerichte – im Falle einer Revision wäre es das Oberlandesgericht in Hamm gewesen – werden sich mit der Thematik nun nicht mehr beschäftigen, dass die beiden Beamtinnen geflüchtet waren, als Vitalij K. in Gevelsberg das Feuer auf ihre Kollegen eröffnete und einen niedergeschossen hat.

Intensivste Prüfung

Zweitens dürfen sie ihren Beamtenstatus behalten. Bei der Ursprungsstrafe von einem Jahr wäre ihnen dieser entzogen worden. Das heißt aber trotzdem nicht, dass die Sache für die beiden Frauen, die bis zum erstinstanzlichen Urteil im Innendienst beziehungsweise in Elternzeit waren, ausgestanden ist. Denn auch mit einem Schuldspruch vom Strafgericht, den sie für gemeinschaftliche versuchte schwere Körperverletzung durch Unterlassen im Amt erhielten, ist die dienstrechtliche Komponente möglicher Pflichtverletzungen noch nicht abgegolten.

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„Wir haben das Urteil noch nicht erhalten. Sobald dieses bei uns eintrifft, wird geprüft, welche disziplinarischen Inhalte den beiden Frauen noch vorwerfbar bleiben“, sagt Sonja Wever, Pressesprecherin der Kreispolizeibehörde im Ennepe-Ruhr-Kreis. Erst nach intensiver Prüfung wird Landrat Olaf Schade, der Macht seines Amtes auch Leiter der Kreispolizeibehörde ist, entscheiden, ob er ein Disziplinarverfahren gegen die Frauen eröffnen wird. In diesem Fall bekommen Nadine A. und Patricia B. gesonderte Verfahren. Es kann also durchaus auch der Fall eintreten, dass gegen eine ein Verfahren eröffnet wird, gegen die andere nicht. Klar dürfte sein, dass die Disziplinarermittler der heimischen Kreispolizeibehörde vor einer Entscheidung intensiv und ausgiebig die Fakten- und die Rechtslage prüfen werden.

Nicht zuletzt, weil dieser Fall bundesweit Wellen geschlagen hat. In Polizeikreisen ist zwischen Flensburg und Passau diskutiert worden über das Verhalten der beiden. Nationale Medien haben in Print, Online, Fernsehen und Radio berichtet, das Interesse am Ausgang wird ebenfalls sehr hoch sein. Das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen um Herbert Reul hatte sich eingeschaltet, weil der Fall erst mit deutlicher Verspätung überhaupt nach Düsseldorf gemeldet worden war.

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Möglichkeit eins: Der Landrat kommt zu dem Schluss, dass er den beiden Frauen disziplinarrechtlich nichts vorwerfen kann. Die Suspendierung der Polizistinnen vom 16. November 2021 – dem Tag des erstinstanzlichen Urteils – würde aufgehoben, sie dürften uneingeschränkt ihrem Dienstgrad entsprechend wieder im Polizeidienst eingesetzt werden und ihre Karriere fortsetzen.

Ursprünglich andere Ausbildung

Möglichkeit zwei: Der Landrat entscheidet nach den Ermittlungen, dass er ein Disziplinarverfahren einleiten will mit dem Ziel, die beiden Frauen aus dem Polizeidienst zu entfernen. Hier würde erneut über den Ausgang des Verfahrens verhandelt.

Möglichkeit drei: Olaf Schade sieht Pflichtverletzungen im Handeln von Nadine A. und Patricia B., die aus seiner Sicht dazu führen, dass er ein Disziplinarverfahren gegen die beiden Frauen eröffnet. Dies hätte mit großer Wahrscheinlichkeit eine Rückstufung als Ziel. Da stellt sich vordergründig die Frage, ob die Frauen im Anschluss in den Streifendienst zurückkehren oder im Innendienst verbleiben. Haben die Kolleginnen und Kollegen nach dem Vorfall weiterhin das Vertrauen in Patrica B. und Nadine A., dass sie sich in lebensbedrohlichen Situationen auf sie verlassen können? Die Antwort auf diese Frage wird sicherlich entscheidend sein für das potenzielle Einsatzgebiet, falls sie weiterhin im Polizeidienst bleiben.

Beide hatten vor ihrem Ausbildungsantritt bei der Polizei bereits andere Berufe erlernt, in denen sie auch einige Jahre gearbeitet hatten.

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