Schwelm. Wer steckt hinter den Ideen der bunten Wagen, wie arbeite die Nachbarschaften und welche Probleme haben sie? Eine Bauplatz-Tour durch Schwelm.
Es sind Ideen, die bereits vor der Pandemie entstanden sind, es sind Ergebnisse, die sich nicht nur sehen lassen können, sondern hinter denen auch stundenlange, harte Arbeit steckt. Doch vor allem eins wird bei jeder einzelnen Schwelmer Nachbarschaft deutlich: die Leidenschaft. Bei der Bauplatz-Tour, die jedes Mal kurz vor Start des Schwelmer Heimatfestes stattfindet, erfahren die Teilnehmer unter anderem, wer hinter den bunten Wagen, Fußgruppen und Einzelgängern steckt und insbesondere, mit welchen Problemen und Hürden die vereinzelten Nachbarschaften teils zu kämpfen hatten. Die Redaktion war natürlich mittendrin.
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Winterberg
Vom Rathaus geht es mit dem Bus rechts die B 483 hoch. Nach einigen Minuten weist eine Bushaltestelle auf die Ankunft in Winterberg hin. Direkt gegenüber befindet sich der Bauplatz der Nachbarschaft. Auf dem relativ großen Wiesengrundstück steht nicht nur eine Art Vereins-Häuschen, das die Winterberger nutzen, links daneben ist der zwölf Meter lange Wagen zu erkennen. So ganz fertig sieht dieser allerdings nicht aus. Doch genau das ist so gewollt. Obernachbarin Ute Zippmann erklärt, dass der Wagen das Haus von Rocky Docky darstellt. Ein Lied aus früheren Zeiten. „Die Decken sind undicht, es tropft ins Schlafzimmer, das Ehepaar, das unten wohnt, kriegt die Krise, weil oben wieder gefeiert wird“, erklärt sie und lacht. Mit viel „Menpower“, wie Zippmann sagt, wurde der Wagen in nur zwei Monaten fertiggestellt. „Wir haben sogar eine Dusche und eine Toilette, beides funktioniert.“ Und für Wasser sorgen die Winterberger natürlich auch wieder. Am Sonntag tropft es bestimmt auch dem ein oder anderen Zuschauer auf den Kopf.
Heimatfreunde Loh
Insbesondere die Corona-Pandemie hat den Heimatfreunden Loh hart zugesetzt. Doch auch darüber hinaus gab es mehrere Probleme schon in den Jahren zuvor. Enormer Personalmangel führte Letztenendes dazu, dass die Nachbarschaft diesmal keinen Wagen baut. Dennoch ziehen die Loher mit einem Notwagen am Sonntag los. Den hat Obernachbarin Susanne Orfei mit viel Mühe restauriert, neu gestrichen und bunt gestaltet. „Meist waren wir immer nur zu zweit“, zählt sie die Beteiligung auf dem Bauplatz auf. Hinzu kommen weitere Probleme – unter anderem müsse das Dach des Vereinsheims erneuert werden. Diese zeitliche und finanzielle Belastung habe einen Wagenbau in diesem Jahr schlichtweg nicht zugelassen.
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Linderhausen
Weiter geht es mit dem Bus in Richtung Ortsausgang. Direkt neben dem Berghauser Hof an der Hattinger Straße sind die Linderhauser fleißig am bauen. Beim Eintreffen ist Obernachbar Michael Frielingsdorf in seinem Element. Der bekannte Pflug-Einführungswagen ist fast fertig. Und auch die weiteren Wagen sowie Fußgruppen sind fast startbereit. Das Besondere: „In diesem Jahr haben wir mal kein Haus nachgebaut“, sagt Frielingsdorf. Der Fokus beim heimatkundlichen Beitrag liegt auf der frühen Industrialisierung. Der Wagen, der überwiegend aus Holz besteht, stellt verschiedene Arbeitsmechanismen dieser Zeit dar. Ein drehendes Zahnrad, eine Schleifspule und vieles mehr sehen die Zuschauer in Aktion. „Jetzt hoffen wir nur noch, dass die Technik funktioniert“, scherzen die Linderhauser. Zudem hat die Nachbarschaft gemeinsam mit Kindern einen „Pokémon-Kinderwagen“ gebaut. „Die Kinder sehr unter Corona gelitten und wir wollen, dass sie auch im Mittelpunkt stehen.“ Hinzukommt eine Fußgruppe mit buntem und mit viel Liebe zum Detail erarbeitetem Bühnenbild in Abba-Optik. Die Linderhauser hatten im Gegensatz zu anderen viel Hilfe, vor allem durch die neuen Kinder, kamen auch neue Eltern als Helfer dazu. Etwa 50 fleißige Bienchen waren hier insgesamt am Werk.
Zur Alten Post
Apropos fleißige Bienchen: Noch ein kleines Stück weiter in Richtung Ortsausgang befindet sich auf der rechten Seite die Nachbarschaft „Zur Alten Post“. Schon von der Straße aus ist der spektakuläre Wagen zu sehen. Denn darauf befindet sich ein richtiges Kettenkarussell: Hier ist Platz für vier Menschen, ursprünglich sollten die Erwachsenen dort auch mitfahren. „Das ist aber einfach gefährlich“, erklärt Obernachbarin Marion Stark. Und so fahren nun vier riesige Teddybären, verkleidet als Bienchen, am Sonntag mit. Unter dem Motto Biene Maja führen auch die Kinder eine Choreografie auf und der Einzelgänger stellt den Bienen-Opa dar.
Oberstadt
Der Film „The Greatest Show“ ist die Grundidee, auf der das Motto der Oberstädter aufbaut. In zweieinhalb Monaten haben sie unter anderem einen 4,50 Meter hohen Elefanten erbaut. Hinzukommt ein Wagen, der mit Tüchern und Trapezen die Hauptszene des Films aus dem Zirkus darstellen soll. „Hier machen die Mädels richtige Kunststücke“, erzählt Obernachbar Andreas Merken. Das sommerliche Wetter in den vergangenen Wochen spielte den Oberstädtern in die Karten. „Wir machen ja fast alles aus Papier.“ Nun bleibt zwar eine kleine Angst, dass es noch kurz vorher nass werden könnte, doch den prächtigen Elefanten hat die Gesellschaft vorsichtshalber schon mit einer wasserfesten Textur versehen, damit hier auch nichts mehr schief geht.
Aechte de Muer
Ein fliegender Teppich, die Backstreet Boys und ein Gesamtbild aus 1001 Nacht präsentiert die Nachbarschaft Aechte de Muer. Auch hier sei man kurz vor der Fertigstellung, erzählt Obernachbar Marcel Hammer. Das Besondere: Die Idee zu den diesjährigen Fußgruppen, Wagen sowie Einzelgängern geht auf den verstorbenen Klaus-Peter Schmitz zurück. Somit soll an den Ehren-Obernachbarn erinnert und ihm gleichzeitig sein Wunsch erfüllt werden, denn diese Ideen, die zuletzt selbst äußerte, konnte er aufgrund seines Todes nicht mehr umsetzen.
Brunnen
Feucht und fröhlich geht es bei der Nachbarschaft Brunnen zu. In einem nachgestellten Freibad samt Sprungturm und Rutsche sorgen die Mitglieder für ordentlich Stimmung. Der Einzelgänger ist ebenfalls nass unterwegs mit einer Dusche to go. Nicht zu viel, aber ein wenig verraten die Erschaffer des rollenden Freibads vorweg: Es sind 1200 Wasserbomben an Bord. Und: Der Sprungturm wird am Sonntag auch während des Zuges genutzt.
Möllenkotten
Im Königreich Möllenkotten befindet man sich ebenfalls im letzten Feinschliff. Ein rotes Feuerwehrboot sowie eine große Krone sind das Aushängeschild des Königreichs. Die Idee entstand bereits vor Corona, wie Obernachbarin Jessica Schmidt berichtet. Nun wird sie endlich umgesetzt. Hintergrund: Die Möllenkotter wollen mit ihrem Motto auf einen geschichtlichen, politischen sowie aktuellen Hintergrund hinweisen. Lassen Sie sich überraschen.
Fronhof
Die Nachbarschaft Fronhof hat es hart getroffen. Ein Bau eines Wagens kam aus finanziellen sowie personellen Gründen nicht in Frage. Eine Fußgruppe sollte ursprünglich am Festzug teilnehmen. Nun sei auch diese kurzfristig abgesprungen. Insbesondere die personellen Probleme bestehen seit geraumer Zeit. Dennoch bleibt bei der Nachbarschaft ein wenig Optimismus vorhanden, am Sonntag mit einer Gruppe mitlaufen zu können.
Oehde
Ein blauer Elefant, eine orangene Maus und eine gelbe Ente: Diese Figuren schmücken den Einführungswagen der Nachbarschaft Oehde. Unter dem Motto „Die Sendung mit der Maus“ werden die Oehder auch ihren spektakulären Wagen mit Käpt’n Blaubär an Bord vorführen. Zudem ist Shawn das Schaf fußläufig unterwegs.
Rotes Wasser
Die Bauplatztour neigt sich dem Ende zu. Nächster Halt: Nachbarschaft Zum Roten Wasser. Rot färbt sich zu dieser Zeit auch der Himmel, im Sonnenuntergang wird noch fleißig gewerkelt. „Wir sind gerade eben damit fertig geworden“, sagt Obernachbarin Britta Voet und zeigt auf den Wagen, wo soeben die Nachbarschafts-Fahne samt Mast angebracht wird. Zunächst war unklar, ob die Nachbarschaft überhaupt am Festzug teilnehmen kann. Auch hier hat die Pandemie zu Schwierigkeiten geführt. Relativ spontan – jedoch zur Freude aller – haben sie es dann doch noch geschafft.
Ossenkamp
Die Ossenkämper sollen die Zuschauer am Sonntag nicht nur sehen, sondern auch riechen können. Auf ihrem Wagen mit dem Motto „Supp Kultur“ ist ein riesiges Bierfass befestigt. Obernachbar Friedrich Hemfort weist beim Vorführen der verschiedenen Endergebnisse auf die Gasse neben der ehemaligen Schwelmer Brauerei hin. „Dort ist immer ein bestimmter Geruch in der Luft und den wollen wir auch hinkriegen“, sagt er. Ob das klappt, werden Sie am Sonntag dann wohl riechen können. Ebenfalls mit dabei: Das Markenzeichen der Ossenkämper – der Dackel.
Zum Parlament
Letzte Station: Nachbarschaft „Zum Parlament“. Mit 1200 Lichtern und mehreren „Scootern“ tritt die Nachbarschaft beim Heimatfestzug an. Seit Ende Mai habe man sich drei Mal die Woche getroffen. In den vergangenen Wochen musste das Pensum dann auf „täglich“ erhöht werden. Doch die Mühe und der Aufwand haben sich gelohnt: Die riesige, bewegliche Krake, die in der Mitte des Wagens zwischen den bunten „Scootern“ befestigt ist ragt 4,50 Meter in die Höhe. Mit dem Motto „Wir sind Kirmes“ will die Nachbarschaft vor allem an die schönen Kirmeserlebnisse erinnern und zeigen, wie sehr das während der Pandemie gefehlt hat.