Ennepe-Ruhr-Kreis. Es ist ein Jahr her, dass die Flutwelle den EN-Kreis überrollte. Künftig will man besser gewappnet sein – aber wie soll das funktionieren?

Genau ein Jahr ist es her, als eine regelrechte Flutwelle auch den südlichen Teil des Ennepe-Ruhr-Kreises überrollte. Die Stadt Gevelsberg hatte es enorm stark getroffen, Häuser, Straßen, Autos – alles stand unter Wasser. Die Feuerwehr war am 14. und 15. Juli des vergangenen Jahres im absoluten Dauereinsatz. Auch in Ennepetal hinterließ das Hochwasser seine Spuren, die Überschwemmungen sorgten nicht nur dafür, dass zahlreiche Menschen kein Dach mehr über dem Kopf hatten – die Flut führte zu Existenzängsten, zu Situationen, die viele so noch nicht erlebt haben. Viele Schäden sind bis heute nicht vollständig behoben. Künftig wolle der Kreis besser auf solche Katastrophen vorbereitet sein, dafür haben diverse Aktionen stattgefunden – und zwar schon vor der Flut im Juli 2021, berichtet Wolfgang Flender, Abteilungsleiter Umwelt im Schwelmer Kreishaus.

Gemeinsam mit den betroffenen Städten des Kreises wurde eine Schadensaufnahme vollzogen, sagt Flender. Knapp 100 Stellen sei man im Kreisgebiet abgefahren. Und das waren zunächst lediglich die Orte, an denen die Gefahr noch sehr akut war. „Zum Beispiel dort, wo Brücken und Ufer abgebrochen waren und wo es hohe Überflutungsschäden gab. Es haben sich auch Kiesflächen gebildet, dort wo das Wasser den antransportierten Kies hat fallen lassen, die mussten dann abgebaggert werden, das waren so die ersten Aktionen“, erinnert sich der Abteilungsleiter.

Erinnerungen, die wohl kaum jemand vergessen hat: Die Folgen des Hochwassers im Juli des vergangenen Jahres.
Erinnerungen, die wohl kaum jemand vergessen hat: Die Folgen des Hochwassers im Juli des vergangenen Jahres. © Privat | Privat

Im nächsten Schritt ging es um die weitere Ausarbeitung verschiedener Warnsysteme. Dazu zählt auch das sogenannte Mess-Pegel-Netz, das in Wetter unter anderem an der Elschpe installiert ist. „Das hat das Hochwasser auch sehr gut ausgewertet“, betont Wolfgang Flender. An diesem Messnetz sei man nun weiter dran, wolle im kommenden Herbst weitere Funktionen aktivieren. „Das ist dann die besagte Vorwarnung, das heißt, wir werden automatische Weiterleitungen von den einzelnen Stellen installieren.“ An den Messstellen wird es dann sogenannte Warnschwellen geben, wird diese überschritten, sendet die jeweilige Station automatisch eine Warnung an die Rettungsleitstelle im Kreishaus. Danach wird unmittelbar die Feuerwehr in Wengern alarmiert, dass die Niederschläge enorm hoch seien.

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„Nach unseren Erfahrungen in 2021 sind dann noch ein bis zwei Stunden Zeit, um die letzten Sicherheitsmaßnahmen zu aktivieren. Das ist ein Zeitgewinn, der wichtig ist und der bislang nicht gegeben war.“ Es ist ein pilothaftes Messnetz, das gemeinsam mit der Stadt Wetter aufgestellt wurde. Künftig wolle man solche Systeme auch in anderen Städten des Kreises in Betrieb nehmen, welche das genau sein werden, das sei jedoch bislang noch nicht spruchreif. „Wir arbeiten da aber in enger Absprache mit den Städten zusammen.“ Dennoch betont der Abteilungsleiter auch, dass es keinesfalls so sei, dass man jetzt komplett auf kommende Hochwasser vorbereitet sei. „Aber wir sind auf einem sehr guten Weg.“

Künftig möchte der Kreis besser aufgestellt sein. Man arbeite eng mit den Städten zusammen.
Künftig möchte der Kreis besser aufgestellt sein. Man arbeite eng mit den Städten zusammen. © Privat | Privat
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Zusätzlich zu dem Mess-Pegel-Netz sei ein mathematisches Modell erstellt worden, welches berechnet, welche Wassermengen sich in Gang setzten und was getan werden muss, um diese zurückzuhalten. Auch eine Starkregenkarte ist in Arbeit, fährt Flender fort. Denn bei einem extremen Niederschlag könne der Boden die Wassermengen nicht so schnell fassen. „Und da sind natürlich auch überall Häuser mit Menschen, die dann gefährdet sind.“ Durch diese Starkregenkarte soll künftig gezeigt werden, wo wie viel Wasser fließt, ob es um die Häuser läuft oder ob Gebäude mit den Wassermassen angeströmt werden. So soll die Infrastruktur ausgewertet und auf kritische Situationen aufmerksam gemacht werden. Dabei auch im Fokus: die Helios Klinik in Schwelm, erklärt Wolfgang Flender. „Das wird noch einige Monate dauern, aber ich denke, Mitte nächsten Jahre haben wir Ergebnisse.“

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Doch der Kreis arbeitet nicht nur mit Hochdruck an der Verbesserung des Katastrophenschutzes, sondern bemüht sich auch darum, den Bevölkerungsschutz voranzutreiben. „Um die Bürger bei Schadensereignissen zu warnen, arbeitet der Ennepe-Ruhr-Kreis eng mit den Städten des Kreises zusammen. Das hierfür grundlegende Konzept wird stetig weiterentwickelt und an gemachte Erfahrungen angepasst“, sagt Ingo Niemann, Pressesprecher des Kreises. Als Beispiel nennt er den Wiederaufbau bzw. die Modernisierung des Sirenennetzes mithilfe von Fördergeldern des Bundes. „Quasi parallel haben weitere Warninstrumente Einzug in die Hosen- und Handtaschen der Bürgerinnen und Bürger gehalten. Zu nennen sind hier die Notfall-Informations- und Nachrichten-App des Bundes, kurz NINA Warn-App, sowie die App des Ennepe-Ruhr-Kreises. Beide Systeme sind in der Lage, Warnmeldungen auf mobile Geräte zu pushen, die Bevölkerung auf diesem Weg direkt zu erreichen und lebensrettenden Informationen zu liefern“, so Niemann.

Die Brücke Vogelsanger Straße in Gevelsberg: Hier gab es enorme Schäden.
Die Brücke Vogelsanger Straße in Gevelsberg: Hier gab es enorme Schäden. © Unbekannt | Ennepe-Ruhr-Kreis

Nicht nur das Hochwasser hat die Bedeutung des kreisweiten Risiko- und Krisenmanagements unterstrichen, auch die Pandemie spielt eine wichtige Rolle. „Zum einen hat sich während der Pandemie die Arbeit und die Zusammenarbeit des Krisenstabs im Schwelmer Kreishaus sowie der Stäbe für außergewöhnliche Ereignisse in den Rathäusern bewährt. Zum anderen hat die Hochwasserlage gezeigt, wie gut der Katastrophenschutz als Facheinheit der Kreisverwaltung und als technische Einsatzleitung mit den Einsatzleitungen vor Ort kooperiert“, erklärt der Pressesprecher.

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Erfordernisse und Notwendigkeit einer abgestimmten Führungs- und Krisenmanagementstruktur sowie die Überlegungen zu einer veränderten Gefahren- und Risikobewertung fließen derzeit in eine Personalbemessung dieser Facheinheit ein. Neben Konzeptarbeit zur örtlichen- und überörtlichen Hilfe sei die Risikobewertung und Planung von Schadensszenarien innerhalb der Ennepe-Ruhr-Kreises die Hauptaufgabe des Katastrophenschutzes. Diese Vorplanungen sollen künftig mittels eines sogenannten Katastrophenschutz(bedarfs)plans für den Kreis ausgeführt und weiterentwickelt werden.

Auch wenn die Weiterentwicklung der Sicherheits- und Vorsichtsmaßnahmen beim Kreis und auch bei den einzelnen Städten an erster Stelle stehen, macht Wolfgang Flender abschließend deutlich: „Was wir wissen ist, dass uns solche Ereignisse im Zuge des Klimawandels noch häufiger beschäftigen werden, deshalb sind wir alle aufgefordert, an dem Thema dranzubleiben.“