Ennepetal. Nach dem Hochwasser im Juli: Wie kann sich Ennepetal künftig besser davor schützen? Jetzt gibt es Antworten darauf, auch für jeden Bürger.
Der Schrecken über das Hochwasser von Mitte Juli steckt noch tief in den Knochen, die Schäden sind längst nicht alle behoben. Was sind die Lehren aus diesem Extremwetter-Ereignis und wie können sich die Stadt und ihre Menschen vor solchen Naturgewalten in Zukunft besser schützen? Antworten auf diese und viele andere Fragen gab es in der Sondersitzung des Rates der Stadt Ennepetal zu ausschließlich diesem Thema. In der wurden auch Missverständnisse aus dem Weg geräumt und Empfehlungen für Bürger gegeben.
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Vier Stunden Zeit ließen sich Politik und Verwaltung, um das geschichtsträchtige Ereignis vom 14. und 15. Juli noch einmal in aller Ausführlichkeit von allen Seiten zu beleuchten und die daraus zu ziehenden Konsequenzen mithilfe auch von externem Sachverstand zu ermitteln. Lob gab’s gleich von mehreren Stellen. In Ennepetal richtete das Hochwasser zwar enormen Schaden an. Beispielhaft erinnert sei an die schlagzeilenträchtigen Ereignisse wie die Überschwemmung des Mehrzwecksaals und der Kita in Hasperbach, die Verwüstungen bei der Firma Hesterberg, die einen Teilabriss von Gebäuden zur Folge hatte, oder die von der Flut zerstörte Zuwegung an der Heilenbecke, die ein Fall für Juristen wurde, weil den Bewohnern der nicht mehr anfahrbaren Wohnhäuser die Zwangsräumung droht. Die Folgen wären in Ennepetal aber mit Sicherheit noch viel dramatischer gewesen, wenn sich die Stadt nicht seit Jahren schon ernsthaft mit der Hochwasser-Thematik auseinandersetzen würde. Sei es an den Hauptgewässern Ennepe, Heilenbecke und Hasper Bach, die in Hochwasserrisikogebieten liegen und damit einem Hochwasserrisiko-Management unterliegen, wo bereits eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt wurde. Oder weil sich Ennepetal vor sechs Jahren ein Klimawandelfolgenkonzept auferlegte, in dessen Zuge eine Vielzahl von größeren und kleineren Vorhaben bereits umgesetzt wurde, die nicht nur ökologisch von großer Bedeutung sind, sondern im Juli allesamt auch beim Hochwasserschutz einzahlten. Beispiele hierfür: der Rückbau von Wehren an der Ennepe und am Hasper Bach, Renaturierungsmaßnahmen an der Heilenbecke außerhalb der eng besiedelten Bereiche und die Schaffung von Überflutungsflächen. Das Hochwasser hätte Ennepetal also deutlich schlimmer treffen können.
„Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen, aber wir haben jetzt unendlich viel zu tun“, resümierte Bürgermeisterin Imke Heymann und gab zugleich die Richtung vor. Denn: Mit Extrem-Wetterlagen wie die von Mitte Juli ist in Zukunft wegen des Klimawandels öfter zu rechnen, als in der Vergangenheit. Darauf wiesen auch die externen Fachleute wie Dr. Peter Queitsch von der Kommunal Agentur NRW hin, der über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wiederaufbauplanung des Landes informierte, wie auch Dr. Michael Weyand vom Ruhrverband, der u.a. der Stadt Ennepetal eine „Gewässerkooperation“ zur Planung und Umsetzung weiterer Hochwasserschutzmaßnahmen anbot.
Die Rolle der Talsperren
Wurde die dramatische Hochwasserlage am 14. und 15. Juli verschlimmert, weil die drei umliegenden Talsperren Wasser abließen, um ein unkontrolliertes Überlaufen zu verhindern? Tragen die Betreiber also eine Mitverantwortung an den verheerenden Folgen, weil sie in den Tagen vor dem angekündigten Starkregen-Ereignis keine Vorsorge trafen und nicht für einen niedrigeren Pegelstand sorgten? Diesen Eindruck gab es in Ennepetal durchaus, wie SPD-Fraktionschef Volker Rauleff anmerkte. Das Gegenteil aber ist der Fall, wie den Ausführungen der Stadtverwaltung zu entnehmen war. Der Abgleich von Messdaten ergab, dass die Talsperren selbst im fast vollgelaufenen Zustand für ein deutliches Bremsen der zufließenden Regenströme in den Tallagen sorgten. „Der massive Anstieg der Ennepe im Unterlauf auf Ennepetaler Stadtgebiet kann allein auf die starken Regenfälle zurückgeführt werden, weil die Talsperre zu diesem Zeitpunkt immer noch mehr Regenwasser aufnehmen konnte, als sie an die Ennepe abgab“, teilte die Stadtverwaltung mit. Die drei Talsperren würden daher „einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz“ leisten.
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Vorsorge aus Sicht der Stadt
Auch wenn fast alle überfluteten Bereiche innerhalb der ausgewiesenen Hochwassergefahrenbereiche lagen, spielten die kleineren Gewässer eine durchaus gewichtige Rolle und müssen beim Hochwasserschutz in Zukunft unbedingt mitberücksichtigt werden. Das erklärte Johanna Hartmann, bei der Stadt Ennepetal u.a. für das Thema Hochwasserrisikomanagement zuständig. In puncto Vorsorge bedeutet das: Gewässer sollten grundsätzlich mehr Platz bekommen und einen natürlichen mäandrierenden Verlauf haben. Es müssen mehr Freiflächen als bisher als Überschwemmungsbereiche zur Verfügung stehen. Wo das wegen des Siedlungsraumes oder der Topographie nicht möglich ist, beispielsweise am Hasper Bach, sollten möglichst Hochwasserschutzmaßnahmen an Gebäuden vorgenommen werden, sodass die umliegenden Freiflächen überflutet werden können. Wünschenswert aus Sicht der Verwaltung: Eine Sicherung der Uferrandstreifen auf bis zu 5 Metern und möglichst keine neue Bebauung mehr in ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten. Auch dies ein Beitrag zum Hochwasserschutz: Dachbegrünung von Flachdächern ab einer Größe von mehr als 200 Quadratmetern. Dies könnte per Satzung in den Bebauungsplänen vorgeschrieben werden, so Johanna Hartmann. Mit Blick auf die überörtlichen Behörden fordert sie die Förderung von Wiederaufforstung (das Baumsterben infolge der Trockenheit in den vergangenen Jahren hatte im Juli den Starkregen-Abfluss in die Tallagen begünstigt) und ein regionales bzw. überregionales Hochwasserschutzkonzept, indem sowohl die Niederschläge als auch die Pegelstände betrachtet werden, um u.a. die Städte frühzeitig vor Hochwasser-Ereignissen warnen zu können.
Daran arbeitet der Kreis
Genau daran arbeitet der Ennepe-Ruhr-Kreis schon, wie Wolfgang Flender, Abteilungsleiter Umwelt im Schwelmer Kreishaus, im Rat erklärte. Es werde gerade u.a. ein kreisweites Pegel-Mess-Netz aufgebaut, das direkt an die Kreisleitstelle angeschlossen wird. Sobald ein Alarm-Grenzpegel an einer Stelle erreicht werde, gebe es eine Warnung, die sofort an die betroffenen Städte weitergegeben werden kann. Für die Einsatzkräfte vor Ort bedeute das wertvolle Zeit, sich auf das Hochwasser vorzubereiten, ehe es tatsächlich ankommt. Die Daten aus dem Mess-Netz sollen auch helfen, Standorte für weitere Schutzmaßnahmen wie z.B. Hochwasser-Rückhaltebecken zu finden. Wie schon seine Vorredner machte auch der Kreis-Abteilungsleiter deutlich, dass ein besserer Hochwasserschutz nur gemeinsam von Stadt, Kreis und den Menschen vor Ort gelingen kann.
Das kann die private Hand tun
Was also kann jeder Einzelne tun, um einen kleinen, in der Summe aber wichtigen Beitrag zum besseren Hochwasserschutz zu leisten? Auch hierzu stellte Johanna Hartmann von der Stadt Ennepetal ihre Vorstellungen vor. Wünschenswert seien die Entsiegelung von Flächen, zum Beispiel von Stein-Vorgärten, die schon genannte Dach- und Fassadenbegrünung sowie technische Sicherungsmaßnahmen am Haus, wenn Überschwemmungsgefahr besteht. Denkbar sei auch, den Garten als Überschwemmungsbereich zur Verfügung zu stellen, gegebenenfalls kleine Sickermulden anzulegen, in denen sich das Wasser sammelt, damit es erst gar nicht das eigene oder nächste Haus erreicht. Ihr Tipp an Eigentümer: In Erfahrung bringen, ob die Elementarschutzversicherung auch bei Hochwasserschäden greift. Sie rät dazu auch bei Grundstücken, die abseits vom Gewässer liegen.