Ennepetal. Der Ennepetaler Detlef Grün ist neuer Bundesinnungsmeister des Kfz-Handwerks. Hier spricht er über die Herausforderungen für seine Branche.

Wenn es in Deutschland künftig um die Umgestaltung der Ausbildung im Kfz-Handwerk geht, um dem gravierenden technologischen Wandel folgen zu können, oder wenn Regeln für einen fairen Wettbewerbs von freien Werkstätten und Vertragswerkstätten gestaltet werden, dann wird der Ennepetaler Detlef Peter Grün künftig an höchster Stelle daran mitwirken. Der 55-Jährige, der in Oelkinghausen einen Meisterbetrieb für Kfz-Elektrik, Elektronik und Mechanik führt und seit Jahren Obermeister der Kfz-Innung Hagen/EN ist, wurde am 10. Juni in Hamburg zum neuen Bundesinnungsmeister des Kfz-Handwerks gewählt. Im Interview spricht er über die großen Herausforderungen für die Branche durch die politische Weichenstellung zugunsten der E-Mobilität, über den Fachkräftemangel und die Gewinnung von Nachwuchs für die Werkstätten sowie seine persönliche Motivation, sich auf höchster Ebene ehrenamtlich zu engagieren.

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Ihre Branche steht vor einer großen Umwälzung. E-Autos werden auf Sicht die Verbrenner ablösen. Was bedeutet das für die Arbeitsplätze?

Detlef Grün: Ich sehe keine Probleme für die Kfz-Werkstätten. Es hieß ja, an den E-Autos müsse man eigentlich nichts mehr machen. Tesla-Chef Elon Musk hat ja auch mal gesagt, dass seine Autos keine Werkstatt brauchen. Die aktuellen Statistiken zeigen eher das Gegenteil. E-Autos haben auch einen Spurstangenkopf, Stoßdämpfer, die Bremsen müssen gemacht werden. Es hat sich eigentlich nur der Antrieb geändert. Wir machen hier in der Werkstatt viel Flottengeschäft für Unternehmen. Da kommen zwei Jahre alte Fahrzeuge, die 40.000 Kilometer gelaufen haben und bei denen die Reifen auf sind und die Bremsen verschlissen. Wir werden weiterhin genug zu tun bekommen.

Steckbrief Detlef Grün

Detlef Peter Grün wurde vor 55 Jahren in Hagen geboren. Zuhause ist er an der Wassermaus in Ennepetal, wo schon seine Urgroßeltern wohnten. Mit seiner Frau Petra hat er eine erwachsene Tochter.

Nach der Grundschule Wassermaus und der Hauptschule Friedenshöhe besuchte Detlef Grün die höhere Berufsfachschule am Cuno-Berufskolleg in Hagen und machte den Abschluss in Elektrotechnik. Anschließend absolvierte er eine Lehre als Kfz-Elektriker beim Boschdienst Balzer in Gevelsberg. Die Prüfung bestand er mit Bravour, war Kammersieger und Vizemeister im Land NRW.

Vier Jahre diente Detlef Grün bei der Luftwaffe. Anschließend erwarb er seinen Meisterbrief in Dortmund. Am 1. August 1992 eröffnete er seine eigene Werkstatt am Vorwerk in Ennepetal. Im März 1999 zog er in die jetzigen Räume an der Königsfelder Straße in Oelkinghausen.

Ehrenamtlich ist er seit 25 Jahren in der Kfz-Innung Hagen/Ennepe-Ruhr (früher Ennepe-Ruhr) aktiv. Seit sechs Jahren ist er deren Obermeister. Am 10. Juni 2022 wurde er von den Delegierten der Landesverbände zum Bundesinnungsmeister des Kfz-Handwerks und Vizepräsidenten des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZdK) gewählt. Er ist auch Vizepräsident des ZdK NRW und Vorsitzender der Landesfachgruppe Freie Werkstätten.

Ein Werkstattsterben befürchten Sie also nicht?

Nein. Aber natürlich müssen die Werkstätten Elektroarbeitsplätze einrichten, um die Arbeitsplätze zu sichern. Sie müssen extrem viel Werkzeug neu kaufen. Das wird dazu führen, dass die Stundenverrechnungssätze steigen werden.

Wie können sie sicherstellen, dass bereits ausgebildete, zum Teil schon Jahre lang tätige Kräfte den Anschluss an die neuen Technologien finden?

Es ist das A und O, die Mitarbeiter zu qualifizieren. Das ist von existenzieller Bedeutung. Wenn einem Kunden gesagt wird „Ich kann Dein Auto leider nicht reparieren“, kommt der nicht wieder. Ich war immer einer, der vorneweg gelaufen ist, der sich auf neue Technologien eingestellt hat

Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig. Wie versuchen Sie in Ihrer Branche, qualifiziertes Personal und nicht zuletzt auch Nachwuchs zu gewinnen?

Wir haben schon alles ausprobiert. Wir gehen in die Schulen und versuchen früh, bei den Mädchen und Jungen das Interesse für unsere Branche zu wecken. Die Situation ist wie in anderen Branchen auch, sehr schwierig. Wir haben zum Beispiel Großbetriebe in Hagen, die hatten früher für 15 Ausbildungsstellen 350 bis 400 Bewerber. Heute können sechs von den Stellen nicht besetzt werden. Im Moment arbeiten wir deshalb daran, einen zusätzlichen Berufsbildungsgang mit Abschluss als „Master Professional“ einzurichten. Es wird aber noch dauern, bis es so weit ist. Erst muss der Zentralverband des Handwerks den Bildungsgang absegnen, außerdem muss das mit Politik, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden vereinbart werden. Vorgesehen sind 1500 Ausbildungsstunden in verschiedenen Modulen, die Theorie und Praxis beinhalten. Damit wollen wir insbesondere diejenigen erreichen, die nach dem Abitur sonst vielleicht ein Ingenieursstudium beginnen würden. Bald wird es keine Ingenieure mehr für die Entwicklung des Antriebsstrangs beim Auto geben. Dafür werden die IT, die Softwareentwicklung immer wichtiger. Wir haben in der Werkstatt mehr EDV-Anbindung als jemand bei der Sparkasse…

Als Obermeister der KfZ-Innung Hagen/Ennepe-Ruhr sind sie schon lange ehrenamtlich auf Verbandsebene tätig. Aber wie und warum wird man Deutschlands oberster KfZ-Meister?

Als Obermeister habe ich ein Mandat für den Landesverband NRW bekommen, in dem ich heute Vizepräsident bin. Der bisherige Bundesinnungsmeister Wilhelm Hülsdonk, der auch aus NRW kommt, hatte schon lange angekündigt, dass er mit 70 aufhören will. Wir saßen vor drei, vier Jahren mal bei einer Tagung zusammen, da sagte er zu mir: „Du bist doch aufgeschlossen, Du kannst das.“ Er hat mir dann Türen geöffnet, mich als denjenigen vorgestellt, der für seine Nachfolge kandidieren will. Corona hat uns noch einen Strich durch die Rechnung gemacht, weil viele Tagungen nur per Videokonferenz liefen. Aber ich habe schon einen Jahreszyklus an seiner Seite mitgemacht. Das war mir wichtig, weil ich sicher sein wollte, dass der Zeitaufwand mit meiner Werkstatt zu vereinbaren ist. Es hat zum Glück sehr gut funktioniert. Meine Frau Petra ist immer hier und mein Werkstattleiter Dennis Fischer wird ohnehin einmal den Betrieb übernehmen. Sie sorgen dafür, dass alles läuft, wenn ich unterwegs bin.

Kurz & knapp

Verbrenner oder E-Auto?

Beides. Ich sehe das technisch offen.

Formel-1-Rennen oder Oldtimer-Rallye?

Formel 1. Da wird Technik vom Kopf ins Fahrzeug gebracht und Entwicklung betrieben, die wir brauchen.

Berge oder Meer?

Meer. Weil ich ein Mensch des Wassers bin.

Welche Aufgaben sind mit ihrem Amt verbunden?

Wir vertreten die Interessen der Autohändler und Kfz-Werkstätten in Deutschland. Ein wichtiges Thema dabei wird zum Beispiel die Umstrukturierung der Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker sein. Auch der diskriminierungsfreie Zugang zu den Fahrzeugdaten wird uns beschäftigen. Mit der gerade verlängerten Kfz-Gleichstellungsverordnung (GVO) sind wir dran, das zu gewährleisten. Wir müssen darauf achten, dass sich die Hersteller an die Gesetze und Normen halten. Nicht zuletzt müssen wir gegen die künstliche Verknappung von Bauteilen und Rohstoffen angehen, die zu Problemen führt.

Was macht für Sie die Faszination Ihres Berufs aus? Und wie kann man heutzutage noch junge Leute für den Beruf gewinnen?

Ich habe Benzin im Blut. Das hat man oder man hat es nicht. Und ich sehe viele Jungen, aber auch immer mehr Mädchen, die das haben. Vielleicht ist es der Duft der Freiheit, der mit dem Auto verbunden wird. Dachdecker ticken so ähnlich. Da sehe ich eine Seelenverwandtschaft. Um junge Leute zu gewinnen, müssen wir an der Ausbildung arbeiten. Es gibt die Kfz-Mechatroniker und Karrosseriebauer, die zum Kfz-Gewerbe gehören. Ein Fahrzeuglackierer gehört aber zum Maler- und Lackierer-Handwerk. Da müssen wir den Weg zueinander und miteinander finden. Und wir reparieren nicht einfach Autos. Wir verkaufen zum Beispiel Wallboxen. Infotainment wird immer wichtiger. So muss ab dem 1. Januar 2023 jedes neu zugelassene Fahrzeug ein Navi haben beziehungsweise mit Anbietern wie Apple und Google verbunden werden können. Unter dem Strich werden wir zu Mobilitätsanbietern. Neben der Vielfalt der Aufgaben und Berufe müssen wir die Aufstiegsmöglichkeiten in unserer Branche aufzeigen, die Möglichkeit, den Meister zu machen oder – wenn wir das hinbekommen – den Master Professional.

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Sie sind seit vielen Jahren selbstständig, betreiben eine Werkstatt in Oelkinghausen. Kommen Sie angesichts Ihrer Verbandstätigkeit eigentlich noch selbst zum Schrauben?

Selten. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich mir nicht mehr zutrauen würde, einen Zahnriemen zu wechseln. Ich würde so oft unterbrochen, das wäre wie beim Arzt, der bei einer lebenswichtigen OP ständig zur Toilette muss. Es muss nur eine Schraube falsch angezogen sein, schon kann das einen großen Schaden verursachen. Ich mache aber einiges noch selbst, neulich habe ich zum Beispiel einen Zylinderkopf über das Wochenende fertig gemacht. Da möchte ich mir auch beibehalten, denn neben der Theorie muss ich für die Verbandsarbeit auch in der Praxis auf dem Laufenden sein. Ich muss nicht der Professor Doktor sein, aber wissen, wovon geredet wird. Nicht zuletzt nehme ich an vielen Schulungen teil.

Was ist Ihr Traumauto? Und fahren Sie es schon?

Ich habe eins, das ich fahre oder besser gesagt, in der Garage habe: einen Mercedes AMG GTS als Cabrio. Das war der letzte Achtzylinder, den Mercedes gebaut hat, ein Wunderwerk der Technik. Ich habe ihn mir aber als Geldanlage gekauft, ich sehe den Wagen für mich eher wie ein Kunstobjekt.