Schwelm. Wenn Ivan und Jasna Miletic ihre Altdeutschen Bierstuben aufgeben, beenden sie mehr als 100 Jahre Schwelmer Restaurant- und Hotel-Tradition.
Stimmgewirr und Lachen hallen aus dem Gastraum, der Geruch frisch gebratenen Fleischs und köchelnder Saucen zieht aus der Küche. Im Biergarten sitzen ein paar Hotelgäste, die den Tag bei ein, zwei Kaltgetränken ausklingen lassen. Die Kellner servieren aufmerksam und freundlich. So oder so ähnlich ging es weit mehr als 100 Jahre in den Altdeutschen Bierstuben an der Bahnhofstraße in Schwelm zu. Bis jetzt. Am Abend des 29. Mai drehen Ivan und Jasna Miletic die Zapfhähne hoch, die Gasherde aus und das letzte Mal den Schlüssel in der Türe des traditionsreichen Schwelmer Hotel-Restaurants um. Ende. Aus. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.
+++ Darum explodieren die Taxi-Preise ab Oktober +++
Rückblick: Vor 33 Jahren betreiben die Miletics in Holzwickede ein Restaurant. „Nach einigen Jahren als Angestellter in Köln und Düsseldorf hatte ich mich dort selbstständig gemacht“, sagt Ivan Miletic und erinnert sich noch genau an den Tag, als er das erste Mal von den Altdeutschen Bierstuben in Schwelm hörte: „Der Brauereivertreter der Krombacher erzählte mir von dem Hotel in Schwelm und das kam genau zur rechten Zeit.“ Denn: Miletic wollte die Gaststätte in Holzwickede umbauen, der Vermieter stellte sich quer. Also entschied das Wirtepaar kurzerhand, das Hotel-Restaurant in Schwelm zu kaufen.
Kroatisches Essen in den Altdeutschen Bierstuben
Ab 1989 standen auf der Speisekarte der Altdeutschen Bierstuben schließlich kroatische Spezialitäten. „Das hat irgendwie nie so richtig gepasst. Am Anfang hatten wir auch überlegt, den Namen zu ändern. Irgendwie haben wir das aber nie richtig geschafft“, sagt Jasna Miletic und lacht. Das war auch nach kurzer Zeit schon nicht mehr notwendig, denn die Schwelmer hatten die neuen Wirte schnell in ihr Herz geschlossen. „Wir haben uns sofort sehr wohl hier gefühlt, die Schwelmer haben uns super aufgenommen“, sagt Ivan Miletic. Bald jagte in den Altdeutschen Bierstuben eine Feier die nächste. Schließlich finden hier bis zu 80 Personen Platz. Taufen, Geburtstage, Hochzeiten, Firmenfeiern – die Miletics waren stets gut besucht –, auch weil Gäste von auswärts direkt im Haus übernachten konnten. 19 Zimmer mit 28 Betten zählte das Hotel, das bereits seit dem 1. Mai geschlossen ist. Neben den Partygästen waren es vor allem Geschäftsleute und Monteure, die dort übernachteten.
+++ Todeskreuzung in Gevelsberg gerät in den Fokus +++
Noch läuft der Restaurant-Betrieb bis einschließlich Sonntag, 29. Mai, und wer sich gern von den Miletics verabschieden will, kann sich noch einen Tisch reservieren. Wenn sie an diesem Abend – Ende offen – den Schlüssel herumdrehen, ist unklar, ob in die Altdeutschen Bierstuben noch einmal eine Gastronomie einziehen wird. Ein Investor hat das komplette Ensemble gekauft, die Hotelzimmer bereits für ukrainische Flüchtlinge bereitgestellt. „Unsere beiden Kinder Nikolina und Daniel wollten das Geschäft nicht übernehmen und wir wollen nicht arbeiten, bis wir 90 sind“, sagt der 65-jährige Ivan Miletic.
Kaum ein gemeinsamer Urlaub
Auf die Frage, auf was sich die beiden im Ruhestand am meisten freuen, antworten sie wie aus der Pistole geschossen: „Nicht mehr auf die Uhr gucken zu müssen.“ 33 Jahre lang haben sie fast ununterbrochen sieben Tage die Woche gearbeitet. „Urlaub haben wir zumeist getrennt voneinander gemacht, einer musste ja meist hier bleiben“, sagt Ivan Miletic. Und seine Frau ergänzt: „Auch auf Feiern waren wir fast immer die letzten, die gekommen sind. Nachmittags waren wir immer gehetzt, weil wir um 17 Uhr ja wieder öffnen mussten.“ Das hat nun ein Ende für die beiden, die der Stadt Schwelm weiter treu bleiben wollen. Haben die beiden Gastro-Profis denn Tipps für den Nachwuchs? „Wenn man bereit ist, viel zu investieren, ist das ein superschöner Beruf“, sagte Jasna Miletic.
+++ Schwelm, Gevelsberg, Ennepetal: Nichts mehr verpassen mit unserem kostenfreien Newsletter +++
Die beiden werden vor allem die Gespräche mit ihren Gästen vermissen, denen sie für ihre langjährige Treue danken und unter denen sich langsam herumspricht, dass in den Altdeutschen Bierstuben bald die Lichter ausgehen. „Viele sind traurig und enttäuscht, fragen uns, wo sie denn dann essen gehen sollen. Von Herzen möchten wir uns für die Treue und das Vertrauen bedanken, dass sie uns geschenkt haben“, sagen die beiden, bevor sie in der Küche der Herd anwerfen, die ersten Stimmen den Gastraum füllen und vielleicht der ein oder andere im Biergarten ein Abschieds-Pils auf die Miletics trinkt.