Schwelm. Kaiserschnitt oder natürliche Geburt? Geburtshaus oder Geburt zu Hause? Dr. Andreas Leven aus Schwelm verrät, was er Frauen empfiehlt.

Derjenige sein, der das Kind auf die Welt holt. Genau das ist die Aufgabe von Dr. Andreas Leven. Er ist Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Helios Krankenhaus in Schwelm. Parallel leitet er gemeinsam mit einer Kollegin seit Anfang 2020 eine Frauenarztpraxis mitten im Herzen von Schwelm.

Im Interview spricht er über seinen Beruf, Geburtshäuser und Kaiserschnitte und verrät, was er Frauen bei der Geburt ihres Kindes empfiehlt.

Herr Dr. Leven, warum haben Sie sich für die Frauenheilkunde und Geburtshilfe entschieden?

Dr. Andreas Leven: Es hat mich schon während des Studiums fasziniert, wie vielseitig die Frauenheilkunde ist. Ein Frauenarzt ist Internist, Chirurg, Endokrinologe und Onkologe in einer Person. Es gibt einen operativen Anteil, einen nicht-operativen Anteil und die Geburtshilfe, die wiederum auch eine breite Vielfalt an Möglichkeiten bietet. Darüber hinaus kann man in diesem Fach sowohl in der Klinik als auch in der Praxis tätig sein. Da ich beides interessant finde, habe ich das für mich so umgesetzt und bin damit sehr zufrieden.

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Was schenkt Ihnen dieser Beruf noch außer Zufriedenheit?

Der Beruf schenkt mir viel Freude, so dass ich auch nach fast 30 Jahren Berufstätigkeit immer noch sehr gerne mit Menschen umgehe und Patientinnen betreue. Ich weiß, wie wichtig es ist, auf Augenhöhe mit den Frauen zu sprechen, die sich mir anvertrauen. In der Regel begleitet man in der Frauenheilkunde die Patientinnen über einen längeren beziehungsweise langen Zeitraum, so dass Vertrauen die Basis für die „Zusammenarbeit“ bildet. Mein Anliegen ist es immer, dass die Patientinnen keine unnötigen Ängste und Sorgen haben. Die Geburtshilfe ist bei jeder Geburt wieder neu spannend und herausfordernd. Ich freue mich jedes Mal, wenn Mutter und Kind – und natürlich auch der Vater – nach der Geburt wohlauf und glücklich sind.

Kurz und knapp: Dr. Andreas Leven

Wäre ich kein Arzt geworden dann wäre ich jetzt…

Journalist. Bis kurz vor dem Abitur hatte ich tatsächlich vor, Journalismus zu studieren.

Saugglocken oder Zangengeburt?

Ich habe viel Erfahrung mit der geburtshilflichen Zange, die man in Notfallsituationen schnell und sicher anlegen kann.

Sandalen mit oder ohne Socken?

Natürlich ohne, obwohl ich in den 80ern aufgewachsen bin.

Wie viele Kinder holen Sie täglich im Helios Klinikum Schwelm auf die Welt?

In Schwelm werden in jedem Jahr um die 800 Kinder geboren, das sind im Durchschnitt zwei Kinder pro Tag. Die meisten Kinder kommen glücklicherweise von alleine auf die Welt, ohne dass wir als Geburtshelfer und Geburtshelferinnen viel eingreifen müssen.

Stichwort Kaiserschnitt: Ein Trend, der ausstirbt?

Ein Kaiserschnitt kann das Leben von Mutter und/oder Kind retten, daher wird es immer Kaiserschnitte geben müssen, wenn wir nicht in das medizinische 19. Jahrhundert zurückwollen. Da sich die Frauen inzwischen sehr bewusst für oder gegen einen Kaiserschnitt entschließen, würde ich nicht von einem Trend sprechen, sondern von einer im besten Sinne „aufgeklärten“ individuellen Entscheidung.

Aus welchen Gründen entscheiden sich auch hier im Ennepe-Ruhr-Kreis immer mehr Frauen gegen einen Kaiserschnitt?

Auch im Helios Klinikum stellen wir fest, dass die Kaiserschnittrate in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken ist. Neben den medizinisch eindeutig notwendigen Kaiserschnitten gibt es durchaus auch die Möglichkeit eines Wunsch-Kaiserschnittes. Wir hinterfragen solche Wünsche in der Sprechstunde genau und klären ausführlich über die Vor- und Nachteile sowie die Risiken dieses operativen Eingriffes auf. Ich denke, dass Frauen sich in Kenntnis dieser Vor- und Nachteile heute bewusster für oder gegen einen Kaiserschnitt entscheiden. Ich unterstütze die Schwangeren in dieser Haltung sofern diese medizinisch indiziert ist.

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Welche Vor- und Nachteile gibt es hier denn?

Die natürliche Geburt ist eben die natürliche Geburt, wobei natürlich nicht immer heißt, dass dies auch die beste Variante für Mutter und Kind ist. Auch ist das Erleben einer natürlichen Geburt nicht zwangsläufig ein Ereignis, das nur als positiv in Erinnerung bleibt. Eine natürliche Geburt ist für Mutter und Kind mit viel Arbeit und Stress verbunden und belastet beispielsweise auch den mütterlichen Beckenboden. Ein operativer Eingriff wie der Kaiserschnitt, ist besser planbar, kürzer, aber eben auch mit den Risiken einer Operation verbunden. Dabei entsteht eine Narbe in der Gebärmuttermuskulatur, die im Hinblick auf weitere Schwangerschaften und Geburten nicht so belastbar ist, wie normales Muskelgewebe. Das Wohl der Mutter und ihres Kindes steht immer an erster Stelle und unter dieser Voraussetzung versuchen wir, die individuellen Wünsche der werdenden Mütter so weit wie möglich zu berücksichtigen und ihnen ein schönes Geburtserlebnis zu bereiten – und das auch in Corona-Zeiten.

Steckbrief: Dr. Andreas Leven

Dr. Andreas Leven kam 1966 in Marl zur Welt und ist in Recklinghausen aufgewachsen. Nach seinem Studium in Münster hat er nach kurzer Zwischenstation elf Jahre in der Frauenklinik der Universität Witten/Herdecke im Marien-Hospital in Witten gearbeitet. Seit dem 1. Dezember 2006 ist er Chefarzt der Frauenklinik am Helios Klinikum und leitet auch eine Frauenarztpraxis in Schwelm. „Dazu habe ich mich auch entschieden, weil ich hier inzwischen fest verwurzelt bin und sehr gerne wohne“, so Leven. Er lebt in einer Partnerschaft ohne Kinder. „Dafür aber mit einem sehr aufgeweckten Windhund, der Chester heißt.“

Gibt es auch Fälle, bei denen Sie den werdenden Müttern bewusst von einem Kaiserschnitt abraten, auch wenn Sie es bevorzugen?

Diese Situation könnte sich ergeben, wenn keine medizinische Indikation für einen Kaiserschnitt vorliegt. Da ich der Autonomie der Frau in ihrer Entscheidungsfindung sehr viel Gewicht beimesse, werden wir die Risiken und Nebenwirkungen einer Kaiserschnittgeburt ausführlich besprechen.

Welche Geburt empfehlen Sie den werdenden Müttern?

Ich meine, dass viele Frauen ein gutes Gefühl dafür haben, welcher Geburtsmodus für sie am besten ist. Nur wenn die Frau selbst von ihrer Entscheidung überzeugt ist, kann sie auch die möglichen Risiken und die möglichen Komplikationen gut mittragen.

Wie stehen Sie denn zu Geburtshäusern und wie zu Entbindungen zu Hause?

Grundsätzlich sollte die Frau bei ihrer Entscheidung, wo sie entbinden möchte, sehr gut und nicht tendenziös beraten sein. Im besten Fall soll sie sich mit der Entscheidung sicher fühlen. Ich persönlich favorisiere natürlich die Entbindung im Krankenhaus, gerne auch als ambulante Entbindung. Wir haben im Helios Klinikum Schwelm drei hochmoderne Entbindungsräume im Kreißsaal mit einer Geburtswanne und ein Wehenzimmer auf der Station. Bei einem unkomplizierten Verlauf kann die Frau beziehungsweise das Paar mit dem Baby zwei Stunden nach der Geburt nach Hause gehen. Im Falle von Komplikationen sind sie aber auch sofort in unmittelbarer Nähe zum Operationssaal und einer Kinderklinik mit angrenzenden Labor.

Zum Abschluss: Was machen Sie nach einer Geburt – haben Sie ein Ritual?

Nach der Geburt des Kindes sind meistens alle sehr erleichtert, so auch ich. Nachdem dann die Geburt mit dem Erscheinen der Placenta abgeschlossen ist, gratuliere ich den Eltern. Auf Wunsch machen wir noch Fotos von den Eltern zusammen mit ihrem neugeborenen Kind.