Schwelm. Die Sparpläne rund um die Schulbegleiter in Schwelm sorgen für Aufruhr: Wir erklären das System und alle Positionen, wie es weitergehen soll.

Kein anderes Thema wird derzeit in Schwelm so heiß diskutiert wie dieses: Die Verwaltung will zehn Prozent bei den Schulbegleitern an den vier Grundschulen sparen. Eltern und Schulleitungen protestieren gegen dieses Vorhaben, die Politik ist gespalten. Doch wie funktioniert das System eigentlich in Schwelm, wo sieht die Verwaltung Potenzial zu sparen und was wird der Stadtrat am Donnerstagabend zu diesem Thema beschließen?

Das System

Als nach der Schließung der Pestalozzi-Förderschule vor neun Jahren das System der Schulbegleiter in Schwelm auf den Weg gebracht wurde, ging die Kreisstadt einen eigenen Weg. Im Land NRW ist es im überwiegenden Teil der Kommunen so, dass Eltern Individualanträge stellen müssen, wenn sie bei ihrem Kind einen Bedarf für eine solche Begleitung sehen – beispielsweise in Ennepetal. Die Stadt Schwelm hingegen hat sich für eine Pool-Lösung entschieden. Heißt: Jede einzelne Klasse der Grundschulen hat einen eigenen Schulbegleiter. „Ein solches System sucht man andernorts vergeblich“, betont CDU-Fraktionsvorsitzender Oliver Flüshöh. Das Geld, das die Schwelmer mit ihrem vorbildlichen Modell in die Begleitung der Kinder investieren – etwa 1,75 Millionen Euro pro Jahr – nehmen Gevelsberg und Ennepetal zusammen für diese Leistung nicht in die Hand.

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Die Aufgabe der Schulbegleiter ist es, den Kindern, die den Schulalltag aufgrund von Entwicklungsstörungen, körperlichen Defiziten, Traumata oder sonstigen Einschränkungen, die ihnen einen erheblichen Nachteil gegenüber ihren Mitschülern bringen, nicht allein meistern können, genau dabei zu helfen. Darunter fallen Dinge wie das Umziehen vor dem Sportunterricht, Hilfe beim Raumwechsel, Unterstützung bei der Konzentration auf Unterrichtsinhalte. Die Schulbegleiter sind im Niedriglohnsektor, haben diesen Beruf oft aus Umschulungen heraus ergriffen und keine pädagogische Ausbildung. In Schwelm sind sie für 25 Zeitstunden pro Woche angestellt. Weil sie aber eben keine Lehrer sind und nur den gesetzlichen Anspruch auf Urlaub haben, müssen sie die mehr als sechs Wochen, die die Schulen zusätzlich zu ihrem Urlaub geschlossen sind, an den anderen Tagen der Woche kompensieren, so dass ihre Wochenarbeitszeit steigt.

Plan der Verwaltung

In der Kommunikation ist das weder im Jugendhilfe- noch im Schulausschuss deutlich geworden, doch Bürgermeister Stephan Langhard betont noch einmal: „Wir wollen nicht die notwendige Leistung für die Kinder beschneiden. Wir wollen das System überprüfen, ob wir dort nicht Ansätze finden, um zu sparen.“ Aus Sicht des Bürgermeisters und seiner Fachleute in der Verwaltung seien zehn Prozent weniger Kosten problemlos umzusetzen.

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Wie das konkret geschehen soll, dazu gibt es aus der Stadtverwaltung noch keine Pläne. Aber nach Informationen dieser Zeitung stehen vor allem die Tätigkeiten der Schulbegleiter im Fokus. Diese sollen nämlich – zumindest in Einzelfällen – regelmäßig Tätigkeiten an den Schulen übernehmen, für die sie einerseits nicht bezahlt werden und die andererseits Aufgaben der Lehrer sein sollen. Es geht darum, dass Schulbegleiter schon im Klassenraum den Unterricht betreut haben, während Lehrkräfte von zu Hause aus den Distanzunterricht durchgezogen haben. Es geht darum, dass Klassenlehrerinnen diese Kräfte auch in die Beurteilung der Kinder ohne Förderbedarf mit einbeziehen, dass die Schulbegleiter morgendliche Stuhlkreise organisieren, den Lehrkräften Verwaltungsarbeit abnehmen.

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Die Idee der Verwaltung: Wenn an einigen Stellen Zeit dafür ist, zu den eigenen Aufgaben noch die des Lehrpersonals zu erfüllen, kann diese Zeit eingespart werden, ohne dass die Kinder darunter leiden müssen. Zudem herrschen an den vier Grundschulen unterschiedliche Bedarfe.

Kritik der Eltern und Schulen

Eltern und Schulen laufen gegen diese Pläne Sturm. Die Schulleitungen betonen die stetig steigenden Bedarfe in diesem Bereich. Gerade die Pandemie und die damit einhergehenden Ausfallzeiten in den Kindergärten wirkten wie ein Brennglas auf die Kinder, die nicht in der Lage sind, ihren Schulalltag allein zu meistern. Sie gehen davon aus, dass die Stadt Schwelm noch deutlich tiefer in die Tasche greifen müsste, wenn jedes Kind, bei dem der Hilfebedarf nachgewiesen wird auch einen eigenen Begleiter bekäme. Eine Kürzung des jährlichen Etats kommt für sie nicht in Frage.

Reaktionen der Politik

Ebenso wie Eltern und Schulleiter positionieren sich die Grünen und die BIZ, die für die Sitzung des Stadtrats beantragen, alles so zu belassen, wie es bislang ist. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird aber der gemeinsame Antrag von SPD und CDU mindestens mit deren Mehrheit den Rat der Stadt Schwelm passieren. „Dieser steht ganz klar unter der Überschrift, dass wir im Haushalt aber auf gar keinen Fall an unseren Kindern sparen wollen“, verdeutlicht SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Kirschner. Die Essenzen aus dem mehrseitigen Antrag mit ausführlicher Begründung: Die Verwaltung soll mit allen Beteiligten bis zu den Sommerferien ein Konzept zum Einsatz der Schulbegleiter weiterhin in einer Pool-Lösung erarbeiten. Dies solle bei einer Umsetzung stetig evaluiert werden.

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Sollten Eltern und Schulleitungen die Pool-Lösung künftig ablehnen, wird die Stadt Schwelm zu den Individualanträgen wechseln. In beiden Fällen stellt die Verwaltung exakt das Geld zur Verfügung, das notwendig ist, um den Kindern eine gesetzeskonforme und ihren Bedürfnissen entsprechende Begleitung zu gewährleisten. Nicht zuletzt soll die Verwaltung die Teilnahme an weiteren Förderprogrammen für die Kinder prüfen, vorbereiten und umsetzen.