Gevelsberg. Anja Oetzel aus Gevelsberg hat sich früh mit Corona infiziert. Long Covid stellt ihr Leben seitdem auf den Kopf. Nun spricht sie über ihre Reha.

Es sind ganz alltägliche Situationen, die für Anja Oetzel zur Herausforderung werden. Das kann bei Kleinigkeiten losgehen, wenn ihre Frau ihr am Frühstückstisch die Butter reichen soll und der Gevelsbergerin das Wort dafür nicht einfällt. Es betrifft aber auch existenziell wichtige Dinge wie ihre Arbeit als Versicherungskauffrau, der sie durch ihre ständige Erschöpfung kaum noch gerecht werden kann.

So schildert Anja Oetzel ihr Leben mit Long-Covid, einem Sammelbegriff für Symptome, die nach einer Covid-19-Erkrankung weiter fortbestehen oder neu auftreten. Die 45-Jährige hatte sich recht früh nach Beginn der Corona-Pandemie mit dem Virus infiziert.

Noch heute leidet sie unter den Folgen. Bald zwei Jahre später. Eine Reha sollte Besserung bringen. Soweit die Hoffnung. Von Anfang September bis Anfang Oktober 2021 verbrachte Anja Oetzel mehrere Wochen in einer Einrichtung in Hessen, die nach eigenen Angaben ein Therapiekonzept speziell für Menschen entwickelt hat, die sich körperlich und mental von einer Covid-19-Erkrankung erholen müssen.

Hirnleistung seit Corona reduziert

„Ich bin aus der Reha aber arbeitsunfähig wieder entlassen worden“, sagt die Gevelsbergerin. Und sie geht davon aus, dass das auch noch einige Wochen so bleibt. „Ich habe das Ausmaß selber gar nicht so begriffen“, gibt sie zu. „Ich hatte damit gerechnet, im Dezember mit einer Wiedereingliederung bei der Arbeit zu starten.“

Ihre Ärzte hätten ihr aber gesagt: „Wir müssen sie erstmal für den Alltag wieder fit machen.“ Seit ihrer Corona-Erkrankung sei ihre Hirnleistung reduziert, erklärt Oetzel. Sie habe kognitive Einschränkungen und das sogenannte Fatique-Syndrom, das Symptome wie anhaltende Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit mit sich bringen kann.

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Ob sich das bei ihr alles ausschließlich auf Covid-19 zurückführen lässt? Das weiß die 45-Jährige nicht. Sie hat chronische Vorerkrankungen. Und auch die Ärzte täten sich bei Long-Covid nach wie vor schwer mit Prognosen. Klar ist für sie aber: Erst seit sie Corona hatte, ging es ihr so richtig schlecht. „Bei Migräne hatte ich auch schon mal Wortfindungsstörungen, aber die gingen wieder weg“, macht Oetzel deutlich.

Die ständige Erschöpfung machte die Reha für sie sehr anstrengend, wie sie erklärt. „Die Diagnostik war hervorragend. Aber der Terminplan in der Reha war einfach zu voll“, sagt Oetzel. „Ich habe jeden Tag da gestanden und musste sagen, dass es mir zu viel ist.“

Kontakt zu anderen Betroffenen

Schwimmen, Walken, medizinisches Klettern, Krankengymnastik. Die Gevelsbergerin spricht von bis zu 13 Terminen am Tag. „Ohne das Fatique-Syndrom wäre das wohl zielführend gewesen“, so ihre Vermutung. „Aber so bin ich fertiger aus der Reha gekommen, als ich vorher war.“

Der Kontakt zu anderen Long-Covid-Betroffenen zeigte ihr, wie unterschiedlich die Folgen der Erkrankungen sein können. So berichtet Anja Oetzel von einem Ehepaar, bei dem die Frau ebenso an Erschöpfung und Gedächtnisstörungen litt. Der Mann hatte eher mit Muskelproblemen zu kämpfen.

Fahrtauglichkeit wegen Krankheit prüfen lassen

Anja Oetzel berichtet, dass sie wegen ihrer kognitiven Einschränkungen noch mal zur Fahrschule gegangen ist, um ihre Fahrtauglichkeit prüfen zu lassen.

Das sei ihr aus versicherungstechnischen Gründen geraten worden. Sie dürfe aber weiterhin Auto fahren, wie die 45-Jährige sagt.

Ihre Beobachtung außerdem: „Allen, die am Anfang der Pandemie angesteckt wurden, geht es ähnlich wie mir“, so die Gevelsbergerin. Damit meint sie vor allem die Schwere der Erkrankung. Sie vermutet, dass Betroffene mit Fortschreiten der Pandemie immer besser behandelt und vor allem auch ernster genommen wurden, als das bei ihr selbst der Fall war. „Bei mir hat man am Anfang gesagt, ich hätte eine Bronchitis“, erinnert sich die 45-Jährige.

Unter dem Strich fühlt Anja Oetzel sich zwar körperlich ein Stück weit besser als noch am Anfang ihrer Krankheit. „Was die Alltagstauglichkeit und die Konzentration angeht, ist es aber noch nicht besser“, sagt sie.

Hoffnungen für das neue Jahr

Vor der Reha habe sie ihre Arbeitsstelle von Vollzeit auf 33 Stunden in der Woche reduziert. Selbst sechseinhalb Stunden pro Tag seien kaum machbar, wie sie schon vor Monaten im Gespräch mit dieser Redaktion erklärte. Zwischendurch sei sie immer wieder krank ausgefallen. Im Dezember 2020 hatte Oetzel ein Schlaflabor besucht, wo erstmalig von Post-Covid, Long-Covid und Fatigue Syndrom die Rede war.

Heute habe sie zweimal in der Woche medizinisches Gerätetraining, gehe einmal in der Woche zum Neuropsychologen, einmal in der Woche zur normalen Psychotherapie und habe zusätzlich mehrere Arzttermine.

Was sich die Gevelsbergerin für das neue Jahr wünscht? „Ich habe die Hoffnung, dass ich die Alltagstauglichkeit und darüber hinaus die Arbeitstauglichkeit wieder erreiche“, sagt sie. „Ich möchte wieder eine Belastbarkeit wie ein annähernd gesunder Mensch haben.“