Gevelsberg. Anja Oetzel aus Gevelsberg ist 2020 an Covid-19 erkrankt. Bis heute leidet sie an den Folgen und spricht über ihr Leben mit Long-Covid-Syndrom.

Als würde sich etwas durch den Körper fressen – so hatte Anja Oetzel aus Gevelsberg ihre Covid-19-Erkrankung im vergangenen Jahr beschrieben. Sie sprach von Atemnot. Davon, dass es ihr immer schlechter gegangen sei. Sie nahm sogar das Wort Todesangst in den Mund. Das ist jetzt bald eineinhalb Jahre her.

Ärztemarathon, Quarantäne, wochenlange Krankschreibung, letztlich die Genesung, Impfung. All das hat die 45-Jährige hinter sich gebracht. „Gesund fühlte und fühle ich mich bis heute nicht“, sagt sie. „Ich war und bin bereits nach dem Aufstehen nach kurzer Zeit wieder erschöpft und abgeschlagen.“ Eine der Diagnosen: Long-Covid-Syndrom.

„Arbeiten wäre und war kaum möglich, wenn ich nicht von zu Hause hätte arbeiten können“, erzählt Oetzel. „Den Weg in die Firma hätte ich schon nicht geschafft.“ Die Gevelsbergerin arbeitet als Versicherungskauffrau.

Schlaflosigkeit und Erschöpfung

Sie berichtet von Schlaflosigkeit in der Nacht. Erschöpfung am Tag. Konzentrationsstörungen und kognitiven Einschränkungen. „Das sind seit Corona meine täglichen Begleiter“, sagt sie. „Ich bin vergesslich. Sachen, die ich für die Arbeit sonst im Schlaf runtergebetet hätte, muss ich jetzt nachlesen.“

Oetzel zieht ihre Konsequenzen. „Ich habe meine Arbeitsstelle von Vollzeit auf 33 Stunden in der Woche reduziert“, erklärt sie, was das bedeutet. Das sei zunächst befristet bis Ende des Jahres. „Und selbst sechseinhalb Stunden pro Tag sind kaum machbar.“ Wieder seien unzählige Arzttermine gefolgt, viele Krankenscheine.

Kommentar: Corona muss nicht wie bei Frau aus Gevelsberg verlaufen

„Im Dezember 2020 war ich stationär in einem Schlaflabor“, blickt die 45-Jährige zurück. „Da fiel das erste Mal der Begriff Post-Covid, Long-Covid, Fatigue Syndrom“. Sie habe zu hören bekommen, dass man in dieser Sache erst am Anfang stünde und ihr nicht helfen könne. „Es gäbe keine Medikamente und es würde halt so lange dauern wie es dauert“, zitiert Oetzel. „Das ist ziemlich beängstigend, wenn man selbst nach Monaten keine Verbesserung verspürt, eher sogar noch eine Verschlechterung spürbar ist.“ Zwischenzeitlich sei sie sich vorgekommen wie ein Wrack. „Das hat auch emotional an mir gezehrt“, gibt sie zu.

Trotzdem Rede von mildem Verlauf

Schon als Anja Oetzel im vergangenen Jahr von ihrer Covid-19-Erkrankung berichtete, machte sie klar, dass sie mehrere chronische Vorerkrankungen hat. Sie ging davon aus, dass Corona sie auch deshalb so mitgenommen habe.

Trotzdem, so sagt sie, sei bei ihr die Rede von einem mildem Verlauf. „Ich hatte wohl Glück. Ich musste nicht intensivmedizinisch behandelt oder beatmet werden“, so die Gevelsbergerin. Dafür empfinde sie tiefe Dankbarkeit. Gleichzeitig sei sie irritiert. „Weil es sich immer noch so anfühlt, als würde Corona in mir wüten.“

Ratschläge von Ärzten, sich ein wenig zu erholen und Sport zu treiben, hätten nicht den gewünschten Erfolg gebracht. „Sport hat mir eigentlich immer geholfen“, sagt Anja Oetzel. Vor der Arbeit sei sie gerne Walken gegangen. „Wenn ich jetzt walke, könnte ich danach direkt wieder ins Bett gehen.“ Selbst der Spaziergang mit ihrem kleinen Hund sei anstrengend für sie.

Hoffnungen ruhen auf Reha

Im Mai 2021 habe sie schließlich einen Termin in der Long-Covid-Ambulanz des St.-Joseph-Hospitals in Bochum bekommen. Das Ergebnis der Untersuchungen dort bestätigte, was sie im Schlaflabor gehört hatte. Außer Long-Covid-Syndrom erhielt Oetzel dort die Diagnose Schwere Fatigue, kognitiv und motorisch. Anhaltende Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit sind Symptome, die sich zum Fatique-Syndrom finden lassen.

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Oetzel stellte einen Reha-Antrag. „Vier Wochen wurden mir genehmigt, man hat mir aber gesagt, dass ich mich eher auf fünf oder sechs Wochen einstellen sollte“, sagt die 45-Jährige. „Die Ärzte gehen bei mir von einer Chronifizierung aus, sind da aber sehr vorsichtig, weil das wohl noch nicht so erforscht ist.“

Die Unsicherheit belastet die Gevelsbergerin zusätzlich. Über das Internet habe sie Kontakt zu anderen Betroffenen gesucht. Ihre Hoffnungen ruhen nun auf der Reha. „Ich möchte einfach mein altes Leben zurück“, sagt sie ganz klar. „Ich möchte wieder Vollzeit arbeiten können, Sport treiben, ohne im Anschluss einen Crash zu erleiden, mich wieder gesund fühlen“.