Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Bahnverkehr, Müllabfuhr, Stromversorgung, Straßensperren – hier gibt’s alle Infos zu Folgen des Unwetters in Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal.

Blieben Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal bis zum Mittwochabend zunächst von dem Jahrhundert-Unwetter mehr oder weniger verschont, änderte sich dies im weiteren Verlauf der Nacht. Insbesondere Gevelsberg und Ennepetal bekamen die Folgen des Starkregens mit ganzer Wucht zu spüren. Hier ein Überblick über die Ereignisse und Schäden

Schwelm

Am besten kam noch die Kreisstadt davon. Zwar summierte sich die Zahl der Unwetter-Einsätze der Schwelmer Feuerwehr ab dem späten Mittwoch Nachmittag bis zum Donnerstag Morgen auf insgesamt 17. In den meisten Fällen mussten die Einsatzkräfte aber „nur“ vollgelaufene Keller abpumpen bzw. die Verkehrssicherheit auf Straßen und öffentlichen Wegen wiederherstellen, wo die Wassermassen Geröll und Geäst auf die Fahrbahnen und Gehwege gespült hatten.

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Dies war auch der Grund, warum die Feuerwehr am Abend das Vorwärmbecken am Freibad durch Absenken um etwa 500.000 Liter entlastete. Es musste unbedingt verhindert werden, dass mitgeschwemmter Sand und Äste in die Becken gelang und die Schwimmbadtechnik beschädigt, erklärte Feuerwehr-Chef Matthias Jansen. Der Einsatz dauerte mehrere Stunden.

Nach Mitternacht wurde die Feuerwehr dann nach Linderhausen alarmiert. Ein Rinderstall mit 200 Tieren drohte mit Wasser voll zu laufen. Benachbarte Landwirte eilten zur Hilfe herbei und pumpten die Wassermassen in Gülleanhänger, die dann an anderer Stelle auf den Wiesen abgelassen wurden. Auch hier waren die Einsatzkräfte mehrere Stunden vor Ort.

Eine Verbindungsstelle der Dachrohre konnte den Wassermassen nicht standhalten, so dass das Wasser ins Schwelmer Helios-Klinikum Gebäude eindringen konnte.
Eine Verbindungsstelle der Dachrohre konnte den Wassermassen nicht standhalten, so dass das Wasser ins Schwelmer Helios-Klinikum Gebäude eindringen konnte. © Privat | Helios

Kurz vor Mitternacht war die Feuerwehr zudem noch zu einem Auffahrunfall mit zwei Pkw auf der A 43 zwischen dem Autobahnkreuz Wuppertal-Nord und der Anschlussstelle Sprockhövel gerufen worden. Auch hier geht Feuerwehr-Chef Matthias Jansen von einem Einsatz infolge des Starkregens aus. Eine Person wurde notärztlich behandelt und in ein Krankenhaus transportiert. Die Einsatzstelle wurde anschließend an die Polizei übergeben.

„In Summe ist das Einsatzgeschehen im Vergleich zu den benachbarten Kommunen eher gering ausgefallen“, bilanzierte die Feuerwehr am Donnerstag Vormittag. In Spitzenzeiten sei man mit etwa 40 Einsatzkräften und bis zu 10 Fahrzeugen in Schwelm im Einsatz gewesen. Eingesetzt waren ehrenamtliche Einsatzkräfte aller Löschzüge, der Führungsdienst, die Wehrführung sowie die hauptamtliche Wachbesatzung. Darüber hinaus unterstützte die Schwelmer Feuerwehr zusammen mit der Feuerwehr Ennepetal den überörtlichen Einsatz in Altena und in Lüdenscheid. Am späten Mittwoch Nachmittag machte sich ein Löschfahrzeug mit 8 Feuerwehrangehörigen auf den Weg, um die dortigen Einheiten bei der Bewältigung einer Vielzahl von Unwettereinsätzen zu helfen.

Gevelsberg

Gevelsberg hat es mit Abstand am Schlimmsten getroffen. Die Ennepe ist derart weit über die Ufer getreten wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Im Stadtgebiet gab es vor allem zwei neuralgische Punkte. Erstens die Firma ABC: Hier sind in diversen Härtebecken unterhalb des Straßenniveaus hunderte, wenn nicht tausende Liter siedendes Öl. „Wären die Wassermassen hier eingebrochen, die ganze Firma wäre in die Luft geflogen“, sagt Bürgermeister Claus Jacobi. THW und Feuerwehr pumpten etwa 15 Kubikmeter pro Stunde weg, um eine Katastrophe zu verhindern.

Das Umspannwerkl am Rocholz. Hier drohte eine Überschwemmung, es musste vom Netz genommen werden.
Das Umspannwerkl am Rocholz. Hier drohte eine Überschwemmung, es musste vom Netz genommen werden. © WP | Jens Pommerenke / AirPictures.de

Zweiter schlimmer Punkt: Die Gegend um das Gut Rocholz und das dortige Umspannwerk der AVU. Auch dieses drohte, geflutet zu werden. Ebenfalls durch einen beispiellosen Einsatz konnte eine Katastrophe verhindert werden. Der Strom musste für die Stadtteile Berge, Silschede, Asbeck und Vogelsang dennoch abgeschaltet werden. Brenzlig: Vor allem Richtung Vogelsang gibt es zahlreiche Altenheime mit Beatmungspatienten. Hier musste in Windeseile eine Notstromversorgung hergestellt werden. Am Rocholz rettete die Feuerwehr mehrere Menschen und einen Hund aus Häusern, die komplett von den Wassermassen umschlossen waren. Der Strom wird im Laufe des Donnerstags sukzessive wieder angestellt.

Ennepetal

Auch Ennepetal wurde von der Gewalt des Wassermassen hart getroffen. Insbesondere entlang der Ennepe, der Heilenbecke und des Hasperbachs wurden ganze Gebäude geflutet und Straßen überschwemmt.

Die Firma Huckenbeck, die unmittelbar an der – dort erst im vergangenen Jahr renaturierten – Heilenbecke liegt, stand unter Wasser. Keine zwei Kilometer entfernt in Richtung Milspe wurde die Firma G + R Gesenkschmiede so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass ein Gebäudeteil noch am Donnerstag abgerissen werden musste. Und im Bereich der Firma Hesterberg, unter der die Heilenbecke stellenweise durchgeführt wird, verursachten die Fluten Schäden, deren Ausmaß noch nicht absehbar ist.

Am Einkaufszentrum Heilenbecke (Edeka Schlöder) ist die Heilenbecke über die Ufer getreten und hat den Parkplatz vollumfänglich unter Wasser gesetzt. Sandsäcke wurden im und am Gebäude verteilt. Fotos: Ennepetal, 22-23 Uhr. Die Voerder Straße wurde zeitweise gesperrt. 
Am Einkaufszentrum Heilenbecke (Edeka Schlöder) ist die Heilenbecke über die Ufer getreten und hat den Parkplatz vollumfänglich unter Wasser gesetzt. Sandsäcke wurden im und am Gebäude verteilt. Fotos: Ennepetal, 22-23 Uhr. Die Voerder Straße wurde zeitweise gesperrt.  © Tim Berninghaus | Tim Berninghaus

Die L 699 durch das Tal der Ennepe war zwischen der Firma Bharat Forge CDP und Ennepetal-Burg gesperrt, nachdem es im Laufe der Nacht zum Mittwoch einen Erdrutsch im Bereich Willringhausen gegeben hatte, der die Straße unpassierbar machte. Einige Autofahrer ignorierten nach Mitteilung der Stadt Ennepetal die Absperrungen jedoch – mit der Folge, dass sich mehrere Fahrzeuge in Höhe Gut Ahlhausen festfuhren und voll Wasser liefen. Wann die Autos geborgen werden können, steht noch nicht fest. Das an der L699 gelegene „Schwimmbad Platsch“ kann nicht angefahren werden. Während das Hallenbad verschont blieb blieb, fiel im Freibad eine Eiche auf die Wellenrutsche. Ob die biologische Wasseraufbereitung Schaden genommen hat, muss noch geklärt werden.

Schwer erwischt hat es auch den Ortsteil Hasperbach, wo der Hasperbach weit über seine Ufer trat. Zahlreiche Keller und zum Teil auch Erdgeschosswohnungen liefen voll, ebenso wie Teile der gerade erst eröffneten städtische Kita Bullerbü, die nun zunächst geschlossen bleiben muss. Die Hagener Straße war gesperrt.

Insgesamt verzeichnete die Feuerwehr Ennepetal von Mittwochabend bis Donnerstagmittag etwa 130 Einsätze. Stellenweise erschwerten Schaulustige die Arbeit der Einsatzkräfte. Bürgermeisterin Imke Heymann appelliert daher an die Ennepetalerinnen und Ennepetaler: „Bitte bleiben Sie – wenn möglich – zu Hause. Verlassen Sie Ihr Haus nur, wenn es unumgänglich nötig ist. Widerstehen Sie der Versuchung, sich die Schäden im Stadtgebiet anzusehen, Sie behindern die Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit“.

Impfzentrum

Auch in das Impfzentrum des Ennepe-Ruhr-Kreises in Ennepetal ist am Mittwochabend Wasser eingedrungen. Der Impfbetrieb musste um 18 Uhr eingestellt werden, alle bis zum Donnerstagmittag geplanten Termine wurden telefonisch um 24 Stunden verschoben; ab Donnerstag, 12 Uhr, finden die Impfungen wieder wie geplant statt. Die Kühlung des Impfstoffs war zu keiner Zeit beeinträchtigt. Zu Schaden gekommen sind in erster Linie die Stellwände, mithilfe derer der ehemalige ALDI-Markt zum Impfzentrum umfunktioniert worden war. Der Betrieb an der Außenstelle des Impfzentrums (Drive-In) war nur am Mittwochabend kurzzeitig beeinträchtigt. Dort laufen die Impfungen seit Donnerstagmorgen wieder.

Bahnverkehr

Der öffentliche Personennahverkehr auf der Schiene ist in der Region quasi zu Erliegen gekommen. „Im Moment fahren in Schwelm keine Züge mehr“, sagt Dirk Pohlmann, Sprecher der Deutschen Bahn AG Nordrhein-Westfalen, auf Nachfrage dieser Zeitung. Zum jetzigen Zeitpunkt könne auch noch keine Aussage gemacht werden, wann sich dies ändert. „Wir sichten noch die Schäden.“ Die Bahn versuche die Ausfälle mit der Einrichtung eines Schienenersatzverkehrs zu kompensieren. „Es gibt aber keinen gesicherten Fahrplan, die Leute sollten sich nicht darauf verlassen, das ein Bus fährt“, schränkt der Bahn-Pressesprecher ein.

Die Deutsche Bahn bittet ihre Kunden aufgrund der Vielzahl an Störungen den Bereich NRW weitläufig zu umfahren und Reisen von und nach NRW nach Möglichkeit auf die kommenden Tage zu verschieben. Für die vom Extremwetter betroffenen Regionen behalten alle für den 14. und 15. Juli 2021 gebuchten Tickets für den Fernverkehr ihre Gültigkeit und können entweder kostenfrei storniert oder bis eine Woche nach Störungsende flexibel genutzt werden. Sitzplatzreservierungen können umgetauscht werden. Betroffene Reisende, die ihre bereits gebuchte Reise nicht antreten möchten, können ihre Tickets kostenlos zurückgeben.

Müllabfuhr

Die Umladeanlage der AHE in Gevelsberg ist komplett überschwemmt und muss geschlossen bleiben. Heißt: Die Menschen können ihre zerstörten Möbel oder Schutt nicht am Wertstoffhof in Gevelsberg abgeben. Wir verweisen auf den Wertstoffhof in Witten“, sagt Johannes Einig, Geschäftsführer der AHE.

Der Chef des Entsorgungsunternehmens hat aber noch ein anderes Problem: „Etwa 30 Prozent meiner Fahrer sind bei der Freiwilligen Feuerwehr. Sie waren teilweise mehr als 30 Stunden im Einsatz. Die kann ich nicht danach einen Müllwagen fahren lassen.“ Die allermeisten Menschen hätten Verständnis für die Situation, dass der Müll nicht wie gewohnt – auch durch gesperrte Straßen – abgeholt werde. „Einen älteren Herrn hatte ich allerdings am Telefon, der mir gesagt hat, dass sein Keller zwar vollgelaufen sei, es aber mindestens genauso schlimm sei, dass seine blaue Tonne noch nicht geleert ist. Da fällt es schwer, freundlich zu bleiben.“ Generell dankt Einig aber den Menschen für ihr großes Verständnis.