Ennepetal/Hagen. Wegen Überfällen auf Rewe-Märkte steht ein 21-jähriger Ennepetaler vor Gericht. Ein unfreiwilliges Geständnis legte er auf ungewöhnliche Art ab.

Sein Wunsch, ein berühmter Rapper werden zu wollen, ist einem jungen Ennepetaler (21) zum Verhängnis geworden: Er raubte im vergangenen Jahr drei Rewe-Märkte aus – aber wurde nie erwischt. Doch dann machte er aus seinen Überfällen den Text zu einem Rap-Song – und legte dadurch unfreiwillig ein (musikalisches) Geständnis ab.

Seit Montag verhandelt die Jugendstrafkammer des Landgerichts Hagen diesen ungewöhnlichen Fall: Leon Enrico Sch. ist angeklagt, zusammen mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter (den er nicht benennen will) drei bewaffnete Raubüberfälle auf Rewe-Märkte verübt zu haben: Im Mai in Breckerfeld, im Oktober in Ennepetal und im Dezember in Gevelsberg. Ein vierter Überfall in Radevormwald blieb im Versuchsstadium stecken.

Mit Kabelbinder gefesselt

Die Raub-Masche war immer die gleiche: Die beiden maskierten und bewaffneten Täter warteten stets den Ladenschluss ab. Wenn die Angestellten das Geschäft verließen, schlugen sie zu: Mit gezückter Pistole und einem vorgehaltenen Messer wurden die Mitarbeiter zurück in den Laden gedrängt. Dort mussten sie den Tresor öffnen und die Tageseinnahmen herausgeben. Dann wurden sie mit grünem Kabelbinder gefesselt und am Tatort zurückgelassen. Die Räuber flüchteten jeweils unerkannt.

Im Breckerfelder Rewe-Markt betrug die Beute, die lässig in den Rucksack gesteckt wurde, lediglich 6.300 Euro. Beim Überfall auf Rewe in Ennepetal, am 1. Oktober, gegen 22 Uhr an der Gewerbestraße, waren es immerhin schon 18.000 Euro. Und am 5. Dezember in Gevelsberg sogar stolze 36.000 Euro. Die Mitarbeiter des Rewe-Marktes an der Hagener Straße mussten sich auf den Boden legen und wurden an Armen und Beinen mit grünem Kabelbinder gefesselt.

Der Vorsitzende Richter Jörg Weber-Schmitz erklärte gleich zu Beginn: „Die vom Landeskriminalamt untersuchten Spuren an den Kabelbindern wiesen in allen vier Fällen die DNA des Angeklagten auf, er hatte sich unter anderem einen Mercedes gekauft. Auch passt die Täterbeschreibung der Zeugen auf ihn, die Beweislage ist erdrückend.“

Täterwissen auf dem Smartphone

Und dann war da noch das schlecht gereimte, musikalische Geständnis: Nach den Raubüberfällen hatte Leon Enrico Sch. Lieder getextet und als Rap-Songs auf sein Handy gesungen: „Ich bin ein Räuber, werde jetzt Rapper, weil ich in den Rewe bretter. Markenzeichen acht Zylinder, grüne Kabelbinder.“ Das Mobiltelefon mit den verhängnisvollen Rap-Songs war bei einer Hausdurchsuchung von der Polizei gefunden worden. Richter Weber-Schmitz: „Diese Lieder voller Insiderwissen belegen seine eigene Täterschaft.“

Die Kammer machte unmissverständlich deutlich, was den Angeklagten, der zur Tatzeit 20 Jahre alt war, als Strafmaß zu erwarten hätte, wenn er für schuldig befunden und nach Erwachsenenrecht verurteilt würde: „Neun bis zehn Jahre Gefängnis.“ Verteidiger Timo Scharrmann bat daraufhin um eine Unterbrechung – er wolle sich mit seinem Mandanten besprechen.

Nach der Pause legt der junge Ennepetaler vor Gericht ein Geständnis ab. Er räumt alle drei Raubüberfälle, auch den versuchten vierten, ein. Der Angeklagte, ein stabiler, gut durchtrainierter Mann im schneeweißen Pulli und mit leuchtend roten Wangen, erklärt geradezu freundlich: „Ich habe versucht, mich mit meinen Texten als Rapper zu profilieren. Die Taten habe ich begangen, um alles besonders authentisch zu machen.“

Über den Mittäter werde er nichts verraten, erklärt der Verteidiger. Die Familie seines Mandanten sitze hinten im Gerichtssaal und habe Angst. Wie es zu den vier Raubüberfällen kam, erzählt Leon Enrico Sch. wieder selbst: „Nach meiner Ausbildung war ich arbeitslos, hatte kein Geld zur Verfügung. Ich wollte mir ein schönes Auto kaufen. Das war der schnellste Weg.“

60.000 Euro durch Zwei geteilt

Keine Angst erwischt zu werden? „Nein. Als ich die Taten beging, habe ich nicht damit gerechnet, dass ich erwischt werde. Einfach ausgeblendet. Erst als ich im Knast saß, ist mir das alles bewusst geworden.“

Bei den Überfällen sei stets er der Mann mit der Pistole gewesen, der andere der Mann mit dem Messer: „Wir wollten aber niemanden verletzen oder schaden.“ Die Gesamtbeute von 60.000 Euro sei „Hälfte, Hälfte“ aufgeteilt worden. Nichts ist mehr davon da: „Alles verballert für Markenklamotten.“

Fortsetzung am Freitag

Der Prozess geht am kommenden Freitag, 21. Mai, weiter.

Es sind sechs Verhandlungstage anberaumt, das Urteil ist für den 17.Juni vorgesehen.

In den nächsten Tagen will die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe Leon Enrico Sch. in der Untersuchungshaft aufsuchen und mit ihm ein ausführliches Gespräch führen. Vielleicht kommt sie danach zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte von der Reifeentwicklung noch einem Jugendlichen gleichzusetzen ist, obwohl er zur Tatzeit schon 20 Jahre alt war. Eine solche Einschätzung könnte dazu führen, dass der Rewe-Räuber nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt würde. Statt der „neun bis zehn Jahre Gefängnis“, stünde dann womöglich nur noch ein Strafmaß von „um die fünf Jahre“ im Raum.