Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. So funktioniert die Berechnung der Sieben-Tage-Inzidenz: Einfacher Dreisatz reicht nicht aus. Täglich muss das Gesundheitsamt EN korrigieren.

Ein einfacher Dreisatz und fertig ist die Sieben-Tage-Inzidenz. Was in der Theorie mit Mathe aus der siebten Klasse problemlos funktioniert, scheitert in der Praxis krachend. Täglich erreichen die Redaktion Zuschriften und Anrufe von Menschen, die andere Werte errechnet haben oder Fragen zum Zustandekommen der Inzidenzen für die Städte haben. Michael Schäfer, Leiter des Krisenstabs im Ennepe-Ruhr-Kreis sowie Jürgen Pollmann, der im Fachbereich Gesundheit und Soziales Herr über exakt diese Zahlen und Berechnungen ist, erläutern, wie genau berechnet wird, und warum ein einfacher Dreisatz so gut wie nie zum korrekten Inzidenzwert führt.

So sieht die Lage aktuell aus.
So sieht die Lage aktuell aus. © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Michael Schäfer macht deutlich: „Das ist eine sehr komplexe und komplizierte Geschichte.“ Gleich zu Beginn stellt sich die Frage: Was sind in dem Fall eigentlich sieben Tage? Zähle ich beispielsweise sieben Tage von Montag bis Sonntag ab oder ist in jeder Woche – zum Beispiel Samstag um 17 Uhr – der gleiche Fixwert als Start- und Endpunkt der Fallzahlen die Basis der Berechnungen? „Zweiteres ist der Fall. Wir rechnen immer von Samstag bis Samstag, Sonntag bis Sonntag, Montag bis Montag und so weiter“, klärt Pollmann die Berechnungsgrundlage.

Basis sind positive PCR-Tests

Grundsätzlich sind positive PCR-Tests die Währung, die einen Menschen zum Coronafall machen. Diese melden die Labore an Demis. Das ist das Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz, an das alle Gesundheitsämter angeschlossen sind. Die Daten, die den EN-Kreis hierüber erreichen, übermittelt dieser täglich anonymisiert an das Landeszentrum für Gesundheit (LZG) und von dort aus an das RKI. „Das passiert mit sämtlichen meldepflichtigen Krankheiten, wie zum Beispiel dem Norovirus – zur Zeit ist das natürlich vorwiegend Covid“, sagt Michael Schäfer. Aus allen Meldungen der Kreise und kreisfreien Städte errechnet das LZG schließlich die Inzidenzen. „Parallel führen wir als Qualitätskontrolle unsere eigenen Berechnungen durch und gleichen ab“, verdeutlicht der Leiter des Krisenstabs. Auf dieser Basis aktualisiert auch das RKI täglich seine Zahlen.

Kreis berechnet für die Städte

Beim Kreis geht die Rechenarbeit da erst richtig los, denn die Zahlen sind selten abschließend. „Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb wir fast täglich Korrekturen vornehmen müssen“, sagt Jürgen Pollmann und nennt zwei Beispiele. Erstens: Im Laufe der Ermittlungen wird festgestellt, dass die Person nicht wie in der Labormeldung im Ennepe-Ruhr-Kreis wohnt, sondern zum Beispiel in Bochum. Dann muss dieser Fall storniert werden, das heißt er wird beim LZG und RKI gelöscht und für Bochum gezählt. In der Auswertung des Gesundheitsamtes ist er am nächsten Tag auch nicht mehr enthalten, in der Auswertung des Vortages aber schon.

Nummer Zwei: Es erfolgen gelegentlich Doppelmeldungen von Laboren (Fax und DEMIS), diese Fälle werden oft zunächst zweimal erfasst. Der Fehler wird dann im Rahmen der Qualitätssicherung festgestellt, die Doppelerfassung wird ebenfalls storniert und die Zahlen am nächsten Tag korrigiert. Auch hier ist keine rückwirkende Änderung der Vortagsauswertungen möglich. Es ist also nicht möglich die täglichen Auswertungen des Gesundheitsamts rückwirkend für die Berechnung des Inzidenzwerts heran zu ziehen, weil die Daten des nächsten Tages sowohl die zusätzlichen neuen Fälle, als auch die Stornierungen (Reduzierungen) der alten Meldungen beinhalten. Für die Berechnung der Sieben-Tages-Inzidenz können nur die an das LZG gemeldeten Fälle der vergangenen sieben Tage betrachtet werden und die enthalten auch Stornierungen.

Die Berechnungen für die einzelnen Kommunen werden ebenso beim Ennepe-Ruhr-Kreis angestellt. „Das sind sehr wichtige Daten für die Städte, die dann auf bestimmte Entwicklungen aktuell reagieren können und zum Beispiel schauen, ob singuläre Ereignisse oder generelle Probleme für den Anstieg der Inzidenten verantwortlich sind“, sagt Schäfer. Wichtig ist den beiden Männern: Die berechneten Inzidenzwerte des LZG stimmen regelmäßig mit den intern berechneten Inzidenzwerten überein und werden täglich im Rahmen der internen Qualitätssicherung überprüft.