Gevelsberg. Die CDU will wissen, warum Landrat Schade als Chef der Kreispolizeibehörde über die geflüchteten Polizistinnen nicht vor der Wahl informiert hat.

Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, bei dem die Verantwortung für die Polizeiarbeit im Bundesland liegt, hält sich zu dem Fall der beiden Polizistinnen, die in Gevelsberg geflüchtet sind, als auf ihre Kollegen geschossen wurde, zwar noch bedeckt, dennoch erlangt der Fall, der sich auf der Mühlenstraße ereignet hat, nun eine politische Dimension. Die CDU im Ennepe-Ruhr-Kreis will wissen, welche Rolle der Leiter Kreispolizeibehörde, Landrat Olaf Schade in der Sache spielt. Sie will wissen, warum der wiedergewählte Landrat diese Vorgänge nicht transparent gemacht hat.

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Erst im Rahmen des Prozesses gegen Vitalij K., der seit diesem Jahr vor dem Hagener Landgericht läuft und in dem sich der Ennepetaler dafür verantworten muss, dass er versucht haben soll, Polizisten zu erschießen, wurde bekannt, dass zwei Polizistinnen ihre Kollegen im Kugelhagel allein ließen.

Überregional in der Presse

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Auf Nachfrage dieser Zeitung äußerte sich Landrat Olaf Schade als Chef der Kreispolizeibehörde wie folgt: „Wir haben in der Nachbereitung der Einsatzmaßnahmen festgestellt, dass sich zwei der vielen am Einsatz beteiligten Polizeivollzugsbeamten nicht erwartungsgemäß verhalten haben. Daraufhin haben wir, um die Neutralität zu wahren, die zuständige Behörde, hier das Polizeipräsidium Hagen, darüber informiert. Es wurden Ermittlungs- und disziplinarrechtliche Verfahren eingeleitet, deren Ausgang abgewartet werden müssen. Es ist mir abseits der Vorwürfe gegen die beiden Polizistinnen wichtig zu betonen, dass die anderen beteiligten Kolleginnen und Kollegen aus meiner und vielen anderen Behörden ihrem Auftrag in dieser Nacht gerecht geworden sind und den bewaffneten Täter, der auch erneut auf die Polizei geschossen haben soll, festgenommen haben.“

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Das ist der CDU-Fraktion im Ennepe-Ruhr-Kreis mit Oliver Flüshöh an der Spitze der Opposition bei Weitem nicht ausreichend. In einem Schreiben an den Landrat macht er deutlich: „Inzwischen findet sich der Ennepe-Ruhr-Kreis mit diesem unseligen Vorfall in der überregionalen Presse wieder. Die Überschrift der Lokalpresse ,Polizeiskandal – Polizistinnen lassen Kollegen bei Schießerei im Stich’ fasst die vermeintlichen Unzulänglichkeiten pointiert zusammen“, beginnt das Schreiben an den Behördenleiter und zitiert im Folgenden aus den Berichten dieser Zeitung den Polizeidirektor, der für das Polizeipräsidium Hagen das Einsatzgeschehen aufgearbeitet hat: „Ich habe erst Tage nach dem Einsatz davon erfahren, dass die beiden Frauen sich entfernt haben. Ich hatte keine Auskunft der beiden Damen, musste mir auch alles zusammenpuzzeln“, hatte dieser vor dem Schwurgericht in Hagen ausgesagt.

Nichts in den Gerichtsakten

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Die beiden Polizistinnen hatten eine Frau angehalten und sich in ihrem Pkw vom Tatort wegfahren lassen. Die Juristen am Landgericht waren eher durch Zufall auf diesen Vorgang gestoßen. Nach Aussage des Staatsanwalts Nils Warmbold soll „nichts, aber auch wirklich gar nichts von alle dem in den Akten“ gestanden haben. „Sowohl den Bürgerinnen und Bürgern, als auch uns als Lokalpolitikern im Kreistag erscheinen diese Dinge wie in einem schlechten Krimi. Doch leider scheinen sie im EN-Kreis Realität zu sein“, schreibt die CDU und weiter: „Bis heute haben Sie sich als Chef der Kreispolizeibehörde in keiner Weise zu den Geschehnissen geäußert. Dies ist für uns nicht – auch nicht mit einem möglichen Verweis auf die Befugnisse des Polizeibeirats –zu akzeptieren und zu verstehen.“

Weil ein jeder Bürger im Ennepe-Ruhr-Kreis auf Sicherheit angewiesen sei, habe die Öffentlichkeit ein Recht drauf, eine Erklärung des Landrats zu bekommen, wie es um diese Sicherheit im EN-Kreis bestellt sei, wieso diese eklatanten Fehler am Tatort, aber auch in der Behörde aufgetreten seien und was Olaf Schade als Chef dieser Behörde zu tun gedenke.

Und die Christdemokraten machen noch eine weitere, politische Ebene auf: „Ebenso erwarten wir eine Aussage dazu, weshalb Sie die Politik nicht bereits im Sommer 2020 – vor der Kommunalwahl 2020 – unterrichtet haben.“ Zumindest sollten dem Chef der Kreispolizeibehörde die Vorgänge bekannt gewesen sein, denn die Staatsanwaltschaft hatte bereits am 5. Oktober – die Wahl war am 13. September – nach abgeschlossenen Ermittlungen Anklage gegen die Beamtinnen erhoben. Sie erwarten ihr Strafverfahren Ende April dieses Jahres.

Landrat kündigt Stellungnahme an

Sollte das Thema klein gehalten werden, um Schades Wiederwahl nicht zu gefährden? Die Redaktion hakte nach und stellte dem Landrat folgende Fragen: „Wann haben Sie als Leiter der Kreispolizeibehörde von diesem Thema erfahren? Warum haben Sie entschieden, dieses Thema nicht öffentlich zu machen? In welchem Maße hat die Kommunalwahl eine solche Entscheidung beeinflusst? In welchem Maße hatte dieser Fall Auswirkungen auf die Besetzung des Polizeibeirats? Wie bewerten Sie als Leiter der Kreispolizeibehörde die Vorwürfe, die den beiden Frauen gemacht werden? Welche Auswirkungen dieser Vorwürfe nehmen Sie in der Behörde/im Kollegenkreis wahr?“

Olaf Schade hat über Polizeipressesprecherin Sonja Wever ausrichten lassen, dass er die Fragen am Dienstag beantworten wolle.

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Bislang sind die beiden Polizistinnen (32 und 37 Jahre alt) von Konsequenzen nahezu verschont geblieben.

Sie sind lediglich in den Innendienst versetzt worden – eine von ihnen in die Verkehrsdirektion, die andere in die Direktion Kriminalität.

Bevor disziplinarische Konsequenzen über ein behördeninternes Verfahren zur Anwendung kommen, warten die Verantwortlichen den Strafprozess gegen die Frauen ab.

Sollten sie vom Schwelmer Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt werden, würden sie ihren Beamtenstatus verlieren und ohnehin aus dem Polizeidienst ausscheiden, was disziplinarische Konsequenzen natürlich in diesem Fall überflüssig machen würde.