Ennepetal. Menschen aus den bevölkerungsreichen Städten im Norden des Kreises sehen eine Fahrt zum Impfzentrum nach Ennepetal als kaum zumutbar an.
Ärger, Diskussionen, Streit und gekränkte Eitelkeiten löst der Standort des Impfzentrums in Ennepetal im Norden den Ennepe-Ruhr-Kreises aus. Insbesondere in Hattingen und Witten polterten sogar höchste Politiker, der Weg nach Ennepetal sei ihren Bürgern kaum zuzumuten. Wittens Bürgermeister Lars König (CDU) sprach von einer „halben Tagesreise“. Die FDP hatte den Ball daraufhin aufgenommen und Landrat Olaf Schade einen ganzen Fragenkatalog gesandt, der sich auch intensiv mit dem Standort des Impfzentrums befasst. Nun sind die Antworten aus dem Kreishaus eingetroffen.
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Kurzer Blick in den Rückspiegel: Vor zwei Wochen hatte die Kreisverwaltung, die für die Organisation der Infrastruktur zuständig ist, verkündet, dass das Impfzentrum für die neun Städte des Ennepe-Ruhr-Kreises in einem leerstehenden Aldi in Ennepetal eingerichtet wird. Vor allem die Nähe zum Kreishaus, wo der Krisenstab sitzt, der die Pandemielage seit dem ersten Tag managt, und zum Helios-Krankenhaus sowie die ordentliche Verkehrsanbindung führte das Kreishaus als Argumente für diesen Standort an und freute sich über eine schnelle Lösung. Diese Freude teilten aber bei Weitem nicht alle.
Maximal 30 Minuten mit dem Auto
Während zunächst nur in den sozialen Medien Hinz und Kunz darüber diskutierten, wie zumutbar und beschwerlich eine Reise von Hattingen, Herdecke, Witten oder Wetter nach Ennepetal sei, schwappte diese Debatte bald schon in die echte Welt und dort in höchste kommunalpolitische Kreise. Der bevölkerungsstärkere Norden des Kreises sah sich ungerecht behandelt. Wittens Bürgermeister Lars König sprach von einer „halben Tagesreise“. Hattingens CDU-Parteichef Gerhard Nörenberg teilte mit: „Trotz allem halte ich die Entscheidung für nicht richtig. Ein Zentrum hätte in die Mitte des Kreises gemusst.“ Seiner Ansicht nach wäre Sprockhövel-Haßlinghausen ein guter, weil geografisch mittiger Standort gewesen. Hätte es dort keine Halle gegeben, hätte man sich mit Zelten und Leichtbauweise behelfen können. Allerdings räumt er ein: „Hier drängte ja auch die Zeit.“
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Der Radio-Bürgerfunk Antenne Witten zerrte sogar Gevelsberg und Sprockhövel in den Norden des Kreises, um zu untermauern, wie viele Leute sehr weit fahren müssten. Zur Richtigstellung: Von Gevelsberg aus sind es von fast jedem Ort weniger als zehn Minuten mit dem Auto zum Impfzentrum. Und zur Einordnung: Von Hattingen und Witten benötigt der ÖPNV eine gute Stunde, mit dem Wagen hat man die Strecke in 30 Minuten erledigt – selbst vom am weitesten entfernt liegenden Punkt in den neun Städten des Kreises.
Schließlich nahm die FDP den Ball auf und sandte Landrat Olaf Schade einen großen Fragenkatalog, warum der Kreis ausgerechnet diesen Standort auswählte. Schade antwortete nun schriftlich: „Der Standort musste aufgrund des Zeitdrucks sofort verfügbar sein und für mehrere Monate zur Verfügung stehen. Dadurch war die Auswahl begrenzt. In der näheren Auswahl war die Gebläsehalle in Hattingen. Außerdem wurden folgende Immobilien geprüft und verworfen: Größere Hallen und Sporthallen im näheren Umfeld: Dreifach-Sporthalle der Baskets, Event-Halle Schwelm, Kreissporthalle Wilhelm-Kraft-Gesamtschule.“ Zudem habe man erfolglos nach leerstehenden Baumärkten gesucht.
Viele Impfungen beim Hausarzt
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Die Liberalen wollten zudem wissen, wie die Anbindung insbesondere aus dem Nordkreis erfolgt, ob die Parkplätze ausreichen, ob die Verwaltung eine Erweiterung des öffentlichen Nahverkehrs plant. Antwort: Die Verwaltung erwartet in den ersten Wochen keinen großen Andrang beim Impfzentrum. „Die Zuteilung des Impfstoffes wird nach derzeitigen Erkenntnissen so knapp sein, dass dieser nur über die mobilen Impfteams verteilt wird. Viele Bürger werden sich am Ende bei ihrem Hausarzt impfen lassen können. Sie müssen gar nicht zum Impfzentrum kommen,“ sagt Landrat Olaf Schade mit Blick auf die Kritik, der Standort des Impfzentrums hätte im Nordkreis liegen müssen.
Ob sich die Diskussion nun beruhigt? Zumindest scheinen sich die Ersten damit zu arrangieren. Hattingens parteiloser Bürgermeister Dirk Glaser sieht sich sogar in der Pflicht, Lösungen für die weniger Mobilen zu finden: „Da sind wir als Stadtverwaltung gefordert.“ Zwar sei Ennepetal „auf den ersten Blick ungünstig“, jedoch sei während der Pandemie „keine Zeit für Gebietsansprüche“.