Redaktionsleiter Stefan Scherer sieht kein Problem im Standort des Impfzentrums.

Zum Einkaufen mal kurz nach Köln, ein Tag Skifahren in Winterberg, eine kurze Radtour im Münsterland, für ein Fischbrötchen an die Nordsee und für eine Übernachtung nach Mallorca – all das und noch viel weitere Reisen für kurze Zeiträume nehmen Menschen – auch aus den nördlichen Städten des Ennepetal-Ruhr-Kreises – gern auf sich. Aber einmal für eine möglicherweise lebensrettende Sache maximal 30 Kilometer nach Ennepetal zu fahren, soll nicht zumutbar sein? Diese Diskussion ist ein dermaßen an der Realität vorbei konstruiertes Problem, dass ich kaum in Worte fassen kann, für wie dämlich ich diese Aussagen halte.

Wer – aus welchen Gründen auch immer – Angst vor einer Impfung hat, der kann ja zu Hause bleiben. Ich für meinen Teil würde für eine Sache, die mein Leben schützt, auch noch viel weitere Wege und viel mehr Zeit aufwenden. Und mal ganz im Ernst: Es gibt Gegenden in Deutschland, da fahren die Menschen diese Strecke in die nächste Stadt für eine Tüte Milch. Von Zuständen in anderen Ländern, wo kaum jemand ein Auto hat und es überhaupt keine Impfzentren gibt, möchte ich jetzt gar nicht erst anfangen. Wen zwei bis drei Stunden Busfahrt für Hin- und Rückweg, um seine Gesundheit, ja möglicherweise sein Leben zu schützen, derart aufregen, dass er mindestens diese Zeit aufwendet, um irgendwelche Statistiken hin- und herzubiegen und darüber zu streiten, der hat den Blick für das Wesentliche längst verloren.

Ich schaue gern kritisch hin und halte mich auch nicht zurück, wenn ich denke, dass Dinge nicht korrekt laufen oder unausgegoren sind. Die Chefetage der Kreisverwaltung um Landrat Olaf Schade kann ein Lied davon singen, aber an dieser Stelle kann man ihnen mit einem Funken gesunden Menschenverstands überhaupt keinen Vorwurf machen. Der Krisenstab hat eine schnelle und pragmatische Entscheidung getroffen. Und ich gehe davon aus, dass es für diejenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – tatsächlich nicht allein ins Impfzentrum gelangen können, ebenso pragmatische Lösungen gibt. Sie könnten beispielsweise ein Taxi bezahlt bekommen oder von einer der mobilen Einheiten besucht werden oder vom Hausarzt in der Praxis oder beim Hausbesuch geimpft werden.

Mich überrascht nicht mehr viel, aber dass die Lage des Impfzentrums zu einer schreienden Ungerechtigkeit hochstilisiert wird, das hatte ich mir im Vorfeld nicht ausmalen können.