Gevelsberg. Die Gevelsberger Ärzte Dr. Christian Füllers und Ludger Keßel sind die Chefs des Impfzentrums Ennepetal und haben stressigen Job.

„Ärztliche Leitung KV Westfalen-Lippe“ steht neben der Tür geschrieben, die in einen Raum mit einer gläsernen Front führt. Von hier aus werden Dr. Christian Füllers und Ludger Keßel den Eingang zum Impfzentrum in Ennepetal im Blick haben. Ob er häufig in seinem Büro sitzen wird? „Ich hoffe nicht“, sagt Dr. Füllers, der die medizinische Organisation verantworten wird, „ich habe es nicht so mit Rumsitzen. Anderseits, wenn ich hier sitzen kann, dann läuft alles reibungslos.“ Damit rechnet der Gevelsberger aber erst einmal nicht.

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Drei Minuten pro Impfung

„Unsere Aufgabe ist es, das, was sich die Politik für das Impfzentrum ausgemalt hat, mit der Realität zu vergleichen“, sagt Ludger Keßel, der stellvertretende Ärztliche Leiter und nennt ein Beispiel. Alle Personen, die im Impfzentrum mit Patienten zu tun haben, sollen täglich getestet werden. So viele Schnelltests gebe es aber gar nicht. Üblich sei es in medizinischen Berufen einmal pro Woche. Für das Impfzentrum werde nun mit zwei Tests in der Woche geplant, das bringe ausreichend Sicherheit, sagt Keßel und kommt zur nächsten Schwierigkeit: die Heime.

Ludger Keßel ist die stellvertretende ärztliche Leitung des Impfzentrums.
Ludger Keßel ist die stellvertretende ärztliche Leitung des Impfzentrums. © Bastian Haumann

Mit der Impfung soll am 27. Dezember begonnen werden, von diesem Datum wissen die Ärzte seit Donnerstagmittag. Aber: Was ist, wenn es dort ein Ausbruchsgeschehen gibt? Dann seien die Häuser vier Wochen in Quarantäne. Also könne erst am Morgen der Impfung festgelegt werden, wo geimpft werden kann. Und wie soll das vor Ort ablaufen? Der Impfstoff müsse erschütterungsfrei transportiert werden. Von Zimmer zu Zimmer zu gehen sei schwierig. Wie ist es zu schaffen, von allen eine unterschriebene Einverständniserklärung zu erhalten, auch von denen, die einen Betreuer haben. Was ist, wenn ein Impfling zur Wiederholungsimpfung nach drei Wochen nicht kann, weil er im Krankenhaus ist? Viele Fragen seien längst noch nicht geklärt. Zumindest in der Praxis, und auf die kommt es ja an.

Im Impfzentrum ist geplant, am 4. Januar eine Impfstraße in Betrieb zu nehmen. Am 29. Dezember ist ein Probelauf angesetzt. Mit Statisten und ohne Impfstoff. Denn auch hier stelle sich die Frage, wie nah die Wirklichkeit an den Vorstellungen liegt.

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Bisher 1.500 Helfer gemeldet

„Drei Minuten sind für den Impfvorgang vorgesehen“, erklärt Dr. Christian Füllers. Eine statistisch ermittelte Zahl, die nicht der Lebenswirklichkeit entspricht. Eine alte Dame werde sicherlich mehr Zeit dafür benötigen, ihren Arm frei zu machen und sich nach der Impfung wieder anzuziehen, weiß Dr. Christian Füllers aus Erfahrung, denn auch in seiner chirurgischen Praxis setzt er die Grippeschutzimpfung, „das machen nicht nur Hausärzte“, macht er deutlich. Und noch so ein theoretisches Konstrukt: Das Impfzentrum Ennepetal mit seinen fünf Impfstraßen kann maximal 1200 Impflinge am Tag bewältigen, rechnet die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe vor, geht aber eher von 800 bis 1000 Impflingen aus.

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Dr. Christian Füllers und Ludger Keßel müssen dafür sorgen, dass das auch gelingt, dass alle Schichten im Impfzentrum von Ärzten und medizinischen Fachangestellten besetzt sind. Von 8 bis 14 Uhr und von 14 bis 20 Uhr. Etwa 1500 medizinisch geschulte Menschen haben sich bisher freiwillig gemeldet und wollen in Ennepetal helfen, darunter auch 350 Ärzte. Manche können nur stundenweise, andere den ganzen Tag arbeiten.

Impfstraße soll am 4. Januar starten

Wie viele am 4. Januar ihren Dienst aufnehmen müssen? Das Tempo im Impfzentrum wird am Anfang vor allem von der Verfügbarkeit des Impfstoffs bestimmt. Ludger Keßel rechnet mit 400 Dosen, die am ersten Tag ankommen. „Wir möchten gern möglichst schnell parallel arbeiten“, sagt Keßel und meint das Impfzentrum und die mobilen Trupps in den Heimen. Eine weitere Herausforderung.

Noch keine Termine

Zuerst werden die Menschen in den Heimen geimpft, die 80 Jahre alt oder älter sind.

Laut Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, Stand Donnerstag 17 Uhr, soll die Impfung in den Heimen ab 27. Dezember beginnen und die ersten Impfstraßen am 4. Januar öffnen – vorausgesetzt es gibt ausreichend Impfstoff.

Das Terminmanagement wird in der kommenden Woche installiert. Dann wird bekannt gegeben, wie die Terminvergabe erfolgt. Der wichtige Hinweis auch von den Gevelsberger Ärzten: Bitte noch nicht unter der 116117 anrufen, erst, wenn fest steht, wie die Termine vergeben werden.

Mails checken, Telefonieren, Videokonferenz, Besprechung im Impfzentrum: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so stressig ist“, sagt Ludger Keßel. Seit 30 Jahren sei er in Berge hausärztlich tätig, engagiere sich in der Palliativarbeit. Und diese Aufgabe muss jetzt geschafft werden. Da helfe er gern mit. Außerdem: Füllers und er kennen sich seit Jahrzehnten, „Wir vertrauen uns“. Und seine Patienten in Berge? Die bekommen weiter ihre Behandlung und Versorgung, müssten aber in diesen Zeiten etwas flexibel seien, bittet Keßel um Verständnis.

Warum sich Dr. Christian Füllers diesen Stress antut? Weil er dabei helfen will, die Pandemie zu bekämpfen, weil er sich gern neuen Herausforderungen stellt, weil er es spannend findet, „so etwas noch niemand gemacht hat“, sagt er und spricht auch von den medizinischen Studien, die durch die gewonnen Erkenntnisse und Daten in den Impfzentren vorangetrieben werden. Und weil er eben nicht der Typ fürs Rumsitzen ist, vor allem jetzt im „Halbruhestand“, wie es sagt. Zum 1. Oktober hat er seine Praxis in Gevelsberg an das Medizinische Zentrum Volmarstein verkauft, arbeitet jetzt dort nur noch halbtags. In dem Versorgungszentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie ist nun Bahadir Özayneci verantwortlich. Auch wenn Christian Füllers seit mehr als 23 Jahren als Chirurg in Gevelsberg gearbeitet hat, das Thema Impfen begleitet ihn ein Leben lang. Schon als junger Mann arbeitete er vor der Facharztausbildung mehrere Monate in Afrika, genau genommen in Mosambik und Simbabwe, und kämpfte gegen Masern.

Sieben Tage in der Woche

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Jetzt geht es um Corona. Drei Mal am Tag müssen er oder Ludger Keßel im Impfzentrum vor Ort sein. Morgens, wenn der Impfstoff geliefert wird, mittags zum Schichtwechsel und abends zum Schichtende – sieben Tage die Woche. Sie rechnen mit einer Impfbereitschaft von etwa 70 Prozent. So viel ist auch notwendig, damit das Virus an Schlagkraft verliert. Dabei wollen die beiden Gevelsberger helfen und freuen sich auf das, was kommt.

Auf dem Gang zu dem neuen Büro im Impfzentrum liegt ganz in der Nähe der Notfallraum. Er wird ausgestattet wie ein Rettungswagen, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Selbst die Liegen gehören nicht zum Standardprogramm, sondern können 225 Kilogramm tragen. Es gibt zudem eine Notstromversorgung und alles, was eine moderne medizinische Einrichtung braucht.

Bei vielen anderen Dingen müsse improvisiert werden, „da gibt es keine perfekte Lösung, nur pragmatische“, sagt Dr. Christian Füllers. Wenn denn dann der Impfstoff wirklich am 27. Dezember kommt.