Gevelsberg. Kommunalwahl 2014: Claus Jacobi holt in Gevelsberg 88 Prozent: Sind die SPD und der Chef im Rathaus dieser Verantwortung gerecht geworden?

Bürgermeisterwahl und Kommunalwahl: Am 13. September werden die politischen Kräfteverhältnisse in NRW neu gemischt. Auch in Gevelsberg? Bei der Wahl im Jahr 2014 erreichte Bürgermeister Claus Jacobi 88 Prozent der Stimmen, seine SPD bekam mit 63,5 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit. Ein Erdrutschsieg, der vor allem eines bedeutete: Eine riesige Verantwortung den Gevelsbergern gegenüber, die mit ihren Steuergeldern für Bürgermeistergehalt und Politikerentschädigungen aufkommen. Doch sind die Sozialdemokraten und der Chef im Rathaus an ihrer Spitze dieser Verantwortung auch gerecht geworden? Wie hat sich die hoffnungslos unterlegene Opposition geschlagen? Welche Projekte sind wie gelaufen, was sind die Herausforderungen für die Zukunft? Eine subjektive Bestandsaufnahme.

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Die großen Projekte

In der ablaufenden Wahlperiode hat es mehrere zukunftsweisende Entscheidungen gegeben, die die Stadt auf Jahrzehnte prägen werden. Da ist einerseits der längst überfällige Bau einer neuen Feuerwehr-Hauptwache. Das Projekt war schon so gut wie gescheitert, als sich durch die Schüssler-Pleite das Grundstück am ehemaligen Haufer Bahnhof auftat. Entscheidung Nummer zwei gegen die Stimmen aller Oppositionsparteien: Das Integrierte Entwicklungs- und Handlungskonzept (IEHK), das in Form gießen soll, wie die künftige Verkehrsführung aussehen soll, wie der Innenstadtbereich zukunftsfest gemacht werden soll. Eine Entwicklung ist dringend notwendig, der Startschuss dafür die wohl wichtigste Entwicklung der kommenden Wahlperiode.

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Das Rupprecht-Gebäude und dessen Entwicklung sind eine große Herausforderung in der nächsten Wahlperiode.
Das Rupprecht-Gebäude und dessen Entwicklung sind eine große Herausforderung in der nächsten Wahlperiode. © WP | Jens Pommerenke / AirPictures.de

Ein Dreh- und Angelpunkt: der millionenschwere Kauf des Rupprecht-Gebäudes durch die Stadt. Das liegt in der allerbesten 1a-Top-Lage, hat aber ein großes Problem: das durch die Ampeln wohl meist angeschaute Gebäude der Stadt ist potthässlich, heruntergekommen, und in Richtung Parkhaus wird es noch schlimmer. Die Frage für die kommende Wahlperiode lautet: Gelingt es den Verantwortlichen, den Klotz finanzierbar attraktiv zu gestalten und vor allem mit Leben zu füllen? Ob die Musikschule und die Stadtbücherei tatsächlich zu Frequenzbringern werden – daran bestehen berechtigte Zweifel. Dies wird mit Sicherheit ein Gratmesser für die gesamte Innenstadtentwicklung werden, die letztendlich darüber entscheiden wird, ob Gevelsberg im Konkurrenzkampf mit Schwelm und Ennepetal seine hervorragende Position behaupten kann. Denn: Vor allem in Schwelm bewegt sich in der Innenstadt auch sehr viel.

Der Bürgermeister

Claus Jacobi ist seit 16 Jahren im Amt, war davor schon fünf Jahre SPD-Fraktionsvorsitzender. Bereits im Jahre 1994 wurde er erstmals in den Rat der Stadt Gevelsberg gewählt. Die Gevelsberger kennen ihn, er kennt die Gevelsberger. Claus Jacobi beherrscht die Klaviatur, sich und seine Projekte ins rechte Licht zu rücken, in Perfektion. Er ist gewiefter Taktiker, wenn er Gevelsberg nach außen vertritt, aber auch im Rathaus, dem Stadtrat und der eigenen Fraktion. Er trifft sehr viele gute Entscheidungen zum Wohle der Stadt Gevelsberg, hat etliche Dinge auf den Weg gebracht, die andere Kommunen nachgeahmt haben. Jüngstes Beispiel: die Gastromeile auf der Mittelstraße, deren Rahmenbedingungen als „Gevelsberger Vereinbarung“ landesweit zum Vorbild wurden. Er hat beste Kontakte in die Wirtschaft, die Vereinswelt und er hat sich im Laufe der Zeit durch die vielen Entwicklungen unter seiner Ägide einen Namen deutlich über die Grenzen von Gevelsberg hinaus gemacht.

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Bürgermeister Claus Jacobi nach seinem Wahlsieg im Jahr 2014. Seine Mitarbeiter schenkten ihm eine 88-Prozent-Torte zum Erdrutschsieg.
Bürgermeister Claus Jacobi nach seinem Wahlsieg im Jahr 2014. Seine Mitarbeiter schenkten ihm eine 88-Prozent-Torte zum Erdrutschsieg. © WP | Stadt Gevelsberg

Die Kritik, die allerdings vor allem während der nun endenden Wahlperiode an seinem Handeln immer lauter wird: Claus Jacobi entscheidet allein, gibt kritischen Stimmen wenig Raum, unliebsame Dinge werden nicht transparent gemacht. So gibt es beispielsweise seit Jahren keine dezidierten Zahlen zur finanziellen Belastung, die das Schwimm In für den Steuerzahler bedeutet. Eine Nachwuchskraft, die dazu in der Lage ist, wie er selbst im Alter von 28 Jahren den Vorsitz der Fraktion zu übernehmen, sucht der geneigte Beobachter in den Reihen der SPD vergeblich. Aus den Reihen der Genossen ist als Grund dafür hinter vorgehaltener Hand immer wieder zu vernehmen, dass Kritiker am Bürgermeister klein gehalten und Personalentscheidungen für Ämter und Posten auch vor diesem Hintergrund getroffen werden. Wie auch für seinen Gegenkandidaten Felix Keßler wird es neben den entscheidenden Projekten für die Stadt eine Aufgabe des neuen Bürgermeisters sein, Alternativen zu diskutieren und die Politik in der Stadt auf dem Weg in die Zukunft mitzunehmen – seien es die eigenen Reihen oder die der Opposition.

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Die Politik

Bedauernswerter Weise findet eine demokratische Politik in Gevelsberg kaum statt. Das hat einen Grund: Die Fraktionen zeigten sich während der vergangenen sechs Jahre blass und recht profillos. Die großen Themen wie der Innenstadt-Umbau 2030, wie der Bau der Feuerwache inklusive eines modernen Brandschutzes, der Kampf um die Polizeiwache, Zukunft des Schwimm In sind Chefsache. Die SPD stimmt den Vorlagen der Verwaltung um den Bürgermeister zu; geschlossen und ohne eigene Ergänzungen oder gar kritische Diskussionen. Die SPD-Fraktion stößt in öffentlicher Sitzung lediglich Dinge von deutlich untergeordneter Priorität und geringem Interesse in der Bürgerschaft an. Beispielsweise kümmert sie sich intensiv darum, ob und wie der Bodenbelag des Westparkplatzes schöner werden kann.

Die Wasserstraße, die aktuell eine mehrspurige Einbahnstraße ist, wird ein zentrales Element der künftigen Verkehrsführung in der Stadt Gevelsberg werden. Auch dies dient der zukunftsfähigen Entwicklung der Stadt Gevelsberg.
Die Wasserstraße, die aktuell eine mehrspurige Einbahnstraße ist, wird ein zentrales Element der künftigen Verkehrsführung in der Stadt Gevelsberg werden. Auch dies dient der zukunftsfähigen Entwicklung der Stadt Gevelsberg. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Ist dies aus der Unterstützerrolle für Claus Jacobi heraus noch nachvollziehbar, haben es aber leider auch die Oppositionsfraktionen im Laufe der vergangenen sechs Jahre versäumt, ihre wichtigste und originäre Aufgabe zu erledigen. Diese lautet: Den Gevelsbergern zu zeigen, dass sie eine ernstzunehmende Alternative mit starken eigenen Inhalten sind, wenn sie das Zepter im Rathaus tatsächlich einmal in den Händen halten wollen. Die Linken sind derart zerbröselt, dass ihr Bürgermeisterkandidat 2014, Thomas Schock, nun für die SPD antritt. Die CDU verwendet viel Kraft auf interne Grabenkämpfe, die Freien Wähler haben kurz vor der Wahl gänzlich die Segel im Rennen um Sitze im Stadtrat gestrichen, die FDP hat es allein nicht geschafft, alle Wahlkreise zu besetzen. Das Thema, das sie eint: Sie schimpfen gemeinsam auf Claus Jacobi, und es fallen Worte wie „Alleinherrscher“ oder „Sonnenkönig.“ Dass sie es besser machen oder rechtzeitig sinnvolle Alternativen parat haben – beispielsweise für den Schwimm In-Umbau oder für die Entwicklung der Gevelsberger Innenstadt – diesen Beweis haben sie während der abgelaufenen Wahlperiode nicht angetreten.

Zwei Männer kämpfen um das Rathaus

Wenn am 13. September die Wähler entscheiden, treten in Gevelsberg zwei Kandidaten im Kampf um das Bürgermeisteramt an.

Dies ist einerseits SPD-Bürgermeister Claus Jacobi, der gern mindestens eine weitere Wahlperiode in seinem Amt bleiben möchte.

Sein Widersacher heißt Felix Keßler. Er tritt unterstützt von der CDU, den Grünen, der FDP und den Freien Wählern unter dem Bündnisnamen „Gevelsberg Gemeinsam“ an.

Fazit

Es ist viel passiert in Gevelsberg. Es sind unzählige gute Dinge auf den Weg gebracht worden, aber die Zahl derer, die daran entscheidend mitgewirkt haben, sinkt. Die Stadt Gevelsberg befindet sich in einer Phase, in der Weichen gestellt werden, die die Zukunft auf Jahrzehnte prägen. Deshalb ist eine hohe Pluralität notwendig, deshalb sind kluge Köpfe gefordert, Alternativen zu erdenken, um daraus die beste Option für die Stadt zu wählen. Steht das Ergebnis fest, bevor die Politiker in Ausschüssen und Räten zusammenkommen, könnte man sich diese Veranstaltungen inklusive der Sitzungsgelder nämlich sparen.