Ennepetal. Die drei Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Ennepetal sprechen im Interview über ihre Vorstellungen und Ergebnisse aus unserem Heimat-Check.
Am 13. September findet die Kommunalwahl statt. Um das Bürgermeisteramt in Ennepetal bewerben sich neben Amtsinhaberin Imke Heymann als gemeinsamer Kandidatin von SPD und CDU die unabhängigen und parteilosen Conny Born-Maijer und Sotirios Kostas. Im gemeinsamen Gespräch, das im Innenhof des Hauses Ennepetal stattfand, haben wir alle drei zu ihren Vorstellungen befragt und sie nicht zuletzt mit Ergebnissen unseres großen Heimat-Checks konfrontiert.
Wir stehen hier im Haus Ennepetal. Der Rat hat den Abriss und den Neubau eines Veranstaltungszentrums beschlossen, den Abriss inzwischen aber schon um mindestens zwei Jahre auf 2024 verschoben. Wird am Ende Ihrer Amtszeit als Bürgermeister das Haus noch stehen?
Imke Heymann: Das kann ich alleine nicht sagen, das muss der Rat entscheiden. Wir haben die Kosten für Abriss und Neubau und für eine Sanierung geprüft. Ein Neubau kostet nach aktuellem Stand etwa 34 Millionen Euro, die Sanierung lag in etwa bei der gleichen Summe. Aufgrund von Corona müssen wir aber jede Investition prüfen. Außerdem ist zu klären, inwieweit es Fördermittel gibt.
Sotirios Kostas: Der Beschluss steht. Was mich stört, ist, dass jetzt für Kita und Mehrgenerationenhaus, die gegenüber in einen Neubau ziehen sollen, Mietzahlungen zustande kommen. Und der Außenbereich des Kindergartens ist doch jetzt super. Selbst wenn das Haus abgerissen werden sollte, könnte man den doch weiter nutzen.
Conny Born-Maijer: Natürlich ist ein Ratsbeschluss nötig. Ich finde aber, dass mein geliebter gelber Klotz unbedingt erhaltenswert ist. Ich war damals in der Politik, als es um die Kosten für Sanierung oder Neubau ging. Da lag die Sanierung nur bei der Hälfte. Und man weiß auch, wie Baukosten steigen können. Ich habe den grundsätzlichen Beschluss für einen Abriss nie verstanden.
Conny Born-Maijer
Conny Born-Maijer ist 55 Jahre alt und verheiratet. Mit ihrem Mann Michael hat sie zwei Söhne (15 und 27). Sie ist Hypnosetherapeutin und Heilpraktikerin der Psychotherapie mit eigener Praxis in Schwelm. Sie gehörte einige Jahre der SPD an, trat aber 2017 wieder aus. Zur Wahl tritt sie als parteilose, unabhängige Kandidatin an.
Die Kita und das MGH werden auf der anderen Straßenseite zur Miete in einen Neubau ziehen. Eine gute Entscheidung?
Kostas: Wie gesagt, gefällt mir nicht, dass dafür Miete gezahlt werden muss. Als Stadt sollte man darauf achten, eigene Gebäude zu haben. Wir zahlen für das Bürgerbüro und die Bücherei Miete, für die Räume in der alten Commerzbank gegenüber der Sparkasse auch. Das jetzige Ennepetal City Center hätten wir doch selber übernehmen und da noch mehr unterbringen können.
Born-Maijer: Ich denke auch, dass man schauen sollte, das mit eigenen Mitteln hinzubekommen. Außerdem geht es mir um das Thema Nachhaltigkeit. Mal sehen, ob der Neubau so lange steht wie das Haus Ennepetal.
Heymann: Es ist sinnvoll, die Kita in dem Bereich zu bauen. Im Haus Ennepetal hätten wir die benötigte Größe gar nicht hinbekommen. Ich bin froh, dass wir einen Ennepetaler Investor gefunden haben, der auch mit heimischen Unternehmen baut. Wenn die Stadt baut, dauert es länger. So haben wir nächstes Jahr im August eine neue Kita, die wir dringend brauchen, zu einem günstigen Mietzins. Ein Satz zum Vorschlag, das Ennepetal City Center zu kaufen: Wir hätten uns das nicht leisten können und sollten uns gut überlegen, ob wir als Stadt ins Immobiliengewerbe einsteigen sollten.
Sotirios Kostas
Sotirios Kostas ist 46 Jahre alt, verheiratet und Vater eines Sohnes (17). Der griechische Staatsbürger, der in Wuppertal geboren wurde und seit 21 Jahren in Ennepetal zu Hause ist, betreibt mit seiner Frau Evgenia den Thomas-Grill in Altenvoerde. Zur Wahl tritt „Soto“ als parteiloser und unabhängiger Kandidat an.
In unserem großen Heimat-Check erhalten Einkaufsmöglichkeiten (3,40) und gastronomisches Angebot (3,65) in Ennepetal besonders schlechte Noten. Wie kann die Situation verbessert werden?
Born-Maijer: Ich habe mir mal die Zahlen der Gastronomie angeschaut, laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der Betriebe in Deutschland seit 2005 um 50 Prozent gestiegen. Warum versuchen wir es hier nicht einmal mit interessanten Projekten im Bereich Erlebnisgastronomie. Man könnte zum Beispiel das Haus Ennepetal aufstocken und da etwas besonderes ansiedeln. Zu den Einkaufsmöglichkeiten: Große Namen werden wir hier nicht hinbekommen. Da fahren die Leute in die Shoppingmeilen in der Umgebung. Der Onlinehandel nimmt auch zu. Wir müssen unsere Stärken woanders suchen.
Heymann: Ennepetal war nie Einkaufsstadt, sondern immer Industriestandort. Gevelsberg hatte Horten, Schwelm den Kaufhof. Jetzt hat ein Investor die ehemalige Marktpassage saniert, wir haben mit Action einen Ankermieter und Frequenzbringer gefunden, dm, Askania und Ernstings Family bleiben, es soll ein Obst- und Gemüsegeschäft kommen, die VER kommt zum Marktplatz. Der Markt wird zum zentralen Standort für den Handel. Ein kleines Spielwarengeschäft, Fleisch und Wurst könnten kommen, auch ein kleiner Schuhladen. Und ich habe mit Landwirten Gespräche geführt, die sich einen Laden mit regionalen Produkten vorstellen könnten. Hinsichtlich der Gastronomie rufe ich die Bürger auf: Geht essen, probiert die Angebote aus. Um die Gastronomen zu entlasten, haben wir übrigens beschlossen, dass Außengastronomie weitere fünf Jahre gebührenfrei ist.
Kostas: Meine Frau betreibt die Gastronomie seit 33 Jahren. Es gab immer mal schwierige Zeiten, Corona ist die schlimmste Krise. Alle haben Angst um ihre Arbeitsplätze, viele kleine Geschäfte werde die Krise nicht überstehen. Aber ich finde, dass sich die Gastronomiebetriebe hier nicht als Teil eines Ganzen sehen. Das ist zum Beispiel auf der Mittelstraße in Gevelsberg anders, da arbeitet man zusammen. Wenn man an einer Stelle viel Gastronomie hat, kommen die Leute auch dahin. Die Aktion jetzt im Zönchen in Voerde habe ich mir angesehen. Ich hätte mir gewünscht, dass die komplette Lindenstraße für eine lange Tafel gesperrt wird und die Anwohner teilnehmen. Zum Thema Einkaufen meine ich, dass wir zu viele Discounter haben. Aber es ist richtig, Ennepetal war nie eine Einkaufsstadt. Es sollte Spezialgeschäfte geben, die vor allem regionale Produkte einbeziehen. Außerdem halte ich die Öffnungszeiten vieler Geschäfte für veraltet.
Imke Heymann
Imke Heymann ist 47 Jahre alt und verheiratet (ihr Mann Daniel ist Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion). 2015 wurde sie zur Bürgermeisterin gewählt. Nun tritt sie als gemeinsame Kandidatin von CDU und SPD erneut an, zudem wird sie von den Grünen unterstützt. Sie ist parteilos, nachdem sie im Frühjahr aus der CDU austrat.
Ebenfalls kritisch sehen die Heimat-Check-Teilnehmer das Thema Sauberkeit (3,32). Zugemüllte Containerstandorte, das Abladen von Abfällen zur Sperrmüllabfuhr und Entsorgung in der Natur sorgen immer wieder für Ärger. Wie kann man dem Herr werden?
Kostas: Es muss mehr patrouilliert werden, vor allem zur Zeit der Sperrmüllabfuhr. Auch die Bänke, um die sich ja die Wander-AG so gut kümmert, werden zerstört, Mülleimer werden herausgerissen. Kleider liegen an den Containern herum. Wir haben die Stadtwache abgebaut, ich finde gut, dass man die wieder aufbauen will und den Fehler zugibt. Man sollte unregelmäßige Kontrollen durchführen, um die „Schmutzfinke“ zu erwischen. Und wir brauchen mehr Mülleimer in regelmäßigen Abständen.
Born-Maijer: Grundsätzlich stellt sich das Problem, wie man die Leute dazu erziehen kann, Müll ordentlich zu entsorgen. Meiner Meinung nach sollten mehr Container und mehr Mülleimer aufgestellt werden, aber auch das Bewusstsein für das Thema Sauberkeit gestärkt werden. Ein Dreck-weg-Tag, bei dem sich noch mehr beteiligen, wäre gut.
Heymann: Wir dürfen nicht vergessen, dass die Stadt in der Haushaltssicherung ist und ein Personalwirtschaftskonzept hat. Jede freiwillige Leistung muss von der Aufsichtsbehörde abgesegnet werden. Das Ergebnis eines Stellenabbaus stellt man irgendwann einfach fest. Wir haben aber einen Mülldetektiv eingestellt, der nachforscht, wer für den Müll verantwortlich ist und härter kontrolliert. Und unsere Sperrmüllregelung ist gut, aber wir sollten uns die Varianten in den Nachbarstädten noch einmal anschauen, um den Mülltourismus einzudämmen. Übrigens haben wir mit dem Frühjahrsputz eine Aufräumaktion, an der sich sehr viele Vereine, Kindergärten und Schulen beteiligen.
Auch hinsichtlich des Gemeinschaftsgefühls schneidet Ennepetal im Vergleich zu Gevelsberg und Schwelm deutlich schlechter ab. Das deckt sich mit dem Empfinden, dass sich viele rund um ihren Kirchturm engagieren, aber wenig für die städtische Gemeinschaft interessieren. Lässt sich das überhaupt ändern?
Born-Maijer: Am Samstag auf dem Markt wurde ich schon mit dem Vorwurf konfrontiert, ich würde ja nur für Rüggeberg kandidieren. Wer mich kennt, weiß, dass ich mich für die ganze Stadt engagiere. Ich habe schon kurz nach Eröffnung des Hauses Ennepetal gegen die Schließung des Jugendzentrums gekämpft. Ich frage mich, was passiert ist, dass wir das Gefühl für Ennepetal verloren haben. Ich kann mich an Zeiten erinnern, als es das noch gab. Wir müssen einen Ansatz suchen, um das wieder zu bekommen. In Schwelm gibt es den Feierabendmarkt, der ist toll. So etwas sollte es hier auch regelmäßig geben, wo sich die Menschen treffen können.
Kostas: Wir sollten die großen Veranstaltungen aufleben lassen, natürlich nicht in der Corona-Zeit. Als ich vor 21 Jahren hierhin gezogen bin, waren die Feste in Ennepetal groß. Jetzt nicht mehr, auch die Voerder Kirmes wird immer weniger, das Pfingstturnier ist weg. Wir sollten schauen, ob wir das nicht wiederbeleben können. Die Nachbarschaften in der Stadt sind top, die Vereine tragen viel zur Gemeinschaft bei.
Heymann: Wir müssen den Start Ennepetals betrachten. Milspe und Voerde und die zugehörigen Teile wurden 1949 zur Stadt zusammengelegt. Es war klar, dass man erst zusammenwachsen muss. Aber in den Nachbarschaften engagieren sich viele Menschen, die sich für ihre Ortsteile interessieren. Dieses ganze Leben hat Corona leider lahmgelegt. Wir müssen jetzt schauen, dass zum Beispiel die Kirchcafés wieder öffnen können, dass wir Vereine stärken und die Gemeinschaft unterstützen. In Bezug auf Ennepetal sehe ich aber auch Erfreuliches: Die Stadtfete wurde zuletzt sehr gut angenommen, der Festzug zur Voerder Kirmes ist länger geworden – die ganze Stadt hat mitgemacht.
Auch Verwaltung und Kommunalpolitik wurden mit 3,36 unterdurchschnittlich benotet. Woran könnte das liegen und wie wollen Sie die Note verbessern?
Heymann: Es ist wichtig, die Bürger dazu zu bekommen, sich zu beteiligen, sie müssen gehört werden. Dafür gibt es die Einwohnerfragestunde in Ausschüssen und Rat, Bürgerdialoge und meine Bürgersprechstunden. Man kann nicht zu jedem Thema eine Bürgerbeteiligung durchführen – da würde die Frage aufkommen, wofür man uns eigentlich gewählt hat. Auch die Parteien müssen überlegen, wie sie mehr Menschen aktiv einbinden können.
Born-Maijer: Ich war ja schon ein paar Jahre in der Kommunalpolitik aktiv. Wir haben gewählte Stadträte, warum sind die in ihren Bezirken nicht an gewissen Tagen zugegen. Sie müssten mehr rausgehen, präsenter sein. Einige sind schon sehr aktiv, andere aber nicht. Es ist mehr Kommunikation und Transparenz gefragt. Warum kann man Ausschuss- und Ratssitzung nicht über Streaming verfolgen? Die meisten besuchen die Ausschüsse nicht, höchstens bei brisanten Themen. Außerdem müssen Neugierde und Interesse geweckt werden.
Kostas: Viele Bürger haben das Gefühl, dass ihre Anliegen oder Probleme nicht ernst genommen oder ignoriert werden. Viele empfinden auch das Rathaus als Amt, nicht als Partner. Und die Bürger denken, dass die Politiker Politik nur für sich selbst machen. Im Wahlkampf ist die Präsenz sehr hoch, danach verschwinden viele Politiker fünf Jahre lang in der Versenkung. Bei mancher Veranstaltung einer Partei vor Ort zu einem lange bekannten Thema frage ich mich: Wo war der oder die denn die fünf Jahre davor? Grundsätzlich finde ich Bürgernähe und Transparenz wichtig.
Wenn Sie ins Rathaus einziehen bzw. dort bleiben, was sehen Sie als Ihre vordringlichste Aufgabe?
Born-Maijer: Es gibt so viele Baustellen. Senioren müssen wir mehr unterstützen, den ÖPNV in den Ortsteilen verbessern, die Angstbereiche angehen. Präsenz und Bürgernähe würde ich zelebrieren und das Thema Haus Ennepetal klären wollen. Aber an erster Stelle steht, aus der Krise heraus zu gucken, wie wir den Haushalt entlasten können, wie die Rettungsschirme genutzt werden können.
Kostas: Die Finanzen sind am Wichtigsten. Bund und Land haben den Kommunen immer mehr Aufgaben übertragen, wollen aber nicht genug Geld dafür geben. Ich würde auch so schnell wie möglich für Transparenz sorgen, indem die Ratssitzungen live übertragen werden. Viele Städte haben das schon. Ich wollte oft dabei sein, konnte zu den Zeiten aber nicht aus dem Laden raus. Außerdem geht es jetzt darum, pragmatische Lösungen für viele Themen zu finden.
Heymann: Wir haben mit 39 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer geplant, im Moment können wir nur mit 24 bis 26 Millionen Euro rechnen. Das bedeutet, dass alle Ausgaben erst einmal auf den Prüfstand müssen. Die Verwaltung muss die Zahlen zusammenstellen, die von den Fraktionen unter Beteiligung der Bürger beraten werden. Ohne diese Entscheidungen machen wir nichts. Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass wir einen genehmigungsfähigen Haushalt für 2021 auf die Beine stellen. Zur Videoübertragung der Sitzungen: Man braucht ein Kamerateam, das den Redner jeweils ins Bild nimmt. Politik im Rat ist ein Ehrenamt, letztlich müssen die Ratsmitglieder zustimmen, dass sie gefilmt werden. Nicht jeder fühlt sich vor der Kamera sicher und traut sich dann etwas zu sagen. Das kann ein Bürgermeister nicht einfach bestimmen.
Was machen Sie, wenn Sie nicht gewählt werden? Wollen Sie weiter politisch aktiv bleiben?
Kostas: Ich mache das, was ich jetzt auch mache: Arbeiten, ich werde nicht herumsitzen. Was die Politik angeht, habe ich eine Überlegung. Mehr sage ich dazu noch nicht.
Heymann: Ich habe schon viele Veränderungen erlebt. Wenn die Bürger sagen: „Das ist die letzten fünf Jahre nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben“, werde ich schauen, was sich für neue Aufgaben ergeben. Ich würde mich natürlich weiter in der Stadt engagieren, in Vereinen, in Themen. Nichtsdestotrotz wäre ich sehr traurig, wenn ich nicht wiedergewählt würde.
Born-Maijer: Ich habe eine gut gehende Praxis, ich durfte während der Corona-Einschränkungen weiterarbeiten, weil meine Arbeit als systemrelevant gilt. Ich würde das weitermachen, ich habe auch schon eine Weiterbildung im Kopf, die ich absolvieren könnte. Insofern habe ich nichts zu verlieren. In der Politik würde ich themenbezogen weiterhin mitarbeiten wollen.
Das Interview mit zusätzlichen Fragen zum Kita-Neubau an der Neustraße und zum Gemeinschaftsgefühl unter www.wp.de/ennepetal