Engelskirchen/Ennepetal. Höhlenforscher aus Ennepetal haben spektakuläre Riesenkristalle entdeckt. Sie sind in Europa einmalig.

Es ist ein sensationeller Fund: Die Höhlenforscher des Arbeitskreises Kluterthöhle (AKKH) entdeckten im „Windloch“ in Engelskirchen spektakuläre Riesenkristalle wie es sie in Europa kein zweites Mal gibt. Dass das enorme Höhlensystem in der Kleinstadt im Bergischen Land so gründlich erkundet wird, hat mit dem Forscherdrang der AKKH-Mitglieder zu tun – und mit dem „Ennepetaler Modell“.

Sensation entdeckt

„Ich wüsste nicht, dass ich schon mal so etwas Geiles gesehen habe. Das ist eine absolute Jahrhundertentdeckung für Deutschland.“ Stefan Voigts Begeisterung ist auch zwei Monate nach seiner Sternstunde im Mühlenberg, durch den sich das „Windloch“ zieht, unverkennbar.

Bei der ersten „Befahrung“, wie Bergleute ihre Touren nennen, nach Winter- und Coronapause in diesem Jahr waren der Vorsitzende des AKKH und seine Mitstreiter Mitte Mai auf die riesigen Aragonitgeflechte gestoßen. „In der Heilenbecker Höhle gibt es auch welche. Die sind etwa zehn Zentimeter groß, darauf war ich schon stolz“, meint Voigt. Und im Erzberg in der Steiermark, wo es im europäischen Maßstab bedeutende Vorkommen gibt, erreichen solche „Eisenblüten“ bis zu 60 Zentimeter. Die Aragonitkristalle in Engelskirchen messen bis zu 1,20 Meter.

Schon lange ist Stefan Voigt am Mühlenberg aktiv. „Ich grabe da seit 1988 herum“, erzählt er. Mehrere Höhlen entdeckte er, mit einer Ganglänge von bis 60 Metern. „Das ist für die Region schon recht viel“, betont er. Vor etwa 15 Jahren, im Winter, fiel ihm eine Spalte auf, aus der Dampf kam. Schon da habe er Engelskirchens Bürgermeister Gero Karthaus gesagt: „Wir müssen da was machen“. Doch mit einfachem Gerät ließ sich die Spalte nicht erweitern, außerdem kümmerte sich Stefan Voigt um viele andere Baustellen – insbesondere um die Renaturierung der Kluterthöhle, bei der ein gleichermaßen sensationelles Korallenriff zum Vorschein kam. Diese Arbeit mündete letztlich darin, dass die Kluterthöhle im vergangenen Jahr in den Rang eines „Nationalen Naturmonuments“ erhoben wurde (wir berichteten).

Doch das „Windloch“ in Engelskirchen ließ Stefan Voigt keine Ruhe. Im Herbst 2018 lud der Bürgermeister den rastlosen Höhlenforscher ein, um ihm zum Erhalt des Bundesverdienstkreuzes zu gratulieren, und fragte, was er ihm denn Gutes tun könne. „Ich muss mal mit schwerem Gerät an Deinen Bürgersteig“, lautete die Antwort Voigts. Gesagt – getan. Als das Loch aufgebrochen war, guckten die Aktiven des AKKH ins Schwarze.

Seit März 2019 sind Stefan Voigt und seine Mitstreiter fast jeden Samstag (außer in der Winterpause zum Schutz der Fledermäuse) in mehrköpfigen Teams in der Engelskirchener Höhle unterwegs. Innerhalb dieses kurzen Zeitraums stießen sie hinter dem kleinen Loch am Bordsteinrand einer Straße – dem Windloch – auf ein Höhlensystem ungeahnten Ausmaßes.

Ganglänge von 7,45 Kilometern

„Wir sind mittlerweile bei einer Ganglänge von 7524 Metern“, so Voigt. Damit hat das „Windloch“ inzwischen nicht nur die Kluterthöhle mit ca. 5,8 Kilometern, sondern auch die bis dato größte Höhle in NRW, die Attahöhle (ca. 6,7 Kilometer), spielend abgehängt. Bundesweit liegt das System im Mühlenberg inzwischen in den Top Ten. Größte deutsche Höhle ist das „Riesending“ in den Berchtesgadener Alpen mit 22,4 Kilometern.

Um das „Windloch“, das längst bundesweit für Schlagzeilen sorgte, erkunden zu können, traf der AKKH eine flächendeckende Vereinbarung mit der Stadt Engelskirchen. Und hier kommt das „Ennepetaler Modell“ ins Spiel. Schon vor Jahrzehnten entwickelte der Verein eine bestimmte Arbeitsweise, um die oft geologisch und auch erdgeschichtlich bedeutenden Höhlen zu sichern. Mit der jeweiligen Gemeinde – oder auch mit Privatpersonen, Firmen oder gar dem Land NRW – wird ein Vertrag über einzelne Höhlen oder ein Gesamtgebiet abgeschlossen, in dem die Aufgaben der Höhlenforschung und des Höhlenschutzes an den AKKH übertragen werden. Der AKKH darf die jeweilige Höhle verschließen und hat sozusagen die Schlüsselgewalt. Dadurch wird sichergestellt, dass die jeweilige Höhle gegen Zerstörung und Verschmutzung gesichert wird, Flora, Fauna und geologische Phänomene geschützt werden und eine fachkundige Erforschung ermöglicht.

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Hagen war Ende der 80er Jahre die erste Kommune, die einen solchen Vertrag abschloss. Dutzende Verträge sind inzwischen hinzugekommen. Mehr als 100 Höhlen betreut der AKKH. Mit Abstand die spektakulärsten darunter sind natürlich die etwa 385 Millionen Jahre alte Kluterthöhle und das sogar noch ungefähr 5 Millionen Jahre ältere Windloch.