Hagen. Katja Heck ist die neue Chefin der Agentur für Arbeit in Hagen. Sie spricht im Interview der Woche über ihre Ziele und Schwerpunkte.

Katja Heck ist seit dem 1. Juni neue Leiterin der Agentur für Arbeit in Hagen. Die 53-Jährige ist Ennepetalerin und in Rüggeberg zuhause. Im Gespräch spricht sie über ihre Rückkehr an die alte Wirkungsstätte, ihre Ziele und Schwerpunkte sowie über die Herausforderungen durch die Corona-Krise.

Sie sind nach drei Jahren in Solingen/Wuppertal zur Agentur für Arbeit nach Hagen zurückgekehrt. Ist das für Sie wie nach Hause zu kommen?

Katja Heck: Genau so ist es. Als ich 1993 bei der Agentur für Arbeit angefangen habe, hatte ich mehrere Stationen, Hagen war eine davon. Insgesamt bin ich in meiner Laufbahn mehrmals hier tätig gewesen.

Hat sich in der Zeit viel verändert?

Wenn ich hier in Hagen aus dem Fenster schaue, gucke ich in Richtung Bahnhof. Da ist die neue Umgehungsstraße zu sehen. Ich habe von vielen gehört, dass das eine gute Sache ist. Aber um auf die Agentur zu kommen: Ich habe mein Büro bezogen, mein großes Bild, das noch aus dem Theaterkurs des Reichenbach-Gymnasiums stammt, aufgehängt, bin durchs Haus gegangen und habe geschaut, wer noch im Team dabei ist. Der Großteil der Kollegen ist noch da, viel Fluktuation gibt es hier nicht. Insofern wird mir die Einarbeitung leicht fallen.

Steckbrief Katja Heck

Katja Heck ist 53 Jahre alt und in Schwelm geboren.

Sie ist Mutter eines 23-jährigen Sohnes und wohnt mit ihrem Partner in Rüggeberg, wo sie aufwuchs und die Grundschule besuchte. Dem Höhendorf ist sie – abgesehen von einem zweijährigen Intermezzo in Wuppertal – immer treu geblieben.

Nach dem Abitur am Reichenbach-Gymnasium studierte Katja Heck Wirtschaftswissenschaften in Wuppertal.

Nach dem Abschluss begann sie ihre Berufslaufbahn bei der Bundesagentur für Arbeit. Sie war an verschiedenen Standorten tätig, mehrmals in Hagen. Zuletzt war sie drei Jahre lang stellv. Leiterin der Agentur Solingen-Wuppertal. Am 1. Juni hat sie die Leitung der Agentur für Arbeit Hagen, die für den EN-Kreis mit zuständig ist, übernommen.

Wie fühlt es sich an, nun die Chefin zu sein?

Bis ich vor drei Jahren nach Solingen/Wuppertal gewechselt bin, war ich in Hagen ja schon Bereichsleiterin für den Übergang Schule-Beruf, Rehabilitation und das Kundenzentrum. Von daher finde ich das nicht schwierig. Für mich ist ein partnerschaftlicher Umgang wichtig. Die Kollegen sind die Fachleute in ihren Bereichen, ich bin diejenige, die den Rahmen aufstellt.

Mit welchen Zielen kommen Sie in die Region zurück?

Wir waren als Agentur für Arbeit noch vor Corona dabei, uns neu aufzustellen – weg vom Image der Behörde. Wir haben immer noch einen ordnungspolitischen Auftrag, aber wir wollen einen weniger schematischen und mehr individuellen Umgang mit unseren Kunden etablieren. Das ist eine neue Philosophie und Strategie. Wir müssen dafür unsere Strukturen und Prozesse analysieren und dann aus dem Blickwinkel des Kunden heraus unsere Arbeit organisieren.

Wo wollen Sie besondere Schwerpunkte setzen?

Für mich war immer ein besonderer Schwerpunkt der Übergang Schule-Beruf. Mir ist es außerdem wichtig, das Thema Qualifizierung nach vorne zu bringen, vor allem im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung. Und in der Corona-Krise müssen wir dafür sorgen, dass die Menschen ihr Geld bekommen: das Kurzarbeitergeld, aber auch Arbeitslosengeld.

Die Corona-Krise hat sich spürbar auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Gegenüber dem Mai 2019 ist die Zahl der Arbeitslosen um fast ein Viertel gestiegen. Mit welchen Maßnahmen reagieren Sie darauf?

Zunächst mal gibt es das Instrument des Kurzarbeitergeldes. Das ist keine Liquiditätshilfe für Unternehmen, sondern soll Menschen in Beschäftigung halten. Dafür hat die Politik ja auch den Rahmen erweitert. Außerdem wird das Arbeitslosengeld länger gezahlt. Das sind wichtige Maßnahmen, um den Lebensunterhalt der Betroffenen sicherzustellen. Und grundsätzlich geht es nun um die Frage, wie wir die Konjunktur wieder ans Laufen bekommen, die Leute dazu bringen, Geld auszugeben. Dafür hat die Bundesregierung ein großes Paket geschnürt. Man darf nicht vergessen, dass wir schon vor Corona eine wirtschaftliche Schwäche hatten, nicht zuletzt aufgrund der von US-Präsident Trump verhängten Einfuhrzölle. Die haben Auswirkungen auf unsere gewerblich geprägte Region mit Unternehmen der Metall-/Elektro- und Automotive-Branche.

Haben Sie ausreichend Kapazitäten und Werkzeuge, um auf den sprunghaften Anstieg der Arbeitslosenzahl reagieren zu können?

Wir haben nie genug Mitarbeiter. Wir können in der Beratung umso individueller werden, je mehr Personal wir haben. Aber das Interessante an der Corona-Krise ist, dass sie zeigt, wie flexibel die Menschen sein können. Sie tragen Schutzmasken, arbeiten im Homeoffice und besprechen sich via Skype. Das gilt auch für uns in der Agentur für Arbeit. Mitarbeiter haben sich von jetzt auf gleich für die Bearbeitung des Kurzarbeitergeldes qualifiziert. Und Arbeitsvermittler haben sich mit ans Telefon geklemmt und unsere kurzfristig eingerichteten Sondertelefonnummern bedient. Die Berater haben die Kunden angerufen. Das kann nicht dauerhaft das persönliche Gespräch ersetzen, schließlich kann man via Telefon die Reaktion des Gegenübers nicht erkennen und daher auch nicht so gut deuten, ob jemand etwas verstanden hat. Da müssen wir unsere Gesprächsstruktur anpassen, um uns vergewissern zu können, ob etwas beim Gesprächspartner richtig angekommen ist. Insgesamt war es aber schön zu sehen, wie bei uns gemeinsam gearbeitet wird. Aber jetzt sind wir in der Situation, dass alle langsam in ihr originäres Geschäft zurückkehren können.

Entweder – oder?

Stadt oder Land?
Land. Ich lebe in Rüggeberg. Nicht nur zu Corona-Zeiten kann ich da immer nach draußen gehen, in den Wald und über die Wiesen und die wunderbare Luft genießen.


Sommer oder Winter?
Sommer. Da kann ich draußen sitzen, Kaffee trinken, oder ab und zu vielleicht auch mal einen Cocktail.

Büro oder Homeoffice?
Büro, weil ich es liebe, mich mit Menschen von Angesicht zu Angesicht zu unterhalten.

Bei den Jüngeren bis 25 Jahre ist die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich stark gestiegen. Woran liegt das?

In einer Krise entlassen anfangs viele Personaldienstleister ihr Personal. Zeitarbeit ist da ein Indikator für die konjunkturelle Entwicklung. Bei den arbeitslosen Jugendlichen handelt es sich oftmals um Geringqualifizierte, darunter sind viele ohne Schulabschluss oder Berufsausbildung. Und die Jungen sind zuletzt in Unternehmen hineingekommen und werden daher in vielen Fällen zuerst gekündigt.

Wagen Sie eine Prognose, wie sich der Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten entwickeln wird? Die Jahre mit Zahlen, die fast Vollbeschäftigung gleichkamen, kommen so schnell nicht wieder, oder?

Ich befürchte, dass die Entwicklung nicht sehr positiv sein wird. Ich hoffe darauf, dass das Konjunkturpaket und die transnationalen Entwicklungen für die richtigen Impulse sorgen und die Rahmenbedingungen verbessern. Ich gehe aber davon aus, dass sich unser Leben durch die Corona-Krise deutlich verändern wird. Das meine ich nicht nur in negativer Hinsicht mit dem Tragen von Masken, den Abstandsregeln oder anderen Einschränkungen, sondern auch – ganz ohne Wertung – durch veränderte Arbeitsweisen. Dabei spielt die Digitalisierung natürlich eine wesentliche Rolle.

Ein Schwerpunkt ist für Sie der Übergang Schule-Beruf. Wie können Sie Jugendliche in einem schwierigen Umfeld unterstützen? Was raten Sie Ihnen?

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Ich kann jedem nur empfehlen: Fang eine Ausbildung an. Wir haben zurzeit 1500 Ausbildungsstellen nicht besetzt. Das muss man übrigens auch anerkennen, dass die Wirtschaft auch in dieser schwierigen Zeit so viele Ausbildungsplätze bereit stellt. Wir müssen dieses Schwarze-Peter-Spiel vermeiden, dass Jugendliche sagen, dass sie gerne eine Ausbildung machen würden, aber keine Stellen da sind und Unternehmen meinen, dass es ja keine qualifizierten Bewerber gibt. Dann ist unser Job gefragt: Jugendlichen zu helfen, ihre Kompetenzen zu erkennen und herauszufinden, was sie gerne machen. Außerdem müssen wir schauen, wie wir Ausbildung noch stärker fördern können.

Derzeit ist es schwieriger, Jugendliche zu erreichen?

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Ja, wir müssen unbedingt vermeiden, dass ein Jahrgang durch Corona auf der Strecke bleibt. Zu den Schulen sind die Kontakte noch gut. Unsere Berater haben zum Teil auf der Parkbank vor der Schule beraten, weil sie nicht ins Gebäude kamen. Aber diejenigen, die nicht mehr in der Schule sind, erreichen wir momentan nur, wenn sie sich bei uns melden.

Die Ausbildungsmesse in Ennepetal, die immer Ende September tausenden Schülern umfassende Informationsmöglichkeiten bot und Unternehmen mit potenziellen Bewerbern zusammenbrachte, kann in diesem Jahr coronabedingt nicht wie gewohnt stattfinden. Haben Sie schon Konzepte, wie sie die Berufswahlorientierung auf neue Beine stellen?

Ich halte es nach wie vor für sinnvoll, die Ausbildungsmesse zu unterstützen. Es sind viele altbewährte Partner dabei, wir werden uns Alternativlösungen überlegen, wie man eventuell über virtuelle Plattformen Angebot und Nachfrage zusammenbringen kann. Schüler haben jetzt viel mehr Erfahrungen mit Homeschooling gesammelt und dadurch weniger Berührungsängste. Man könnte auch Azubis mit interessierten Schülern chatten lassen. Und wir bieten zum Beispiel ein Selbsterkennungstool an, das mit wissenschaftlicher Expertise entwickelt wurde. Dafür muss man schon vier Stunden investieren. Als Ergebnis kommt eine Liste mit Vorschlägen heraus, die als Grundlage für ein persönliches Gespräch mit einem Berufsberater dient. Aber all das wird nicht ohne Unterstützung und Vorbereitung gehen. Gespräche virtuell zu führen ist etwas anderes als unmittelbar bei einer Messe, wo man die Anonymität leichter überwindet. Da müssen wir unterstützen. Und die Jugendlichen müssen mit der notwendigen Hardware ausgestattet sein oder Schulen über eine ausreichende Infrastruktur verfügen. Die Hardware wie Tablets gibt es nicht in allen Familien. Wir diskutieren gerade darüber, wie wir technisch, finanziell und organisatorisch helfen können.

Wenn Sie jetzt noch einmal kurz vor dem Abitur stehen würden: Welchen Berufsweg würden Sie einschlagen?

Wenn ich im Moment die Situation meines Sohnes sehe, der in seinem Studium Online-Vorlesungen hat, muss ich sagen: Das könnte ich nicht. Ich würde eine duale Ausbildung machen wollen, das ist in jedem Fall gut. Und ich würde einen handwerklichen Beruf wählen. Handwerker sind sehr gefragt, und die Betriebe suchen händeringend Nachwuchs.