Ennepetal. Vor allem in Ennepetal geben die Menschen dem ÖPNV schlechte Noten. Enorme Kosten sind das größte Problem. Doch es soll sich etwas tun.

Der Öffentliche Personennahverkehr im Ennepe-Ruhr-Kreis ist so etwas wie die Hydra aus der griechischen Mythologie. Schlug man dieser Schlange einen Kopf ab, wuchsen umgehend zwei nach. Ähnlich ergeht es an manchen Tagen Peter Bökenkötter, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER), wenn er seine anspruchsvolle Arbeit im Hauptquartier am Wuppermannshof in Ennepetal verrichtet. Hat er ein Problem gelöst, ploppen umgehend zwei neue auf. Meistens haben diese mit Geld zu tun, denn der ÖPNV kostet den Steuerzahler Jahr für Jahr zwischen 10 und 15 Millionen Euro.

Dazu kommt, dass Bus und Bahn für die Menschen sehr bedeutsame Themen sind, die sie ausgesprochen kontrovers diskutieren. Dies zeigt sich auch in unserem Heimat-Check.

Darum geht’s beim Heimat-Check

Die Umfrage zu unserem Heimat-Check haben wir geplant, als von der Corona-Krise und ihren dramatischen Auswirkungen auf unseren Alltag noch nichts zu spüren war. Und doch haben wir uns ganz bewusst dazu entschlossen, Ihnen weiterhin beim Heimat-Check die Möglichkeit zu geben, ihr Wohnumfeld zu benoten. Denn es gibt einen Alltag und ein gesellschaftliches Leben vor dieser Krise, und dasselbe gilt für die Zeit, in der wir alle diese Zeit überwunden haben werden.

In unserer vertiefenden Serie schauen wir uns diese Ergebnisse an und kommen mit Akteuren vor Ort ins Gespräch. Was läuft gut und was ließe sich verbessern?

Alle Ergebnisse des Heimatchecks und Folgen der Serie gibt es im Internet auf
www.wp.de/heimatcheck-en

Blick in die Busse

Die Bedürfnisse sind ausgesprochen individuell und so schmerzt es einen jeden, wenn die Taktung aus seinem nur mäßig dicht besiedelten Wohngebiet verringert oder der Bus ganz gestrichen wird. Deutlich wird für jeden, der mit offenen Augen über die Straße geht, hingegen: In manchen Bussen sitzt bis auf den Fahrer niemand. „Leerfahrten kosten richtig viel Geld. Diese müssen wir verringern, um unser Angebot zielgerichtet zu optimieren“, betont Peter Bökenkötter seit Jahren. Wohingegen die einen fordern, den ÖPNV in den ländlichen Regionen, in denen er kaum genutzt wird, noch weiter zu streichen, fordern andere, ihn auszubauen und generell für alle kostenfrei zu betreiben.

Blick in die Schulen

Die Schülerverkehre waren vor der Corona-Krise aus Sicht von Bökenkötter ein entscheidender Schlüssel, um Kosten zu reduzieren. Das Ziel: Nach und nach sollten die Anfangszeiten der weiterführenden Schulen so angepasst werden, dass Busse und damit Fahrpersonal eingespart werden können. Am Berufskolleg in Ennepetal hatte dies bereits erfolgreich gegriffen, Gespräche unter anderem mit den Gevelsberger Schulen am Schulzentrum West liefen bereits. Diese Veränderungen sollen mit der Wiederaufnahme des Schulunterrichts fortgeführt werden.

Blick aufs Konto

Das Damoklesschwert – um noch einmal die griechische Mythologie zu bemühen –, das über der VER schwebt, heißt seit vielen Jahren „EU-konforme Finanzierung“. Diese legt eine Grenze fest, wie hoch der ÖPNV mit öffentlichen Geldern bezuschusst werden darf. Wird diese Grenze zu oft überschritten, darf der Ennepe-Ruhr-Kreis den ÖPNV nicht mehr an die VER vergeben, sondern muss die Leistung EU-weit ausschreiben. Die Verluste durch Corona sind riesig. Bökenkötter hofft darauf, dass diese negativen Sondereffekte bei der EU-Grenze ausgeklammert werden.

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Blick über den Zaun

Einigkeit herrscht, dass die Verbindungen in die umliegenden Städte verbesserungswürdig sind. Insbesondere monieren Studenten seit vielen Jahren die extrem lange Anreise aus Ennepetal, Schwelm und Gevelsberg ins benachbarte Bochum zur Ruhr-Universität. Von Ennepetal aus stehen sie mit dem Auto in 25 Minuten auf dem Parkplatz, mit den Bussen benötigen sie knapp zwei Stunden. Das sind schlechte Argumente für einen Umstieg auf den umweltschonenderen Öffentlichen Personennahverkehr.

Um so erfreulicher ist diese ganz frische Nachricht: Die Landräte und Oberbürgermeister des Ruhrgebiets haben zusammen mit den Nahverkehrsunternehmen und dem Regionalverband Ruhr einen 11-Punkte-Plan erarbeitet. Das Konzept heißt „1 Metropole - 11 Punkte - 12 Unternehmen“. Landrat Olaf Schade: „Erstmals ziehen alle Kommunen, Kreise und Verkehrsunternehmen des Ruhrgebiets an einem Strang und gehen die wichtigen Nahverkehrsthemen tatsächlich gemeinsam an.“ Gerade für die Menschen, für die Pendler im Ennepe-Ruhr-Kreis sei es wichtig, sich möglichst unkompliziert kreuz und quer durch die Metropole Ruhr bewegen zu können. „Niemand sollte dabei zukünftig mehr auf unterschiedliche Fahrpläne und Tarifzonen achten müssen“, betont Schade die Bedeutung.

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Der Tarif soll günstig und einfach sein, aus zwei kostengünstigen Preisstufen und einem entfernungsabhängigen Tarif bestehen. Außerdem will sich der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) als Modellregion für das Klimaschutzprogramm 2030 bewerben, Metrobuslinien als Ergänzung zum bestehenden Angebot von Bus und Bahn einführen sowie die Flotten von Elektro- und Wasserstoffbussen aufstocken.

„Die kontinuierlichen Verbesserungen von Takt und Pünktlichkeit, Sauberkeit und Service sollen das Image des Nahverkehrs positiv beeinflussen und die Menschen zum Einsteigen in Busse und Bahnen bewegen“, sagt der Landrat. Aber – und hier taucht die alt bekannte Schwierigkeit wieder auf: Ohne die Unterstützung von Land und Bund werden die Finanzen nicht ausreichen, um viele der elf Punkte umzusetzen. Entsprechend einhellig wird genau das folglich von Landräten, Oberbürgermeistern und Nahverkehrsunternehmen gefordert. Ob diese Forderung in Düsseldorf und Berlin jedoch auf offene Ohren stößt, bleibt abzuwarten.

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Blick auf die Bahnhöfe

Erfreulich gut sind mit Sicherheit die Bahnanbindungen. Der Bahnhof Ennepetal-Gevelsberg liegt an der Regionalbahnstrecke, außerdem fahren die Züge der Line S8 mit mehreren Haltestellen durch Schwelm und Gevelsberg. Aber: Hier hagelt es von den Bürgern auch deutliche Kritik, denn Zustand und Sauberkeit, Sicherheitsgefühl und Erscheinungsbild der Bahnhöfe schneiden für alle Städte schlecht ab.