Ennepetal. Um Rehkitze vor dem Tod durch den Mähdrescher zu schützen, will der Hegering Ennepetal eigene Drohnen einsetzen – und braucht dafür Hilfe.

„Im besten Fall sind sie tot. Im schlimmsten Fall liegen die Kitze noch lebend und mit abgeschnittenen Läufen im Gras und verbluten.“ Es sind grauenvolle Szenen, die Claudia Möllney vom Hegering Ennepetal schildert. Sie tragen sich Jahr für Jahr an vielen Orten zu, wenn Landwirte mit Mähdreschern ihre großen Wiesen mähen und dabei den neu geborenen Tiernachwuchs übersehen. Um solch ein Leid zu verhindern, startet der Hegering nun ein Projekt, für das er dringend auf Hilfe angewiesen ist.

Verpflichtung zum Absuchen

Es ist ein immer wieder kehrendes Dilemma, aus dem der Hegering einen Ausweg sucht: Besonders im Frühjahr suchen Rehkitze, Junghasen, am Boden brütende Vögel und andere Tiere Schutz im hohen Gras. Es ist ein gefährlicher Ort, wenn Landwirte im Frühjahr ihre Wiesen mähen.

Kitze fliehen nicht, sondern bleiben reglos am Boden liegen. Das wird ihnen beim Mähen häufig zum Verhängnis.
Kitze fliehen nicht, sondern bleiben reglos am Boden liegen. Das wird ihnen beim Mähen häufig zum Verhängnis. © Archiv

Natürlich sind die Landwirte gesetzlich verpflichtet ihre Flächen vor dem Mähen abzusuchen. Aber wie schnell wird dabei ein kleines Tier, das sich zu Boden drückt, übersehen. Und wenn der Fahrer erst mal oben in der Kabine der immer größer werdenden Mähdrescher sitzt, kann er die Wildtiere in dichten Grasbeständen gar nicht oder erst zu spät sehen. „Viele Landwirte und Jäger haben es live während der Wiesenmahd erlebt, wie schnell ein Tier im hohen Gras übersehen wird und zum Opfer des Mähdreschers wird“, berichtet Claudia Möllney, Obfrau für Lernort Natur und Naturschutz beim Hegering Ennepetal.

Betroffen seien vor allem Rehkitze, die erst wenige Tage oder Wochen alt sind, wenn die erste Mähperiode ansteht. „Anstatt zu fliehen, verharren Kitze reglos auf dem Boden, wenn ihnen Gefahr droht“ weiß Möllney. Der Mähdrescher sei nach dem Fuchs für Rehkitze die häufigste Todesursache.

Claudia Möllney spricht aus Erfahrung. Sie sucht seit zwölf Jahren in ihrem aktuell 300 Hektar großen Revier die Wiesen vor dem Mähen nach Rehkitzen ab. Zehn bis zwölf Kitze rette sie so pro Jahr. Auch sie habe schon schreckliche Szenen gesehen und erlebt.

Getötete Wildtiere auf den Wiesen bergen auch für Landwirte ein großes Risiko. „Das gemähte Gras wird meist siliert und an Rinder und Pferde verfüttert. Befinden sich Kadaverteile im Futter, kann es zu Vergiftungen bei den landwirtschaftlichen Nutztieren kommen“, erklärt Claudia Möllney. Der Schutz der Wildtiere vor dem Mähtod gelingt insbesondere dann, wenn die Tiere frühzeitig entdeckt werden - oder wenn Elterntiere unmittelbar vor der Mahd gedrängt werden, mit ihren Jungen die Fläche zu verlassen. Das klassische Absuchen mit einer oder mehreren Personen oder mit dem Hund hat allerdings einen Haken: Es braucht viel Zeit, und wenn das Absuchen am Abend vor dem Mähen stattfindet, kehren die meisten Wildtiere in der Nacht wieder in die Wiese zurück.

So geht das Team im Einsatz vor

Gefundene Kitze werden selbstverständlich nicht mit bloßer Hand aus der Wiese getragen, sondern mit Einweghandschuhen und einem Büschel Gras zwischen Tier und Handschuhen.

Ein Drohnenteam besteht aus vier Personen. Neben dem Piloten gibt es noch einen Co-Piloten, der die Suche auf einem Tablet-Bildschirm verfolgt und Anweisungen gibt. Außerdem sind zwei Helfer mit im Einsatz: Einer, der die Fundorte mit Fähnchen markiert und ein weiterer, der die Kitze wegbringt, während die Suche und Markierung weiterlaufen. Auch hierfür werden noch Freiwillige gesucht.

Um Mähtermine und Suchaktion mit den Landwirten zu koordinieren, richtet der Hegering eine Einsatzzentrale ein. Zuerst werden die Flächen beflogen, wo die Wahrscheinlichkeit, Kitze zu finden, am größten ist.

Aus diesem Grund geht der Hegering nun einen anderen Weg und will ab diesem Frühjahr eigene kleine Fluggeräte einsetzen. „Drohnen, die mit einer Wärmebildkamera ausgestattet sind, können helfen, die Tiere aus der Luft zu orten und vor dem Mähtod zu bewahren“, erklärt Claudia Möllney. Erfahrungen aus anderen Städten zeigen: Die Trefferquote liegt bei 99 Prozent und das Absuchen der Flächen geht um ein Vielfaches schneller. Claudia Möllney rechnet vor: „Durch den Einsatz einer Drohne mit Wärmebildkamera können in zwei Stunden zwischen sieben und zwölf Hektar überflogen werden.“ Zum Vergleich: Zu Fuß schaffen vier Leute zwei Hektar in zwei Stunden.

Eine Drohne mit Wärmebildkamera hat ihren Preis. Der Hegering Ennepetal geht von 7000 bis 8000 Euro aus. Daher will der Verein im ersten Jahr erstmal mit einer Drohne starten.

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Es gibt schon einige Sponsoren. Für die Anschaffung werden aber noch dringend weitere Unterstützer gebraucht, teilte der Hegering mit. Wer das Projekt unterstützen möchte, kann sich entweder an Claudia Möllney, 02333/60 90 10, oder an Hegeringleiterin Beate Flockenhaus, 02331/401213, wenden.