Ennepe-Ruhr. Der Lockdown in der Corona-Krise trifft besonders Unternehmen und Selbstständige. Sie beantragen Soforthilfe, doch reicht die auch nicht ewig.
Friseure dürfen nicht arbeiten, Restaurants sind geschlossen, Firmen schicken ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit. Das öffentliche Leben steht still und damit auch die Wirtschaft. Vier Wochen dauert der Lockdown im Zuge der Corona-Pandemie mittlerweile.
Für lokale Betriebe und Einzelhändler ist der finanzielle Schaden besonders groß. Bund und Länder haben für sie die Corona-Soforthilfe eingerichtet. Kleine und mittlere Unternehmen sowie Solo-Selbstständige und Freiberufler können je nach Beschäftigten-Anzahl einen Zuschuss in Höhe von 9000, 15000 oder 25000 Euro beantragen. Mehr als 77.000 Anträge sind bis Mittwoch allein bei der Bezirksregierung Arnsberg eingegangen, darunter auch welche aus dem Südkreis.
Friseurin Christina Behnke aus Gevelsberg: „Das ist ein Totalausfall“
„Ich habe jetzt viel Freizeit“, sagt Christina Behnke (51) am Telefon. Doch was so schön nach Entspannung klingt, ist für die Friseurmeisterin eine Katastrophe. Seit mehr als drei Wochen ist ihr Geschäft in Gevelsberg zu. „Das ist ein Totalausfall“, so die 51-Jährige. Sie ist seit zehn Jahren selbstständig. „Ich habe viel gearbeitet, um etwas anzusparen.“ Davon lebt sie jetzt. Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat sie einen Sohn (25) und eine Tochter (22). Beide sind, weil sie wegen Corona in ihren Jobs aussetzen müssen, auf die Unterstützung der Eltern angewiesen.
Der Putzhilfe für den Laden hat Christina Behnke abgesagt, für die beiden Teilzeitkräfte und einen Minijobber hat sie Kurzarbeit beantragt. „Da hängen ja eben auch noch andere Existenzen dran.“ Sie hat ebenfalls 9000 Euro Soforthilfe überwiesen bekommen. „Allerdings weiß ich nicht genau, wie das ablaufen wird. Darf ich damit nur die Fixkosten decken oder mir auch meinen Lohn auszahlen? Das ist alles sehr undurchsichtig“, so die Friseurmeisterin.
Kunden wollen Termine machen
Immer wieder fragen Kunden, wann sie ihr Geschäft wieder öffnet, wollen sogar schon Termine machen. „Aber für wann denn? Mir sind die Hände gebunden.“ Sie hofft, dass es in der nächsten Woche zu Lockerungen kommt und sie – wenn auch sicherlich unter Auflagen – weiterarbeiten kann.
„Ich merke schon, dass ich nicht abschalten kann. Die Ungewissheit macht einen mürbe“, sagt Christina Behnke. Sie schlafe nicht mehr gut. „Ich habe geträumt, ich bediene in meinem Laden einen Kunden. Dann kommt das Ordnungsamt und ich soll Strafe zahlen. Das war so real, ich war danach richtig fertig“, erzählt die Gevelsbergerin.
Leo-Theater in Schwelm: Nach der Schließung kam der Einbruch
„Uns wurde unsere gesamte finanzielle Grundlage genommen, sowohl die Ticketverkäufe als auch die privaten Vermietungen“, sagt Andreas Winkelsträter vom Leo-Theater in Schwelm. Und dann noch das: Einen Tag nach der angeordneten Schließung wird dort eingebrochen. Wie hoch die gestohlene Geldsumme ist, möchte der Inhaber und Geschäftsführer nicht verraten. Die Versicherung habe den finanziellen Schaden aber bereits beglichen.
Reserven gibt es keine. „Wir sind erst vor zweieinhalb Jahren an den Start gegangen und haben vor der Schließung sehr viel in Räumlichkeiten und Mobiliar investiert.“ Reserven gibt es keine. „Wir sind erst vor zweieinhalb Jahren an den Start gegangen und haben vor der Schließung sehr viel in Räumlichkeiten und Mobiliar investiert.“
Planungen für die neue Saison laufen
Die Soforthilfe von 9000 Euro (für Betriebe bis zu fünf Mitarbeitern) hat das Theater zwar erhalten, doch kann Winkelsträter noch nicht ermessen, wie hoch die Verluste am Ende sind und ob der Zuschuss dafür ausreicht.
Dennoch ist er zuversichtlich, „dass wir die Krise überstehen“. Deshalb bereitet sich das Theater auch auf alle Eventualitäten vor, „damit wir zum einen sofort wieder öffnen können und zum anderen planen wir aber auch langfristig, was die neue Saison angeht“.
Schulhaus Hotel in Schwelm: Keine Soforthilfe wegen Insolvenzverfahren
„Corona hat uns zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt erwischt“, sagt Kurt Hermandung, Inhaber des Schulhaus Hotels in Schwelm. Zum einen hat das Hotel im Spätherbst 2018 mit einem halben Jahr Verzögerung eröffnet, zum anderen befindet sich die GmbH mitten in einer Planinsolvenz in Eigenverwaltung. Das Sanierungsverfahren stand kurz vor dem Abschluss. Weil die Insolvenz jedoch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie steht, hat der Betrieb keinen Anspruch auf die NRW-Soforthilfe. 25.000 Euro wären das gewesen.
„Das wirft uns zurück, aber so schnell lassen wir uns nicht unterkriegen“, so Kurt Hermandung. Sämtliche Kosten wie Pacht und Strom haben der Hotelier und Geschäftsführer Marc Konopatzki heruntergefahren. Aktuell kümmern sich die beiden zusammen mit einer Auszubildenden um die ankommenden Hotelgäste, denn Geschäftsreisen sind weiterhin erlaubt. Die 18 Mitarbeiter, darunter auch die aus dem Restaurant „Die Turnhalle“, sind in Kurzarbeit.
„Wir nehmen das Sanierungsverfahren wieder auf, sobald die Restriktionen durch Corona aufgehoben werden“, sagt Marc Konopatzki. Dann wollen er und Kurt Hermandung auch mit einem neuen Konzept für das Restaurant starten.
SIHK: Unternehmen beklagen Umsatzeinbußen
Laut einer aktuellen Blitzumfrage der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) zu Hagen berichten zwei Drittel der Unternehmen im Märkischen Südwestfalen von Umsatzeinbußen von mehr als 25 Prozent. Die geringe Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen sowie stornierte Aufträge führen zu Liquiditätsengpässen.
„Die Soforthilfen sind entsprechend ein wichtiges Mittel, um die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Unternehmen abzumildern, und die Erfahrungen zeigen, dass die Hilfen nach Beantragung schnell ankommen“, sagt Dr. Fabian Schleithoff, Fachbereichsleiter Wirtschaftsförderung.
Kreishandwerkerschaft: Aufträge verschieben sich nach hinten
Bei der Kreishandwerkerschaft sei die Soforthilfe bisher kein großes Thema, berichtet Udo Vaupel, Handwerksbotschafter für den EN-Südkreis. „Bei uns verschieben sich einfach alle Termine, weil zurzeit keine Entscheidungen herbeigeführt werden. Es finden keine Eigentümerversammlungen statt, dementsprechend werden keine Aufträge erteilt.“
Was sich hingegen stark bemerkbar mache, sei die fehlende Beauftragung durch die Industrie. „Teilweise wird das Bauhandwerk aus dem Etat genommen“, so Vaupel. Private Auftraggeber hielten sich im Moment ebenfalls zurück, „weil sich die Leute über ihre berufliche Zukunft Sorgen machen“.