Ennepetal. Ennepetaler Therapeutin ist mit dem Coronavirus infiziert. 190 Patienten und 120 Mitarbeiter der Klinik Königsfeld kommen in Quarantäne.

Der Fall, vor dem jede Klinik derzeit am meisten zittert, ist in Ennepetal eingetreten. Weil eine Mitarbeiterin positiv auf das Coronavirus getestet worden ist, ist die Klinik Königsfeld am Mittwoch geschlossen worden. Besonders brisant: Der größte Teil der aktuell etwa 190 Patienten gehört wegen Herz-Kreislauf-Beschwerden zur stark gefährdeten Risikogruppe.

Sie und ebenso die Mitarbeiter der Reha-Klinik für Herz-, Kreislauf- und Gefäß- sowie orthopädische Erkrankungen werden auf Anordnung des Gesundheitsamts des Ennepe-Ruhr-Kreises sukzessive in häusliche Quarantäne geschickt. Einige Patienten, die nicht nach Hause zurückkehren können, weil sie dort zum Beispiel auf schwerkranke Angehörige treffen würden, verbleiben in der Klinik. Für sie gelten aber ebenfalls die Regeln der häuslichen Quarantäne, das heißt, dass sie ihre Zimmer nicht verlassen dürfen. Für diese Patienten wird ein Notbetrieb auf Königsfeld aufrechterhalten.

Große Gefahr für geschwächte Herzen

Die Deutsche Herzstiftung teilt mit: „Das neuartige Coronavirus scheint nach Einschätzung der Amerikanischen Kardiologie-Gesellschaft (ACC) auf Basis von Berichten aus China gerade für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einem h öheren Sterblichkeits- und Komplikationsrisiko verbunden zu sein.

Mögliche Parallelen aus früheren Coronavirus-Epidemien (SARS/MERS) lassen laut ACC darauf schließen, dass bei Infektion mit COVID-19 auch eine Herzbeteiligung auftreten kann.

Generell stellen bakterielle oder virale Infektionen eine zusätzliche Belastung für das Herz-Kreislauf-System dar. Diese Zusatzarbeit kann ein geschwächtes Herz überfordern. Vielen älteren Menschen fehlen außerdem die Kraftreserven, um dieser enormen Belastung entgegenzuwirken.

„Die Situation ist ausgesprochen kompliziert“, erläutert Ingo Niemann, Pressesprecher des Ennepe-Ruhr-Kreises. Es gebe einerseits die Patienten, die ohne Symptome seien und von ihren Angehörigen abgeholt werden und in häusliche Quarantäne gehen. Für diejenigen, die keine Fahrgelegenheit aus ihrem privaten Umfeld erhalten, organisiert der Ennepe-Ruhr-Kreis den Transport. „Es gibt aber auch mehrere Patienten, die Symptome haben. Von ihnen werden wir nun einen Abstrich nehmen und testen, ob sie infiziert sind“, teilt Niemann mit.

Kontaktkette kaum nachvollziehbar

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Nicht zuletzt müssen die Mitarbeiter nun selektiert werden, ob sie Symptome haben oder nicht, ob sie weiter als Personal für die Patienten, die in der Klinik in Quarantäne verbleiben, geeignet sind. „Wir müssen schließlich die medizinische Versorgung dieser Menschen sowie deren Versorgung mit Lebensmitteln aufrecht erhalten“, sagt Ingo Niemann.

Nachdem die Mitarbeiterin, die als Therapeutin in der Klinik arbeitet, am Dienstagabend von ihrer Infektion erfahren hatte, und die Klinikleitung informiert habe, habe diese sofort Kontakt mit dem Gesundheitsamt aufgenommen, erklärt Jörg Grabenschröer, Pressesprecher der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (DRV), auf Nachfrage dieser Zeitung. Die DRV ist Träger der Einrichtung an der Holthauser Talstraße. Bei einem positiven Testergebnis ist das Gesundheitsamt des Kreises sofort Herr des Verfahrens.

Die Mitarbeiterin hatte nach ersten Erkenntnissen intensiven Kontakt zu mindestens 50 Patienten sowie zu einer weiteren Therapeutin, die ebenfalls intensiven Kontakt zu einer nicht mehr zu beziffernden Anzahl an Patienten gehabt hat.

Schreiben unter Türen hergeschoben

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Mit einem Schreiben, das am Dienstagabend unter den Zimmertüren hindurch geschoben wurde, informierte die Klinikleitung darüber hinaus die Patienten. Darin heißt es: „Sehr geehrte Patientinnen und Patienten, aufgrund eines Corona-Falles innerhalb der Mitarbeiter der Klinik Königsfeld wurde vom Gesundheitsamt angeordnet, dass alle Patienten auf ihren Zimmern bleiben müssen. Alle Mahlzeiten werden daher auf dem Zimmer bereit gestellt. Sämtliche Therapien müssen leider entfallen. (...) Dies ist für alle Beteiligten eine sehr heikle Situation. Wir bitte Sie daher, dass Sie Ruhe bewahren und bei Fragen sich über ihr Zimmertelefon bei der Medizinischen Zentrale melden.“ In dem Schreiben kündigte die Klinikleitung zudem an, dass man in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt versuchen werde, den Zustand in eine häusliche Quarantäne zu ändern. Diese Maßnahme wurde ab Mittwochmittag schließlich umgesetzt. Das Frühstück mussten alle Patienten auf ihrem Zimmer einnehmen.

Die Klinik Königsfeld hat 120 Mitarbeiter und betreut 190 Patienten. Zwei Drittel davon befinden sich in Folge einer Herz-Kreislauf-Erkrankung in der Rehabilitation, zählen somit hinsichtlich der Auswirkungen einer Corona-Infektion zur Risikogruppe. Ein Drittel der Patienten leidet an orthopädischen Erkrankungen. Sie kommen aus ganz Deutschland, was die Koordination zwischen den Gesundheitsämtern extrem aufwändig macht und eine enorme Sorgfalt erfordert. Ingo Niemann erläutert: „Wir stellen nun den Kontakt zu den jeweils zuständigen Gesundheitsämtern her, diese müssen den Leuten dann schriftlich ihre zweiwöchige Quarantäne mitteilen.“

Bis auf Weiteres im Notbetrieb

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Die Klinik bleibe nun bis auf Weiteres geschlossen, erklärt DRV-Sprecher Jörg Grabenschröer. Neuaufnahmen werde es also nicht geben, nur der Notbetrieb bleibe gewährleistet. Wann die Klinik wieder zum regulären Betrieb zurückkehren könne, könne er nicht sagen, so Grabenschröer. Wie groß das Ausmaß am Ende ist, wie viele Patienten, Beschäftigte und Besucher sich angesteckt haben, wird sich wohl erst in mehreren Wochen zeigen.