Ennepetal. Rund 500 Menschen kamen zur Infoveranstaltung der Stadt Ennepetal zum Thema PCB in Oelkinghausen – und erfuhren von neuen Ergebnissen.

Offene Fragen, Unsicherheiten und auch Wut auf der einen Seite, auf der anderen die Ankündigung, die PCB-Thematik in Oelkinghausen umfassend aufzuklären und die Bevölkerung auf den aktuellen Stand der Untersuchungen zu bringen. Etwa 500 Menschen kamen am Mittwochabend im Haus Ennepetal zur Infoveranstaltung. Und tatsächlich gab es Neuigkeiten.

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Um alle Anwesenden auf den gleichen Stand zu bringen, folgten nach der Begrüßung durch Bürgermeisterin Imke Heymann – die Stadt Ennepetal hatte eingeladen – erst einmal grundlegende Einführungen in die PCB-Problematik, in die Chronologie der Ereignisse und wie die Untersuchungen aussehen, um Verursacher ausfindig zu machen und die Lage, auch mit Blick auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung, einschätzen zu können. Dazu stellten sowohl der Ennepe-Ruhr-Kreis als Aufsichtsbehörde wie auch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW, dass die Untersuchung im Auftrag des Kreises durchführt, Vertreter und Fachleute ab.

Bis Frühjahr 2020 gedulden

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Eines vorweg: Eine endgültige Einschätzung ist frühestens nach Vorlage aller Untersuchungsergebnisse möglich. Dies ist voraussichtlich im Frühjahr 2020 der Fall. Die Grünkohlproben werden nächste Woche geerntet. Hier ein Überblick über die wesentlichen Aussagen bei der Info-Veranstaltung.

Neue Erkenntnisse

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Das LANUV stellte am Mittwoch überraschend die Ergebnisse der Bodenproben vor, die im September an mehreren Stellen entnommen wurden. Die Ergebnisse sind erst wenige Tage alt und bestätigen laut LANUV, was schon die Löwenzahnbeprobung erbrachte. Im Boden sei das PCB 47 erkennbar angereichert, in unmittelbarer Nähe zur Firma BIW und in Windrichtung steige es gravierend an, so Jörg Leisner vom LANUV. Allerdings sei es das einzige PCB, was im Boden angereichert ermittelt werden konnte, und auch in einer Größenordnung, die nicht gefährlich erscheint, jedoch zum Handeln auffordert, so der Experte.

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Alle anderen ermittelten PCB würden sich auf einem normalen Niveau bewegen bzw. die dioxin-ähnlichen weit unterhalb des Schwellenwertes, ab dem es gefährlich werden könne. „Das ist ein großes Glück“, so der Fachmann für Bodenschutz und Altlasten. Es bedeute, dass man sich auf den Flächen gefahrlos bewegen, sie normal nutzen und darauf auch spielen könne. Gleichwohl, so der LANUV-Experte, sei eine weitere Belastung der Böden unbedingt zu vermeiden. Schadstoffbelastungen seien im Boden nicht rückgängig zu machen.

Die Dosis macht das Gift

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Auch auf die Löwenzahnbeprobung (Entnahme war im Juli) ging das Landesamt noch einmal ein. An einer Stelle wurde der sogenannte Auslösewert für dioxin-ähnliche Stoffe leicht überschritten, wie Dr. Katja Hombrecher vom LANUV ausführte. „Das bedeutet, dass man gucken muss, woher dieser erhöhte Wert kommt.“

Maximale Transparenz und lückenlose Aufklärung gefordert: Insbesondere die bisherige Informationspolitik stößt bei vielen Menschen auf Kritik.
Maximale Transparenz und lückenlose Aufklärung gefordert: Insbesondere die bisherige Informationspolitik stößt bei vielen Menschen auf Kritik. © Andreas Gruber

Aus diesem Grund wurden weitere Proben entnommen. „Wir haben da jemanden in Verdacht, aber es bleiben noch die Emissionsuntersuchungen abzuwarten“, erklärte dazu Wolfgang Flender, Abteilungsleiter Umwelt beim Ennepe-Ruhr-Kreis. Das bedeutet: Neben der Firma BIW, die den PCB-47-Ausstoß nie bestritten hat, gibt es mindestens noch einen anderen Emittenten, den es nun auszumachen gilt.

Knut Rauchfuss vom LANUV hatte zuvor betont, dass es verkehrt sei, zwischen guten und bösen PCB zu unterscheiden, also zwischen nicht-dioxinähnlichen PCB wie das PCB 47 und dioxin-ähnlichen PCB. Alle seien gefährlich. Die Dosis mache das Gift. Diese Einschätzung vertrat auch Kreis-Amtsärztin Dr. Sabine Klinke-Rehbein.

Ein Novum

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Der PCB-Fall in Oelkinghausen stellt ein Novum dar. Dass aus einem Silikon-verarbeitenden Betrieb wie BIW das PCB 47 austreten kann, sei bisher nicht bekannt gewesen, teilte Kreis-Umweltamtsleiter Wolfgang Flender mit. Dies sei auch der Grund, warum die Anlage nicht genehmigungspflichtig ist und warum die bisherigen Kontrollen des Kreises ohne Bemängelung abliefen. Weder der Gesetzgeber noch der Kreis als Aufsichtsbehörde hätten die Problematik bisher auf dem Schirm gehabt. Das werde sich ändern. „Wir gehen davon aus, dass dieser Fall Anlass für den Gesetzgeber ist, über eine Neubewertung nachzudenken. Ich gehe davon aus, dass das in Kürze geschieht“, erklärte Wolfgang Flender. Dies werde Folgen für die gesamte Branche haben, glaubt er.

Warum der Kreis als Aufsichtsbehörde die Anlage bei BIW dann nicht vorsorglich stilllegt, wollte ein Anwohner wissen. Dazu antwortete der vom Kreis eingeschaltete Jurist Dr. Andre Unland: „Nach allem, was wir wissen, bewegen wir uns hier unterhalb der Schwelle einer konkreten Gefahr. Solange diese Schwelle nicht überschritten ist, sind wir in einer Vorsorgephase. Der Kreis kann dann nicht mit einer Nutzungsuntersagung agieren.“

Laufende Maßnahmen

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Bei BIW laufen in Abstimmung mit dem Kreis und den anderen zuständigen Behörden bereits Maßnahmen zur Verbesserung der Situation. Die Reinigungsintervalle im Abluftsystem seien deutlich erhöht worden, war zu hören. „Das hat Wirkung gezeigt“, berichtete Wolfgang Flender. Außerdem werden gerade verschiedene Systeme getestet, mit denen der Ausstoß von PCB und auch der weißen Flocken, an die sich das PCB „anheftet“, verhindert werden kann.

Das seien neue Anlagen, die es nicht von der Stange gibt und erprobt werden müssen. „Das kann dauern. Wenn wir Pech haben, zwei Jahre“, schätzt Michael Wichert, beim LANUV zuständig für Anlagen- und Emissionsminderungstechnik. Firmenchef Ralf Stoffels sprach von Millionen-Investitionen. Er sei gemeinsam mit den Behörden um eine schnelle Lösung bemüht.

Fazit

Viele Fragen wurden gestellt. Nicht alle konnten beantwortet werden.
Viele Fragen wurden gestellt. Nicht alle konnten beantwortet werden. © Andreas Gruber

Mehrfach kritisiert, auch am Mittwochabend, wurde die Informationspolitik der Behörden. Dies thematisierte Moderator Frank Heinze, der durch die Veranstaltung führte, am Ende des Abends.

Kreis-Amtsärztin Dr. Sabine Klinke-Rehbein räumte ein, mit den Veröffentlichungen nicht alle Menschen erreicht zu haben. Landrat Olaf Schade bat um Verständnis, das Informationen nicht immer so schnell veröffentlicht würden, wie von den Menschen gewünscht. „Wir müssen die Informationen, die wir haben, auch aufarbeiten, um sie erklären zu können.“ Was er aus der Veranstaltung mitnehme, so hatte der Landrat zuvor gesagt, sei, dass zum Ausdruck gebracht werden konnte, dass „keine akute Gefahr besteht“ und dass alle Beteiligten um schnellstmögliche Abhilfe bemüht seien. „Ich habe nach der heutigen Veranstaltung die Hoffnung, dass wir das gemeinsam schaffen.“

„Ich glaube, das Schwierigste bei dem Thema ist die Ungewissheit“, sagte Bürgermeisterin Imke Heymann in ihrem Schlusswort. Im Rückblick bekannte sie: „Ich hätte diese Veranstaltung eher machen müssen. Da bin ich ehrlich. Heute würde ich sagen: viel eher“. Um den Informationsfluss in Zukunft zu verbessern, könnte sie sich zum Beispiel einen Runden Tisch vorstellen.

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Zufrieden mit der Veranstaltung an sich und mit ihrem Verlauf ist Roland Wocknitz, Sprecher der Bürgerinitiative „PCB-Skandal Ennepetal“. „Es gab nicht viel Neues und es sind noch viele Fragen offen. Das war vorher klar.“ Ziel der BI sei gewesen, dass es einen offenen Dialog mit den Behörden gibt und dass die Menschen informiert werden. Dies sei mit der Infoveranstaltung erreicht worden. „Der erste Schritt ist gemacht. Ein Schritt von ganz vielen, die noch kommen müssen.“