Schwelm/Hagen. . Alkohol, Drogen, Antriebslosigkeit: Der Blick auf die Biografie der Schwelmer Brüder zeigt eine zerrüttete Familie und Erziehung ohne Regeln.

Die beiden wirken wie schüchterne Kinder, als sie die Fragen des Vorsitzenden Richters Jörg Weber-Schmitz beantworten. Doch weshalb Justin-Pascal K. (20) und sein 17-jähriger Bruder sich aktuell vor der Ersten großen Jugendkammer des Hagener Landgerichts verantworten müssen, geht über einen Dumme-Jungen-Streich weit hinaus: Wegen versuchten Totschlags hat die Staatsanwaltschaft Justin-Pascal K. angeklagt, gefährliche Körperverletzung steht für den Jüngeren in der Anklageschrift.

Bevor am Montag, 20. Mai, der Urteilsspruch erwartet wird, blickte die Jugendgerichtshilfe auf das Leben der Brüder, das bislang familiär wenig Chancen für sie bereit hielt, sich in der Gesellschaft als Erwachsene einmal selbstständig zurecht zu finden.

Gerade erst aus dem Arrest frei

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Beide wuchsen in Schwelm auf, nach Kindergarten und Grundschule führte sie ihr Weg auf die Hauptschule West. Während Justin-Pascal K. diese mit Hauptschulabschluss nach der zehnten Klasse verließ, zog sein kleiner Bruder zur achten Klasse mit den verbliebenen Schülern nach der Schulschließung in die Hauptschule nach Gevelsberg. Dort war er jedoch selten gesehen, blieb sitzen, hörte mit der Schule nach Klasse 9 ohne Abschluss auf.

Da war die Familie bereits seit Längerem in den Fokus der Behörden gerückt. Im Jahr 2011 war das Schwelmer Jugendamt auf den Drogenkonsum der Mutter, die einen dritten, noch jüngeren Sohn hat, aufmerksam geworden. „Wenn die Mutter nicht konsumiert hat, hat sie sich gut um ihre Kinder gekümmert“, sagt die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe.

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Ihre Jungs entglitten ihr allerdings mehr und mehr. Der Ältere brach das Berufskolleg ab, flog nach einem Unfall in Folge dessen er lange krank geschrieben war, aus dem Betrieb, in dem er eine Ausbildung als Gebäudereiniger angetreten hatte. Da hatte er bereits seit Jahren keinen Kontakt mehr zu dem Vater, war zu den Großeltern nach Ennepetal gezogen, „weil ich mich damals mit meiner Mutter nicht verstanden habe.“

Parallel trat er vermehrt strafrechtlich seit dem Jahr 2015 in Erscheinung: Betrug, Hausfriedensbruch, Beleidigung, Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte standen zu Buche, was für ihn bereits in einem Jugendarrest endete. Nur sechs Wochen nach seiner Freilassung soll er den 17-jährigen Wuppertaler in Schwelm gewürgt haben.

Empfehlung lautet: Gefängnis

„Die Großeltern wollten ihn mit strengen Regeln von seinem schlechten Umgang in Schwelm abhalten“, sagt die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe und weiter: „Unter Alkoholeinfluss rastet er regelmäßig aus.“ Die Zeit, seit er im Iserlohner Jugendknast einsitzt, habe er dazu genutzt, eine Ausbildung im Metallbereich zu starten. Er strebe an, im Gefängnis eine Ausbildung als Industriemechaniker zu absolvieren, stehe auf der Warteliste für eine Sucht- und Drogenberatung sowie für ein Anti-Aggressionstraining. „Dies kann er antreten, sobald er in Strafhaft ist, deshalb halte ich eine solche auch für sinnvoll“, sagte die Ennepetaler Jugendgerichtshelferin.

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Ihre Schwelmer Kollegin regte auch für den Jüngeren eine Sucht- und Drogenberatung als Auflage an, sowie eine Jugendstrafe zur Bewährung. Der 17-Jährige rauche Cannabis und trinke vermehrt Alkohol, lebe in den Tag hinein, halte Termine oft nicht ein, sei nicht in der Lage, etwas, das er begonnen habe und das wichtig für sein Leben sei, auch durchzuziehen. „Diese erheblichen Mängel liegen in der schlechten Erziehung. Er braucht klare Regeln.“

Gefahr für weiterere Straftaten

Als Beleg führte sie an, dass er aus seiner Egal-Haltung heraus seine Bezüge vom Jobcenter gekürzt bekam. „Das betraf die ganze Familie. Dafür, dass er ihr schadete, hat er jedoch kein Bewusstsein.“ Auch der jüngere der beiden Brüder, die einen vermeintlichen Nebenbuhler vor einer Spielhalle in Schwelm schwer verprügelt hatten, ist mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. „Ich sehe die Gefahr gegeben, dass er weitere Straftaten begehen wird“, schloss sie ihre Ausführungen.

Nun bleibt abzuwarten, wie die Staatsanwaltschaft, die Verteidiger Timo Scharrmann und Sonka Mehner-Heurs sowie Nebenklagevertreterin Heike Tahden-Farhat plädieren und die Kammer urteilen wird.