Schwelm/Hagen. . Prozess gegen Bruderpaar gewährt Blick in ein Milieu, in dem Alkohol, Schläge und Kriminalität herrschen. Opfer und Ex-Freundin sagen aus.
Als der zweite Prozesstag beendet ist, darf der 20-Jährige Justin-Pascal K. unter Aufsicht der Wachtmeister mit seiner Mutter sprechen. Die beiden fallen sich in die Arme. Man könnte darauf kommen, dass es sich um eine halbwegs heile Familie dreht. Doch in dem Umfeld, in dem sich viele der Prozessbeteiligten bewegen, ist kaum etwas heile.
Die meisten der Jungs zwischen 16 und 18 Jahre, die im Zeugenstand Platz nehmen, sind der Polizei bestens bekannt. Ein 18-Jähriger antwortet auf die Frage des Richters, ob er Verdienstausfall oder Fahrtkosten gehabt hätte: „Ich arbeite nicht und bin schwarz hierhin gefahren.“ Der Hauptangeklagte ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt, und sein 17-jähriger Bruder, der in den am Boden Liegenden getreten haben soll, hat bereits beachtliche Routine im Umgang mit der Polizei erlangt.
Das Opfer
Einsilbig antwortet der 17-jährige, als das Gericht ihn zur Tat verhört. Nein, körperliche und psychische Folge habe die Tat nicht hinterlassen. Nein, er habe sich nicht in Lebensgefahr gefühlt. Und sehr oft: „Daran kann ich mich nicht richtig erinnern.“ Aktuell macht er eine Ausbildung als Garten- und Landschaftsbauer.
Er hatte seinerzeit die Ex-Freundin des Täters als seine neue beste Freundin angesehen. „Schwester“ nannte er sie oft, wenn er bei Whatsapp über sie schrieb. Als er hörte, dass Justin-Pascal K. sie geschlagen habe, schrieb er: „Wenn es nach mir ginge, hätte ich Dich längst getötet wegen den Schlägen an meine Schwester.“ Ruhig schilderte er, wie der 20-Jährige dann aber auf ihn eingedroschen, ihn gewürgt habe, der kleine Bruder ihm in die Seite getreten habe. Er habe nur auf seinen Bus gewartet, um nach Hause zu fahren, als Justin-Pascal K. plötzlich losgeprügelt habe.
Die Täter
Der 17-jährige soll dem Opfer im Nachgang der Tat per Kurznachricht ein Betretungsverbot für die Stadt Schwelm ausgesprochen haben. Er lebt bei der Mutter, gerät immer wieder wegen der verschiedensten Dinge in Konflikt mit der Polizei. Wie sein Bruder entschuldigte er sich beim Opfer.
Der 20-jährige Hauptangeklagte hingegen lebte vor seiner Inhaftierung bei den Großeltern in Ennepetal, weil er sich nicht mehr mit seine Mutter verstand. Bei Oma und Opa sollen strenge Regeln geherrscht haben. Er hatte keinen Schlüssel für das Einfamilienhaus, musste um 23 Uhr zurück sein, wurde sonst nicht mehr reingelassen. Er verbrachte seine Tage aber weiterhin gern in Schwelm, wo er sich mit anderen jungen Leuten auf dem Parkour-Platz neben dem Penny-Markt zum Abhängen traf.
Die Freundin
Laut ihrer Facebook-Profile sind Justin-Pascal K. und die 15-Jährige noch in einer Beziehung, tatsächlich aber war die Liebe nach einigem Hin und Her wenige Tage vor der Tat beendet. Dies hat sie ihm klar gesagt. Der 20-Jährige hat das offenbar nicht verwunden. „Als ich sie mit ihm vor der Spielhalle sitzen sah, ist mir eine Sicherung durchgebrannt“, sagt er. Das Mädchen sprach davon, dass er stets sehr eifersüchtig war. Er führte an, dass er Angst darum gehabt hätte, dass sie sich mit dem Opfer erneut so stark betrinke, dass sie nicht mehr stehen könne und er deshalb zu der Spielhalle gegangen sei.
Die Clique
Drogen, Alkohol, Gewalt, Diebstahl, Schwarzfahren – die Jungs aus der Clique haben lange vor ihrer Volljährigkeit schon reichlich Erfahrung mit den Gesetzeshütern gesammelt und geben sich überwiegend stolz darauf. Ein 16-Jähriger wurde von der Polizei zur Verhandlung gebracht, weil er der Ladung nicht gefolgt war. Einen Vernehmungsbeamten hatte er zum Verhör mehrfach versetzt.
Diesmal stehen zwei aus ihren Reihen vor dem Hagener Landgericht, die ernsthaften Ärger bis hin zu mehrjährigen Gefängnisstrafen zu erwarten haben.