Balve. Die Borkenkäfer-Invasion ist so gut wie vorbei. Damit ändern sich die Herausforderungen im Balver Wald fundamental. Was jetzt ansteht.
Die Borkenkäfer-Jahre im heimischen Wald waren zugleich die große Zeit der Motorsägen. Kranke Bäume, allen voran vertrocknete Fichten, mussten raus aus dem Forst, das Holzangebot war groß, die Preise indes waren niedrig. Inzwischen hat sich der Markt gedreht. Die „Kalamität“, wie die Invasion der gefräßigen Insekten genannt wird, ist weitgehend Geschichte – und damit auch das große Fällen. Förster Richard Nikodem berichtet im Gespräch mit der Westfalenpost davon, was Landesbetrieb Wald und Holz, Waldbesitzer und Forstunternehmen auf Trab hält.
„Wir waren 2020, 2021 waren von der Hauptkalamität betroffen“, sagt Richard Nikodem zusammenfassend über das große Holzernten der jüngeren Vergangenheit, „danach ebbte das ab. Wir haben nur noch marginale Einschlagszahlen. Das wird auch so bleiben – weil wir einfach kaum noch Holz haben, das wir fällen können.“ Absehbar seien lediglich kleinere Maßnahmen beim Laubholz: „Beim Nadelholz ist nichts mehr zu holen.“
14 Tage lang haben Richard Nikodem und seine Truppe noch Zeit, die Sägen anzusetzen. Dann muss das Holz auf der Fläche liegen. Dabei werden auch vertrocknete Bäume flachgelegt, die zunächst mal stehen geblieben sind. Mancher Experte erhoffte sich Schatten von den toten Bäumen. Richard Nikodem indes sah sie auf dem Holzweg. Totholz sei vor allen eine Gefahrenquelle. Jetzt muss das dröge Material weg. Sobald die Böden wieder etwas trockener werden, wird gerückt. Und dann?
Längst hat Richard Nikodem eine andere Großaufgabe vor der Brust. Auf Freiflächen wird bereits seit geraumer Zeit aufgeforstet. In diesem Jahr zogen die Fachleute bereits im Spätwinter los. Inzwischen sei die Aussaat bereits vorbei. Wie bitte: Das Frühjahr nimmt doch gerade erst Fahrt auf?
„Wir haben keine genehmigten Förderanträge mehr“, stellt der Fachmann von Wald und Holz fest. „Ich hatte mir einiges auf Vorrat genehmigen lassen. Doch der Vorrat ist verbraucht. Es ist alles gepflanzt.“
In den Schonungen ließen Richard Nikodem & Co. durchaus größere Stümpfe stehen – aus ökologischen Gründen. Insekten finden dort Heimat, Vögel Nahrung, vor allem der Specht hämmert dort gern.
Dennoch beobachtet Richard Nikodem auf den Freiflächen einen Wandel: „Gerade ändert sich die Bewohnerschaft.“ Wie das?
Fichtenkreuzschnabel macht die Flatter
Freunde der Finsternis wie der Fichtenkreuzschnabel machen buchstäblich die Flatter – sie sind einen Lebensraum im finstern Tann spezialisiert. „Stattdessen kommen Garten- und Parkvögel“, weiß Richard Nikodem. Er bezieht sich nicht nur auf eigene Beobachtungen. Vielmehr haben Fachleute der Universität Münster im Hönnetal buchstäblich Feldforschung betrieben: „Da sind jetzt plötzlich auch seltener Vogelarten. Sie finden auf den großen Kahlflächen ideale Lebensbedingungen vor – vielleicht nicht gerade im ersten Jahr, aber auf jeden Fall danach.“ Richard Nikodem bringt den Wandel im Wald auf die Formel: „Licht gleich Artenvielfalt.“
Erfahrungen aus der Praxis liegen vor. Monster-Sturm „Kyrill“ hatte den heimischen Wald aufgemischt, damals, in der Nacht zum 19. Januar 2007. Inzwischen hat sich auf den damaligen Freiflächen etwas getan: „Sie sehen nicht nur schön aus – sie lassen auch erwarten, dass da mal ein richtiger Wald draus wird.“ Richard Nikodem meint damit keineswegs das großflächige lilafarbene Leuchten von Fingerhut-Wiesen, auch das Ginster-Gelb hat er nicht im Blick.
Schonungen brauchen Pflege
Der Wald-Experte merkt nebenher an, dass auch Schonungen Pflege brauchen. Gerade in der Anfangsphase brauchen Setzlinge einen Wuchsvorspung – und müssen vor Rehen als Feinschmeckern des Waldes geschützt werden. „Sie müssen schnell eine Höhe von 1,50 Meter erreichen, damit sie aus dem Äser des roten Wildes sind“, sagt der Fachmann. Aber was passiert auf Flächen, wo die Natur sich selbst um Verjüngung kümmert?
Ginster verdrängt Konkurrenz
„Das ist teilweise gelungen, teilweise überhaupt nicht“, meint Richard Nikodem. Das Problem hat einen Namen. Es heißt Ginster. Der Busch verdrängt laut Nikodem die Konkurrenz jenseits von Fichte, Birke und Eberesche, solange er lebt, und das sind in der Regel zwölf Jahre. Erst danach habe der Boden wieder die Chance, Samen aufzunehmen, erläutert der Förster.
Sehen heißt Glauben
Kurzum: Er wirbt bei Waldbesitzern dafür, sich um die Pflanzungen zu kümmern. Kümmern bedeutet auch Rehwild jagen. Warum das so wichtig ist, zeigen jüngste Verbiss-Gutachten, wie Richard Nikodem betont. Er weiß aber auch: Sehen heißt Glauben. Daher hat er kleine Pflanzungen eingezäunt. Damit will der Förster zeigen, dass gehegte Bäume besser wachsen als Setzlinge, die dem Hunger von Rehen ausgesetzt sind. Wo fachmännisch Hand angelegt wurde und wo nicht, sei bereits jetzt zu sehen. Zwischen den beiden Arten der Waldbewirtschaftung gebe es deutliche Qualitätsunterschiede: „Nix tun führt nicht unbedingt dazu, dass die Kulturen gelingen.“