Balve. Wolfram Essling-Wintzer ist Jäger der verlorenen Schätze. Für den LWL untersucht der Archäologe Balves alte Blasius-Apotheke.
Er ist ein Reiseleiter, auch wenn er nicht so aussieht. Wolfram Essling-Wintzer wirkt in blau-schwarzer Funktionskleidung samt dazugehörigen Messgeräten eher wie ein Bauingenieur. Der Wissenschaftliche Referent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) organisiert für Hausbesitzer Adalbert Allhoff-Cramer eine Zeitreise zurück ins 18. Jahrhundert. Per digitaler Messtechnik und Kenntnis alter Bautechniken entlockt der Fachmann dem Boden im Erdgeschoss der ehemaligen Blasius-Apotheke an der Balver Hauptstraße Geheimnisse der Vergangenheit. Die Spur führt zurück zu Balves großem Stadtbrand von 1789. Zugleich denkt Eigentümer Adalbert Allhoff-Cramer darüber nach, wie die Immobilie künftig genutzt werden könne.
Die alte Apotheke ist ein markantes Gebäude in 1a-Lage. Gegenüber liegt die Volksbank. Zuvor war in dem Haus mit dem unüberhören Glockenspiel das Rathaus untergebracht. Die Erinnerung an die letzte Pharmazeutin der Blasius-Apotheke, Elisabeth Düser, hatte vor nicht allzu langer Zeit in der Stadt die Gemüter erhitzt. Inzwischen ist der ehemalige Kirchpark nach ihr benannt. Und das Gebäude?
„Der Eigentümer will sein Baudenkmal sanieren, und er ist sehr engagiert“, berichtet Wolfram Essling-Wintzer. „Er will den Fußboden sanieren, musste etwas heruntergehen, hat dabei einen älteren Fußboden entdeckt, und das hat er seiner zuständigen Baudenkmalpflegerin mitgeteilt.“
Wolfram Essling-Winter spricht auch überseine eigene Rolle: „Wir sind in erster Linie beratend tätig und arbeiten mit der Unteren Denkmalbehörde zusammen“, sagt der Archäologe. Beim LWL firmiert er als Wissenschaftlicher Referent. Wie, bitte, sieht seine Aufgabe in Balve aus?
Wolfram Essling-Wintzer dokumentiert den jahrhundertealten steinernen Fußboden. Er nimmt buchstäblich Maß. Obendrein wird das steinerne Zeugnis früherer Baukunst fürs Archiv fotografiert. Der Fußboden gilt als sogenanntes Bodendenkmal. Dafür sind die behördlichen Vorgaben längst nicht so streng wie für ein Baudenkmal.
Der alte Boden besteht aus Flusskiesel. Die Steine sind im Fischgratmuster angeordnet: „sehr schön gemacht, sehr sorgfältig gemacht“, wie der LWL-Experte findet. Wie alt ist das Werk?
„Ich weiß es nicht“, entgegnet Adalbert Allhoff-Cramer. „Ich weiß nur, dass der Boden älter ist als die Wände; sie sind aufgesetzt. Meine Vermutung ist, dass wir es mit einem alten Häuschen zu tun haben, dass später überbaut wurde. Adalbert Allhoff-Cramer glaubt aber, den Bau des ursprünglichen Gebäudes auf die unmittelbare Zeit nach dem verheerenden Stadtbrand von 1789 verorten zu können: „Erstaunlich ist, dass es den Balvern damals gelungen ist, die zerstörten Häuser innerhalb eines Jahres wieder aufzubauen.“ Der Fußboden – da ist sich Adalbert Allhoff-Cramer sicher – sei aber älter als die Stadtansicht vor 1789, die der Balver Künstler Werner Ahrens zu einer zeitgemäßen Grafik verarbeitet hat. Lässt sich das genaue Alter des Fußbodens ermitteln?
Der Archäologe antwortet mit einem klaren Jein. Es sei möglich, aber unverhältnismäßig aufwendig.
Wolfram Essling-Wintzer arbeitet vor Ort mit einem Tachymeter. Das Gerät erlaubt digitale Vermessung von Flächen und Räumen per Laserstrahl. Die genaue Verortung des Gebäudes läuft via GPS-Koordinaten.
Am Ende nimmt der Fachmann eine bauhistorische Moment-Aufnahme mit. Denn: Die Gebäude sind in früherer Zeit vielfach umgebaut worden. Doch zurück in die Gegenwart.
Adalbert Allhoff-Cramer ist mit dem Ablauf der Arbeiten zufrieden: „Ich bin erstaunt, dass das alles so schnell ging. Dann können nämlich Entscheidungen fallen: Was muss hier noch passieren? Eines ist schon klar: Der alte Boden ist nicht benutzbar. Die Baustelle muss also wieder zugemacht werden.“
Wolfram Essling-Wintzer knüpft an: „Die Quelle bleibt erhalten. Aber der Eigentümer kann seine Immobilie weiter nutzen – ohne Einschränkung.“
Ohne Einschränkung heißt: Adalbert Allhoff-Cramer denkt an eine Fußbodenheizung, womöglich in Verbindung mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Das Erdgeschoss der alten Apotheke hat sich in jüngerer Vergangenheit mit einem fantastischen Raumklima ausgezeichnet. Aufgrund der Lehmbauweise des Hauses bleibt es im Sommer – wie Adalbert Allhof-Cramer herausgefunden hat – stets angenehm kühl.
Wie die Räume in Balves bester Lage künftig genutzt werden, bleibt vorerst offen. Zur Diskussion stand zwischenzeitlich mal ein Geschäft mit regionalen Produkten.