Mellen/Lüdenscheid. Bestellung von Solartechnik und Genehmigung sollten parallel laufen. Doch es kam anders. Ein Dilemma tat sich auf. Was nun?
Es gibt Wirbel um die Photovoltaikanlage der ehrenamtlich organisierten Dorfenergiegenossenschaft in Mellen. Hans Georg Humpert vom Naturschutzbund (Nabu) hat stutzig gemacht, dass auf einer umzäunten und per Videokamera gesicherten Fläche des Wasserbeschaffungsverbandes Mellen bereits aufgeständerte Solarmodule stehen. Doch der Märkische Kreis habe ihm gesagt, eine Baugenehmigung liege noch nicht vor. Zudem stehe die Änderung von Flächennutzungs- und Bebauungsplan durch die Stadt Balve aus. Was ist da los?
Hans Georg Humpert begleitet den Genehmigungsprozess als Vertreter sogenannter Träger öffentlicher Belange. Er hat sich in einer Einzelfrage kritisch zu dem Projekt geäußert. Ein Teil der Fläche ist nach seiner Meinung schützenswerte Wiese. Es müsse, sagt Humpert der Westfalenpost, zumindest eine Ausgleichsfälle her. Er will seine Kritik jedoch nicht als grundsätzlichen Zweifel an der Anlage verstanden wissen. Dennoch klingt unterschwellig der Vorwurf durch, Mellens Solaranlage sei nach dem Stand der Dinge ein Schwarzbau. Ist das so?
Die Genossenschaft
Wilfried Köster gehört zum Vorstand der Genossenschaft. Was sie ausmacht, umreißt er in Kennzahlen. Die Genossenschaft zählt zurzeit 467 Mitglieder. 1000 Anteile à 2500 Euro sind vergeben: 2,5 Millionen Euro. Dazu muss die Genossenschaft Mehrwertsteuer aufbringen. Das Finanzamt wird sie später zurückzahlen. Das Projekt wird mit 500.000 Euro gefördert. „Weil wir die Aufträge mit Festpreisen vergeben haben, wissen wir: Wir kommen mit dem Geld klar“, sagt Köster. Die Genossenschaft hat 18.000 Quadratmeter Fläche gepachtet. 11.000 Quadratmeter sind bedeckt. Der Rest ist frei. Die Planung steht längst. Doch der Weg von Computerdateien zur Umsetzung ist lang. Warum?
Vorstandsvorsitzende Johanna Vedder-Stute weist auf lange Lieferzeiten für die Technik der Anlage hin. Die Genossen entwickeln einen Plan. Er lautet: Bestellung der Technik läuft parallel zum Genehmigungsverfahren. Bei der Abstimmung vielschichtiger Schritte erhalten die Genossen Unterstützung: vom städtischen Bauamtsleiter Sven Rothauge und Rathaus-Angestellter Kyra Griese. Professionelle Hilfe ist wichtig. Bei Behörden geht es um Fristen, und in der Wirtschaft bedeutet Zeit Geld. Köster: „Das haben wir nicht leichtfertig gemacht.“ Die Genossen arbeiten strukturiert. Die Verfahrensschritte sind in einer Grafik veranschaulicht; verschriftlicht sind sie obendrein. Doch trotz perfekter Vorbereitung gibt es eine Panne.
Die beiden Pannen
Bei der ersten öffentlichen Beteiligung versäumt der Landschaftsbeirat des Märkischen Kreises im Mai 2023 eine Frist. Die Genossenschaft kostet die Panne allerdings wegen des Sitzungsrhythmus’ der zuständigen Gremien drei Monate. Einwände wird der Beirat nicht haben. Es kommt noch dicker. Anfang November endet die zweite öffentliche Beteiligung. Doch am 30. Oktober legt ein Hackerangriff die IT des Kreises lahm. Das bedeutet drei weitere Monate Verzug.
Derweil kommen die bestellten Container mit Solarmodulen und Unterkonstruktionen in Rotterdam an: 25 bis 30 Sattelzug-Ladungen. „Für uns war klar: Das Zeug muss weg, oder es kostet richtig Geld“, stellt Köster fest. Die Waren wird nach Mellen geschafft. Die Versicherung Provinzial macht der Genossenschaft klar, sie zahle bei Diebstahl nur, wenn die Technik vormontiert sowie per Zaun und Videoüberwachung gesichert sei.
Die Lagerung
„Wir müssen das Material gelagert kriegen, weil unsere Lieferungen die Bauplanung überholt haben“, beschreibt Köster die Lage. Mehr noch: „Die erste Einspeisezusage von Westnetz ist Ende Januar ausgelaufen.“ Nur durch Hilfe der aus Balve stammenden Ex-Energiemanagerin Dr. Marie-Theres Thiell erhält die Genossenschaft sechs Monate Aufschub.
Inzwischen liegt Versicherungsschutz vor. Die Provinzial akzeptiert das Provisorium. „Wir haben nicht gebaut“, betont Köster, „wir haben gelagert.“ Fakt ist: Jenseits der aufgeständerten Solarmodule fehlt die Technik, um Strom zu erzeugen. Was sagt die Stadt Balve?
Die Stadt Balve
Bürgermeister Hubertus Mühling verweist im Gespräch mit der Westfalenpost darauf, der Kreis sei für die Baugenehmigung zuständig. Dass sie ausstehe, habe keine Auswirkungen auf die geplanten Beschlüsse der Kommunalpolitik zur Änderung des Flächennutzungs- wie Bebauungsplan. Der Ratsausschuss USB befasst sich damit am Dienstag, 12. März. Was meint der Kreis?
Der Märkische Kreis
Kreis-Sprecher Alexander Bange bestätigt auf Anfrage, eine Baugenehmigung liege bisher nicht vor. Er bestätigt zugleich, dass bisher keine Einsprüche eingegangen seien. Das gelte sowohl für Bau- wie Kommunalaufsicht des Kreises als auch für das städtische Bauleitplanverfahren: „Die Untere Bauaufsichtsbehörde prüft derzeit die nachträgliche Genehmigungsfähigkeit der PV, nicht deren Rückbau.“