Das Azubi-Projekt der Goldbäckerei Grote sorgt für Aufsehen – über die Stadt Balve hinaus. Nach SIHK-Handelsfrau Kirsten Deggim würdigte Ausbildungsexperte Özgür Gökçe vom Märkischen Arbeitgeberverband (MAV) die Initiative von sieben Grote-Lehrlingen, das City-Café in Balves bester Lage eine ganze Woche lang allein zu führen.
Kleine, eigenständige Einheiten mit Kundenkontakt wie im Bäcker-Handwerk seien in der Metall-und-Elektro-Industrie „eher selten“, erklärte Gökçe auf Anfrage der Westfalenpost. Grundsätzlich sei die Initiative aus dem Handwerk „begrüßenswert und interessant für Azubis“.
Hintergrund: Bei klassischen Mittelständlern mit durchschnittlich 150 bis 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seien Schicht-Planung und Produktionsprozess „etwas vielschichtiger“. Zudem stellen „Arbeitssicherheit sowie fachliche und disziplinarische Führung stellen eine besondere Herausforderung dar“.
Gökçe betonte, auch in der Industrie werde Auszubildenden an vielen Stellen Verantwortung übertragen: „In manchen Unternehmen beispielsweise betreiben sie die Social-Media-Redaktion zur Azubi-Ansprache selbstständig.“ Nicht nur das: „Während der Corona-Pandemie haben die Azubis in Mitgliedsbetrieben selbstständig wichtige Projekte umgesetzt, etwa die Produktion von Desinfektionsspendern. Auszubildende betreiben auch soziale Projekte. Sie arbeiten etwa während einer sozialen Woche in Pflegeeinrichtungen, Kindergärten und Tierheimen oder haben während der Pandemie einen Kantinenservice für Werksrentner eingerichtet.“ Schon „fast Standard“ sei es, den Auszubildenden am Ende der Ausbildung eigene Projekte für eine Abschlussarbeit zu übertragen.
Gökçe sieht die Förderung von eigenständig organisierten Projekten als wichtig an: „Verantwortung vermittelt Wertschätzung. Insgesamt lässt sich in den Betrieben der Trend beobachten, die jungen Leute möglichst früh in operative Prozesse zu integrieren.“
Am Ende sei selbstständig arbeitender Nachwuchs auch für die Unternehmen gut: „Der Fachkräftemangel legt das nahe und sorgt dafür, dass die Ausbildung interessanter wird und die jungen Menschen sich langfristig an das Unternehmen gebunden fühlen.“
Unterdessen hat Adelgunde Buchgeister, gemeinsam mit Julia Thunecke Ausbildungsleiterin bei Grote, erste Rückmeldungen aus dem Azubi-Café: „Das hat super geklappt.“ Das fange an bei der Selbstorganisation. Die Azubis müssen für ihr Café-Projekt früher aufstehen als sonst. Dazu kam mit einer Krankmeldung auch eine nicht planbare Herausforderung: nämlich die fürs Personal. Auch die Herausforderung habe das junge Team gemeistert. Es habe kurzfristig Ersatz aus der gesamten Azubi-Truppe organisiert.
Nur in einem einzigen Punkt hatte der Grote-Nachwuchs keine Chance. Beim Wintereinbruch am Mittwoch war Balve wie leergefegt.