Balve. Azubis werden Manager: eine ganze Woche lang. Von so etwas hat Kirsten Deggim noch nie gehört. Am Montag geht‘s in Balve los.

Kirsten Deggim war fast sprachlos. Von so etwas hatte die Einzelhandelsexpertin des Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) noch nie gehört. „Großartig!“, kommentierte sie ein Vorhaben der Goldbäckerei Grote. Sieben Ausbildende schmeißen eine ganze Woche lang den Laden. Dabei handelt es sich keineswegs um ein Märchen aus „1001 Nacht“ – die Geschichte ist wahr. Von Montag, 15. Januar, bis Freitag, 19. Januar, wird das „City-Café“ an der Hauptstraße in Balve zur Azubi-Filiale. Sieben Talente – fünf junge Damen und zwei Herren – bewerben ihre Aktion bereits seit längerem mit einem Flugblatt. Dort steht ein kecker Appell an die Kundschaft: „Fordern Sie uns heraus!“ Was haben die fantastischen Sieben vor?

Kirsten Deggim von der SIHK ist Einzelhandelsexpertin.
Kirsten Deggim von der SIHK ist Einzelhandelsexpertin. © WP | Klaus Görzel

Sie stellen sich, wie sie selbst schreiben, „der Herausforderung, eine Woche lang das ,City-Café‘ in Balve komplett allein zu organisieren und zu leiten“. Die sieben Nachwuchskräfte sind im ersten bis dritten Lehrjahr. Wie soll das funktionieren?

Ein Mann, eine Idee: Elias Tyrer
Ein Mann, eine Idee: Elias Tyrer © Balve | Sven Paul

Azubis als Manager: Die Aktion ist mit langer Hand vorbereitet, „seit Oktober ungefähr“. Das versichert Adelgunde Buchgeister. Sie ist, gemeinsam mit Julia Thunecke, zuständig für die Ausbildung der Fachkräfte von morgen. „Im September, Oktober hatte einer der Azubis die Idee zum Projekt.“ Elias Tyrer, unterstützt von Keith Wetzel, hatte die Idee eines Zwei-Tage-Projekt. Doch dabei hätten Aufwand und Nutzen in ungünstigem Verhältnis gestanden: Das war der Chef-Etage im Haus schnell klar. Bei einem längeren Zeitraum, bei einer Woche, hingegen hatte sie keine Bedenken; sie sieht, im Gegenteil, Erfolgschancen. „Die Azubis“, betont Adelgunde Buchgeister, „waren begeistert. Und der Chef war auch ganz begeistert von der Idee.“ Was passierte dann?

Die Azubi-Truppe im City-Café schmeißt den Laden: eine ganze Woche lang.
Die Azubi-Truppe im City-Café schmeißt den Laden: eine ganze Woche lang. © Balve | Sven Paul

„Dann haben wir das entwickelt und abgesprochen. Wir haben zusammen den Arbeitsplan aufgestellt. Wir haben sie nicht alleine gelassen.“ Das gilt unter anderem für eine Fahrbereitschaft: „Die Azubis haben noch keinen Führerschein.“

Aber: „Die Azubis haben alles vorbereitet. Sie haben Plakate gemacht, und die Flyer. Sie kümmern sich um die Logistik, und sie kümmern sich um die Theken. Sie wünschen eine Kunden-Reflexion; sie möchten hören, wie es geklappt hat.“

Immerhin ist die Aktion für die Goldbäckerei nichts weniger als eine Premiere in der Ausbildung. „Wir haben das bisher so gemacht, dass die Azubis mal einen Nachmittag lang allein waren“, erinnert sich Adelgunde Buchgeister. „Eine ganze Woche mit Planung – das haben wir noch nie gemacht.“ Gilt das auch für die Produkte?

Klar: Eine Bäckerei revolutioniert nicht für eine Aktionswoche ihr gesamtes Sortiment. Dennoch gaben Senior-Chef Charly Grote und sein Sohn Carl den Nachwuchstalenten in Teilbereichen freie Hans. Das Ergebnis ist ein für die Azubi-Woche designierte Berliner: die kulinarischen Klassiker des Karnevals. Ob Füllung oder Deko: Alles stammt aus Azubi-Hand.

Und das ist längst nicht alles. Die Auszubildenden wollen die Filiale auch selbst dekorieren.

Die beiden Ausbildungsleiterinnen haben sich bisher im Hintergrund gehalten. Sie sind aber allzeit bereit, sollte Hilfe nötig sein: „Wie es wird, weiß man ja erst, wenn es so weit ist. Wenn etwas schief läuft, biegen wir’s gerade.“ Aber was sagt die Einzelhandelsexpertin dazu?

Kirsten Deggim sieht das Vorhaben als außergewöhnlich an. Nach ihrer Erfahrung vertrauen selbst größere Unternehmen ihren Talenten bestenfalls Social-Media-Aktionen an: „Aber dass man den Azubis die volle Verantwortung überträgt – das sind eher die Ausnahmen.“ Kirsten Deggim sieht die Aktion bereits vor dem Start als beispielshaft: „Das sollte man einfach viel öfter machen: dass man Verantwortung in die Hände der Azubis liegt.“ Sie betont, es gehe nicht darum, den Nachwuchs mit Aufgaben zu überfordern. Vielmehr gehe es darum, mit derlei Vorhaben ein Signal an die nächste Generation auszusenden: „Jetzt seid Ihr mal dran.“