Beckum/Balve. Etliche Balver Nachtspeicher-Kunden von Eon stehen unter Strom. Was sagt der Konzern zu Kritik an hohen Abschlägen und schlechter Information?
Frieda Schulte verstand die Welt nicht mehr. Mitte August flatterte der betagten alleinstehenden Frau aus dem Balver Stadtgebiet ein Schreiben ihres Energieversorgers auf den Tisch. Darin war die Rede von einem deftigen Preisaufschlag für ihre elektrische Nachtspeicherheizung. Der alte Abschlag lag bei 200 Euro. Rechnerisch läge der neue Abschlag bei 519 Euro. Die Eon indes rief knapp 700 Euro auf. Ihren wirklichen Namen will Frieda Schulte nicht lesen. Sie schämt sich dafür, weil sie glaubt, sie komme künftig mit ihrer Rente von 1000 Euro im Monat nicht mehr hin.
Wechsel zum 1. Oktober
Der Reihe nach. Energieversorger Eon hat die Kundschaft des inzwischen nicht mehr bestehenden Unternehmens Deine Wärmeenergie zum 1. Oktober übernommen – und auch die Verträge. Eins zu eins, wie es hieß. Angekündigt wurde der Wechsel fristgerecht mit sechswöchigem Vorlauf. Ein weiteres Schreiben kam am 4. September – mit der Möglichkeit, den Vertrag zum 30. September zu kündigen. Die Post vom Energieversorger sorgte bei einem Teil der Kundschaft im Balver Stadtgebiet für einen Schock. Die freie Energievermittlerin Melanie Rose in Beckum kennt die Eon-Post: „Auf dem Angebot stand kein Preis, nur die alte Nummer der Wärmeenergie und keine neue Vertragsnummer der Eon – dazu ein QR-Code.“ Alternativ zum Online-Kontakt gab es lediglich die Möglichkeit, ein Call-Center des Strom-Riesen anzurufen. Doch statt Hilfe gab’s Frust. Warum?
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Die Eon-Vertragsnummer sei Voraussetzung für eine weitergehende Beratung gewesen, sagt Melanie Rose nach Gesprächen mit Betroffenen. Das sei noch nicht alles. Obendrein hätten Betroffene berichtet, dass ihnen als ehemalige „Deine Wärmeenergie“-Kunden am Telefon keine neuen Preise genannt worden sein. Zudem gab es offenbar buchstäblich ein Verständigungsproblem. Melanie Rose: „Kunden, die mit mir gesprochen haben, haben berichtet, dass die Eon-Mitarbeiter teilweise nur gebrochen Deutsch sprachen.“ Die Beratungsgespräche seien durchweg unfreundlich gewesen. Tenor: „Da müssen Sie halt durch.“ Bei der betroffenen Kundschaft habe sich ein Gefühl der Hilflosigkeit breit gemacht. Was sagt Eon dazu?
„Aufgrund des insgesamt gestiegenen Preisniveaus war es unvermeidlich, dass die betroffenen Heizstromsondertarife zum 1. Oktober 2023 preislich angepasst werden mussten. Für diese Kundinnen und Kunden mussten in den vergangenen Monaten zum hohen Preisniveau der Energiekrise künftige Energiemengen eingekauft werden“, hieß es aus der Pressestelle zur Preispolitik des Konzerns. Betroffen sei nur eine „sehr kleine Kundengruppe, die zum überwiegenden Teil bereits über sehr lange Zeiträume und insbesondere auch während der Hochphase der Energiekrise von sehr günstigen und stabilen Konditionen profitiert hatte“.
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Die Sicht von Eon wird von Fachleuten keineswegs einhellig geteilt. „Seit Jahresbeginn ist die Strompreisentwicklung an der europäischen Strombörse kontinuierlich rückläufig“, hieß es beim Fachportal „strom-report.com“ jüngst im Netz. Im September habe der Durchschnittspreis für eine Megawattstunde Strom im Großhandel nur noch bei einem Drittel des Vorjahreswertes gelegen. Dennoch verhalte sich der Markt uneinheitlich.
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Eon trug wenig zur Aufklärung von Privatkunden bei. Das gilt sogar für die Unternehmensantwort auf die Frage nach den Kundennummern: „Auf den vor dem 1. September versendeten Kundenanschreiben ist keine Eon-Kundennummer angegeben, da diese noch vor dem gesellschaftsrechtlichen Übergang der Kunden von der ,Deine Wärmeenergie’ versendet wurden“, hieß es. „Seit der Übertragung können Kunden bei Fragen selbstverständlich auch ihre alte Kundennummer von ,Deine Wärmeenergie’ angeben.“ Weiter hieß es, dass ein Vertrag zu einem alternativen Heizstrom-Angebot nur „online abzuschließen“ war. Internetfernen Kunden wird geraten, „sich von einer vertrauenswürdigen Person aus der Familie, dem Freundeskreis oder der Nachbarschaft unterstützen zu lassen.“
Marita Hill vom Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer in Menden sieht mit Blick auf die Eon-
Heizstromkundschaft überteuerte Tarife nicht als Hauptproblem. Einige Betroffene hätten sogar günstigere Angebote als bisher erhalten. „Was wir bestätigen können, ist die schwierige Kommunikation mit Eon. Telefonisch ist in der Regel keine Kommunikation möglich, auf Schreiben wird auch nach mehrmaligen Erinnerungen nicht reagiert. Die Beschränkung auf eine elektronische Kommunikation über einen QR-Code halte ich für sehr problematisch.“ Das sei für internetferne Menschen „eine nicht zu überwindende Schranke“. Und nun?
Verbraucher können „Einfluss auf die Entwicklung ihrer Strompreise nehmen“, meint „strom-report.com“. Ein Wechsel zu einem Alternativanbieter biete derzeit ein Sparpotenzial von 35 Prozent. Melanie Rose weiß, wie’s geht (0151-70124290).