Balve. Fachkräfte sind rar. In Balve bereiten sich hoch qualifizierte Ukrainerinnen auf den Arbeitsmarkt vor. Doch der Weg ist hart. Die Frauen kämpfen.

Sie könnten strahlen. Sie hätten Grund dazu. Drei Frauen aus der Ukraine haben, wie so viele andere, ihren deutschen Sprachkurs bestanden. Ihnen wird B-1-Niveau bescheinigt. Die Drei, die ihren wirklichen Namen nicht lesen wollen, können sich gut verständigen. Olena und Kateryna, beide um die 30, und Mascha, um die 50, haben als Erwachsene verblüffend schnell Deutsch gelernt – schneller als manches Mädchen, mancher Junge. „Ich spreche besser als meine beiden Kinder“, sagt Kateryna. Sie liefert eine Erklärung dafür: „Ukrainische Kinder suchen sich auf dem Schulhof Kinder, die auch Ukrainisch oder zumindest Russisch sprechen.“ Olena, Kateryna und Mascha – sie könnten stolz sein auf das Erreichte. Doch für sie fühlt sich das Leben oft wie im Wartesaal an. Denn der erfolgreiche Kursbesuch ist nicht das Ende von Integration – es ist erst der Anfang.

Die beruflichen Qualifikationen

Olena war in ihrer Heimat Verkaufsmanagerin, Kateryna Ingenieurin für Klima und Lüftung, Mascha Prokuristin. Die drei Frauen wollen in Deutschland bleiben, arbeiten, ein normales Leben führen. Ihr Ziel ist klar. Doch der Weg dahin ist lang und kurvenreich.

Die Dokumente

Mag sein, dass Bürokratie in Deutschland nicht erfunden wurde, aber in Deutschland wurde sie perfektioniert. Olena, Kateryna und Mascha haben schnell gelernt, für nahezu jeden Lebensbereich Dokumente vorzulegen – etwa den Nachweis, erfolgreich an einem Erste-Hilfe-Kurs teilgenommen zu haben. Olena ist klar geworden, dass sie ihn braucht, um in absehbarer Zeit einen deutschen Führerschein beantragen zu können. „Im nächsten Jahr müssen wir das machen“, weiß Olena. Sie will den Kurs schnellstmöglich absolvieren. Aus gutem Grund: Olena hat im Umgang mit deutschen Amtsstuben gelernt, „dass alles nicht so schnell geht“.

Die Mobilität

Mobilität ist aber wichtig. Weiterführende Kurse für das B-2-Niveau finden in Iserlohn statt. Die Luftlinie beträgt 12,5 Kilometer. Doch für diejenigen, die kein Auto besitzen, ist eine Tour nach Iserlohn eine Weltreise. „Für eine Strecke brauchen wir zwei Stunden“, stellt Kateryna ernüchtert fest. Alternativen sind rar – und ebenfalls weit entfernt, in Menden etwa oder in Unna. Das beschert ihr Zeitdruck, denn daheim warten ihre Kinder.

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Kateryna, Olena und Mascha, allesamt aus Großstädten, spüren wie schwierig es ist, auf dem Land auf Bus und Bahn angewiesen zu sein. Presbyterin Jutta Wilmes kennt das Problem. Sie betreut das Flüchtlingscafé der Evangelischen Gemeinde seit seiner Gründung im März vorigen Jahres. Jutta Wilmes weiß, dass Flüchtlinge in einem Ort mit Bahnstation gut dran sind. Wer aber weitab der Hönnetalbahn lebe, ob in Mellen oder , müsse Fußmärsche oder Fahrradtouren in Kauf nehmen. Selbst wer, wie Kateryna, in Bahnhofsnähe lebt, muss sich auf – wie es im Deutsche-Bahn-Sprech heißt – Störungen im Betriebsablauf einstellen. „Mal fahren die Züge gar nicht“, hat Kateryna erlebt, „mal sind sie so voll besetzt, dass sie durchfahren. Sie fahren nur einmal in der Stunde, und im Winter wird einem beim Warten richtig kalt.“

Die Call-Center

Kalt erwischt werden die drei Ukrainerinnen immer wieder, wenn sie – trotz erkennbar guter Deutsch-Kenntnisse – mit Call-Centern von Energieriesen und Telekommunikationskonzernen sprechen müssen. In B-2-Kursen werden keine technischen Fachbegriffe vermittelt. Das hat zur Folge, dass die Ukrainerinnen für manches Anliegen mehrfach zum Smartphone greifen müssen, buchstäblich in der Hoffnung, verstanden zu werden. Da sind die schier endlosen Warteschleifen in den Hotlines noch das geringste Übel.

Die Chancen

Doch Olena, Kateryna und Mascha haben bisher schon eine bemerkenswerte Ausdauer bewiesen, um in Deutschland anzukommen. Derweil arbeiten sie daran, möglichst schnell in den Arbeitsmarkt zu kommen – ein Zitterspiel ­zwischen Hoffen und Bangen. Warum?

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„Ich bin Ingenieurin von Beruf“, sagt Kateryna, „und ich möchte in Deutschland auch als Ingenieurin arbeiten.“ Olena fürchtet: „Das ist nicht so einfach. Wir müssen mit Deutschen konkurrieren.“ Olena glaubt, sie sei in derlei Situationen im Nachteil. Kateryna und Mascha nicken. Presbyterin Jutta Wilmes indes macht Hoffnung. Sie verweist auf den Generationen-Wechsel, auf den Fachkräftemangel. Fest steht: Die Ukrainerinnen haben Beratungsbedarf. Fest steht auch: Die drei Frauen geben nicht auf. Olena: „Wir sind jetzt seit anderthalb Jahren da. Wir müssen viel lernen. Aber wir müssen das machen.“