Balve. Der Ukraine-Krieg findet kein Ende, die Zahl der Geflüchteten steigt - auch in Balve. Jetzt schafft die Stadt zusätzlichen Wohnraum.
Die Hilfe kam spontan. Damals, Anfang März, war der Ukraine-Krieg gerade mal ein paar Tage alt. Die Not der Opfer von Russlands Angriffskrieg war offensichtlich, sie bedrückte, sie berührte, und in einem beispiellosen Akt der Hilfsbereitschaft organisierten Balver Schützen, heimische Unternehmer und ungezählte Ehrenamtler einen Konvoi der Nächstenliebe mit haltbarer Nahrung, Toilettenartikeln und, wichtiger noch, Arznei für Menschen rund um die Stadt Winnyzja im Westen der Ukraine. Spontan brachte das Fahrerteam Menschen aus Kriegsgebieten mit ins Sauerland – und damit in Sicherheit. Im Hönnetal wurden die Menschen – meist Mütter mit Kindern – vorwiegend privat untergebracht. Inzwischen dauert der Krieg fünfeinhalb Monate, und ein Ende scheint nicht in Sicht. Was nun?
+++ BALVER SCHÜTZEN HELFEN MENSCHEN AUS UKRAINE +++
Die Zahl der Geflüchteten im Stadtgebiet wächst. Vor den Sommerferien waren es 90, wie Rathaus-Vize Michael Bathe, im Haus unter anderem für Soziales zuständig, im Ratsausschuss ESDS angab. Inzwischen seien es 113, wie er im Gespräch mit der Westfalenpost sagte. „Wir erwarten, dass diese Zahl kontinuierlich wächst“, schätzte Bathe die weitere Entwicklung ein. Unterm Strich gebe es mehr Zuzügler als Rückkehrer.
Viele Zuzüge, wenige Rückkehrer
Die Wege, wie die Neuankömmlinge aus der Ukraine nach Balve kommen, haben sich allerdings zwischenzeitlich geändert. „Die privaten Zuzüge nehmen ab. Es sind allenfalls ein paar Familienangehörige, die nachkommen. Stattdessen wächst die Zahl der Geflüchteten durch Zuweisungen der Bezirksregierung“, stellte Bathe fest. Die Größenordnungen hängen von einem Verteilschlüssel ab. Die Bezirksregierungen sollen dabei berücksichtigen, wie viele Geflüchtete eine Kommune wie Balve bereits aufgenommen hat.
Zugleich nahm die Bereitschaft in der Bevölkerung, Menschen aus der Ukraine privat zu beherbergen, mit fortschreitender Dauer des Krieges ab. „Das kann ich auch verstehen“, erklärte Bathe. Inzwischen fängt städtisches Engagement da an, wo private Hilfsbereitschaft aufhört.
Die Stadtverwaltung hatte bereits vor den Sommerferien Andeutungen gemacht, dass leerstehende Räume der Hauptschule Balve ein Teil der Lösung des Problems sein könnten. Inzwischen hat die Verwaltungsspitze sich dafür entschieden, den Sonderklassentrakt in Appartements für Geflüchtete umzubauen.
+++ SPENDEN FÜR UKRAINER: FREUDE UND ANGST +++
Die Stadt Balve hat zunächst geprüft, ob die Flüchtlingsunterkünfte in der Helle und am Langenloh noch freien Wohnraum haben. Fehlanzeige: „Da sind alle Räume belegt“, stellte Bathe fest. Eine größere Einheit musste her, am besten ein leerstehendes Gebäude ohne fundamentalen Sanierungsbedarf. Da kam der Sonderklassentrakt ins Gespräch, der einst für naturwissenschaftlichen Unterricht genutzt wurde. Der eigentliche Klassentrakt ist vom Team des kommunalen Corona-Zentrums belegt, „und das bleibt auch so“, wie Bathe betonte.
„Wir sind im Moment dabei, die Räume zu entrümpeln“, sagte Bathe, „und wollen sie herrichten.“ Die Arbeiten sollen fix erledigt werden. Mini-Appartements sind geplant, mit Küche und Gemeinschaftsraum, Marke Studentenwohnheim.
Deutschkurse nebenan
In das Konzept wird auch der ehemalige Verwaltungstrakt der Schule einbezogen. „Wir sind dabei, eine Nutzungsänderung zu beantragen“, kündigte Bathe an. Dort sollen künftig die Deutschkurse für die Neuen stattfinden. Die Stadt Balve setzt auf eine Fortsetzung mit dem heimischen Bündnis für Flüchtlinge um Engelbert Falke.
+++ BALVER KONVOI DER NÄCHSTENLIEBE +++
„Wir gehen davon aus, dass wir Ende dieses Monats, Anfang nächsten Monats die ersten Flüchtlinge unterbringen können.“ Kosten liegen im oberen fünfstelligen Bereich.
Parallel stellt sich die Frage, wie die vier Schulen – drei Grundschulen plus Realschule – ukrainische Kinder in die Klassengemeinschaften und das deutsche Unterrichtssystem integrieren können. „Da sprechen wir gerade mit den Schulleitungen drüber“, sagte Bathe. Ein Teil der Gespräche sei bereits vor den Sommerferien gelaufen. Stadt und Schulen haben künftig nicht weniger als drei „Herausforderungen“ zu meistern. Neben der Lage der Geflüchteten sind es der Corona-Herbst und die Energie-Krise.