Balve. Ein Jahr nach der Jahrhundertflut vom 14. Juli 2021. Wie schützt sich Balve vor künftigen Katastrophen? Bürgermeister Hubertus Mühling sagt es.

Es fühlt sich an, als wäre nichts gewesen, damals vor fast genau einem Jahr. Im Gegenteil: Die Hönne ist zum Rinnsal geschrumpft. Mehr noch: In Binolen, bei Haus Recke, ist die Hönne scheinbar trocken gefallen. Eine natürliche Kalkschwinde sorgt dafür, dass das Wasser dieser Tage lediglich unterirdisch fließt.

Am 14. Juli vorigen Jahres denkt niemand an eine Kalkschwinde. Die Flussauen können gar nicht groß genug sein, um die Wassermassen zu fassen, die binnen 24 Stunden herniedergeregnet sind.

Balves Bürgermeister Hubertus Mühling (links), Feuerwehrchef Frank Busche
Balves Bürgermeister Hubertus Mühling (links), Feuerwehrchef Frank Busche © WP | jürgen overkott

Bürgermeister Hubertus Mühling ist damals im Urlaub am Bodensee, die Sonne scheint. „Ich habe natürlich Fernsehen und Radio verfolgt“, erzählt er der Westfalenpost, „und von Unwettern in Nordrhein-Westfalen gehört. Mittags um zwei habe ich Frank Busche angerufen, um mal nachzuhören, wie die Lage aussieht.“ An die Antwort des Feuerwehrchefs erinnert sich Hubertus Mühling genau: „Wir sind hier am Sandsäcke-Packen.“

+++ DIE GROSSE FLUT: BALVES BÜRGERMEISTER ERSTATTET RAPPORT +++

Es ist der Beginn eines verhängnisvollen Nachmittages. Bis zum späten Abend fallen in Balve 137,4 Liter Regen pro Quadratmeter. Das ist das Anderthalbfache des gewohnten Monatssolls im Juli.

Am nächsten Morgen bricht der Bürgermeister seinen Urlaub ab und düst zurück. Schon im Lennetal bei Altena und dann daheim – bietet sich ihm ein Bild des Schreckens. Schäden an kommunalen Gebäuden halten sich in Grenzen, im Rathaus, in der Feuerwehrwache, einzig die Hauptschule ist geflutet. Privathaushalte trifft’s härter.

Bürger helfen sich gegenseitig

Das Pfarrarchiv St, Blasius, damals noch in der Alten Hospitalstraße, steht unter Wasser. Helfer sind schnell gefunden, darunter Dechant Andreas Schulte.
Das Pfarrarchiv St, Blasius, damals noch in der Alten Hospitalstraße, steht unter Wasser. Helfer sind schnell gefunden, darunter Dechant Andreas Schulte. © WP | Sven Paul

Die Zusammenarbeit öffentlicher Einrichtungen und privater Verbände läuft noch besser als ohnehin erwartet. „Der Katastrophenschutz funktioniert hier gut“, stellt Hubertus Mühling im Rückblick fest. „Wir haben einen Krisenstab im Rathaus gehabt, zusätzlich zum Krisenstab der Feuerwehr. Im Rathaus ging es um die Rettung der Innenstadt, um die Information der Anwohner, um deren Evakuierung, um die Hauptsicherungen, nachdem das Wasser wieder weg war.“ Der Blick nach vorn: „Wir haben festgestellt, dass wir da noch etwas strukturierter arbeiten müssen. Da sind wir schon bei, in Kopplung mit dem Krisenstab der Feuerwehr. Wir haben schon Schulungen gemacht.“

podcast-image

Schule könnte auch das Bürger-Engagement machen. Nachbarschaftshilfe sorgt für umgehende Schadensbegrenzung.

Der Balver Berthold Camminady musste sein Haus nach dem Jahrhundert-Hochwasser kernsanieren.
Der Balver Berthold Camminady musste sein Haus nach dem Jahrhundert-Hochwasser kernsanieren. © Berthold Camminady

Dennoch muss die öffentliche Hand helfen, und sie hilft. Bürgermeister Mühling zieht Bilanz: Insgesamt drei Millionen Euro sind inzwischen geflossen. 200.000 Euro kommen „aus Balve für Balve“. „Das Geld haben wir als Soforthilfe umgehend ausgezahlt, ganz unbürokratisch, gemeinsam mit der Caritas, mit dem früheren Landrat Thomas Gemke haben wir eine Clusterung vorgenommen, wer wie stark von der Flut betroffen war.“ Damit nicht genug: 174.000 Euro Soforthilfe des Landes gehen an insgesamt 80 Antragsteller, 95.000 Euro gewerbliche Soforthilfe an insgesamt 19 Unternehmer. 1.075.000 Euro Hilfe zahlt NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, rund eine Million Zuschuss zur Sanierung von Waldwirtschaftswegen nicht gerechnet.

Karten öffentlich verfügbar

Ende der Geschichte? Keineswegs. Beendet ist gerade mal das erste Kapitel. Bürgermeister Mühling kämpft seit dem großen Aufräumen gegen die – wie er gern sagt – verbreitete „Hochwasser-Demenz“, die bereits frühere Generationen dazu verleitet hat, Fehler gleich mehrfach zu machen. Das soll künftig anders, künftig besser werden.

+++ FELIX UND FRANK BUTTERWECK - ZWEI BALVER HELFEN IN DER NOT +++

Der Märkische Kreis arbeitet mit Bund und Land sowie mit den Städten an einer dauerhaften Lösung. „Es wird ein Starkregenmodell geben für alle Städte“, kündigt Hubertus Mühling an. „Das gibt es schon vom Bund. Der Kreis wird das für die Städte verfeinern.“ Außerdem wird die Hochwasser-Gefahrenkarte weiter verbessert. Das Material soll öffentlich zugänglich sein.

Hochwasser-Gefahrenkarte der Bezirksregierung Arnsberg zeigt bisher zu erwartende Höchststände
Hochwasser-Gefahrenkarte der Bezirksregierung Arnsberg zeigt bisher zu erwartende Höchststände © Bezirksregierung arnsberg

Zudem will die Stadt Balve Retentionsräume vor Balve und vor Volkringhausen schaffen, um Wohn- und Gewerbegebiete zu schützen. Hochwasserschutz soll es auch an den Hönne-Zuflüssen Garbach, Borke und Wellingse geben: „Das ist für uns ganz neu. Da gibt es bisher noch nichts.“ Der Rathaus-Chef hofft, in sieben Jahren Ergebnisse vorzeigen zu können.

+++ BALVE SOLL EVAKUIERT WERDEN - DOCH DANN KOMMT ALLES ANDERS +++

Bei aller Daseinsvorsorge sieht der Bürgermeister auch Privatleute in der Verantwortung: Wer in einem Risikogebiet baut, sollte stets an den Hochwasserschutz denken.