Balve. Der Vortrag über Maria 2.0 und Reformen in der Kirche stieß auf ein riesiges Interesse. Die Gäste des Kolpingforums Balve wollten reden.
Ein Thema mit Sprengkraft: die Krise der katholischen Kirche stand am Montagabend im Blickpunkt des Kolpingforums. Autorin Maria Hagenschneider hatte eine beeindruckende persönliche Geschichte mitgebracht und berichtete von den Entwicklungen rund um die innerkirchliche Reformbewegung Maria 2.0. Das Interesse war – angesichts der Corona-Regeln – erstaunlich groß. Zudem zeigten sich auch die mehr als 50 Zuhörerinnen und Zuhörer meinungsfreudig.
„Überwältigt von der Fülle an Interesse“ zeigte sich Referentin Maria Hagenschneider. Bei Engelbert Falke von der Balver Kolpingsfamilie bedankte sie sich für seine Beharrlichkeit, die diese Veranstaltung nach mehrfacher corona-bedingter Verschiebung möglich gemacht habe. Beim Überprüfen der Technik im Saal auf Funktionstüchtigkeit gab Hagenschneider selber den Ton vor für ihren folgenden Vortrag: „Ich habe zwar eine zarte Stimme, bin aber ziemlich stark.“
+++ MISSBRAUCH: DAS SAGT PASTORALVERBUND BALVE-HÖNNETAL +++
Und so beeindruckte die heute in Hamm lebende, im Südsauerland in einer sehr katholisch geprägten Familie und Umgebung groß gewordene Frau die Zuhörer mit ihrer Lebensgeschichte. Zunächst wurde sie Gemeindereferentin, lernte dann einen katholischen Priester kennen und lieben, schließlich heirateten die beiden. „Wir sind dann in der Kirche nicht mehr willkommen gewesen“, berichtete sie. Ihr Mann verstarb vor gut zehn Jahren, Hagenschneider fand einen Weg zurück in die Kirche und zum ehrenamtlichen Engagement in der Gemeinde, ohne dass sie vorherige Verletzungen vergeben oder vergessen wollte. Das führte sie schließlich zu der Graswurzelbewegung Maria 2.0, die unter anderem eine Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche, wie etwa einen Zugang zum Weiheamt, Aufhebung des Pflichtzölibats oder eine Verbesserung der Situation Geschiedener fordert. Prägende Erlebnisse erzählt Hagenschneider auch in ihren beiden zwei Büchern.
Austritt für Referentin keine Option
Wohl noch erschütternder für das Vertrauen in die Institution sind die Missbrauchsvorfälle, deren versuchte Vertuschungen zuletzt wieder für einen Aufschrei und weitere Austrittswellen sorgten. Hagenschneider hielt gegen: „Ein stillschweigender Austritt ist für uns keine Option.“ Man wolle von innen heraus etwas ändern – obwohl es auch innerhalb von Maria 2.0 Frauen gebe, die aus der Kirche ausgetreten seien. Mit besonderen Gottesdienstformen und anderen religiösen Angeboten sei die Gruppe aber weiter in vielen Orten Deutschlands aktiv, auch in ihrem Wohnort Hamm. Sehr erfreut zeigte sich Maria Hagenschneider auch über den Austausch und die Ergebnisse der jüngsten Konferenz zum synodalen Weg. Das Engagement der Frauengemeinschaft Kfd, der sie sich sehr verbunden fühlt, hat Hagenschneider begeistert – auch der Einsatz mancher Bischöfe.
+++++ KOMMENTAR: KLARE WORTE WAREN ÜBERFÄLLIG +++
Aber wird das reichen, um ein Schrumpfung der Kirche etwa durch vermehrte Austritte zu verhindern? Die Teilnehmer des Kolpingforums, einige Haupt- wie Ehrenamtliche aus dem Pastoralverbund darunter, zeigten sich meinungsfreudig. Heinz Rapp meinte zur aktuellen Krise: „Das hat vielleicht die Sprengkraft zu einem weiteren Schisma, also einer neuen Spaltung.“ Referentin Hagenschneider, die selber betonte, auf viele Themen mehr Fragen als eigene Antworten zu haben, dazu: „Zumindest bei uns in Deutschland ist die Situation sehr angespannt.“ Immer wieder wurde die Frage gestellt, warum die Frauen - und damit ja immerhin die Hälfte der Gläubigen - noch nicht ausreichend laut ihre Stimme erheben und Veränderungen einfordern, vielleicht aus jahrhundertelang eingeübten Mustern der Unterordnung unter die Männer in der Kirchenhierarchie nicht ausbrechen. Einen Kirchen- und Gottesdienststreik hatte Maria 2.0 kurz nach der Gründung ja bereits initiiert. Die Ursachenforschung von Engelbert Falke („Die alten Männer wollen ihre Macht nicht abgeben“) wollte Maria Hagenschneider nicht komplett stehen lassen: Es gebe tolle Priester und Seelsorger.
Reformbestrebungen vor Ort
Dann ging es auch noch um die Jugend. Dechant Andreas Schulte stellte die Frage, ob man denn wieder volle Kirchen erleben würde, wenn man alle geforderten Veränderungen umsetze. Er beobachte, dass auch Menschen, die austreten, gläubig und christlich bleiben. Seine Hoffnung: „Unsere Botschaft, das Evangelium, bleibt doch eine gute Möglichkeit, im Leben glücklich zu werden.“ So stellte sich abschließend die Frage, wie man selber am Ort Reformbestrebungen vorantreiben kann.
+++ PRÄSENZGOTTESDIENSTE IM PASTORALVERBUND: ZWEIGLEISIGE LÖSUNG +++
Maria Hagenschneider nannte die vielen Gruppen in den einzelnen Gemeinden, nicht nur Maria 2.0, auch die Kfd setzte sich seit Jahren für Änderungen ein. Engelbert Falke sagte durchaus optimistisch, dass sicher noch nicht alle die Hoffnung auf eine gute Zukunft der Kirche aufgegeben hätten: „Wenn wir nicht alle dabei bleiben wollen, wären wir ja heute nicht hier.“