Balve. Ein Balver (46) stalkte eine Frau mit Mails. Das gab er vor dem Amtsgericht Menden zu. Dennoch überrascht dessen Entscheidung.
Seine Avancen blieben unerwidert. Dennoch hielt das einen Balver nicht davon ab, einer ehemaligen Arbeitskollegin immer wieder eindeutige Mails zu schreiben, über Hundert waren es schließlich. Das brachte den Mann nun wegen Nachstellung vor Gericht.
Dabei hatte er die Reaktion der Frau offenbar richtig gedeutet. „Keine Antwort heißt wohl kein Interesse“, schrieb er ihr in einer Mail. Denn die Adressatin meldete sich auf die zahlreichen Nachrichten ihres Verehrers einfach nicht mehr zurück.
Der Balver, inzwischen 46, machte trotzdem weiter. Begonnen hatte seine Kontaktaufnahme im März 2019. Vorher war die Frau seine Arbeitskollegin, hatte nun aber die Stelle gewechselt und war umgezogen. Sie lebte einige Stunden von Balve entfernt, wie sie dem Mann zunächst auch mitteilte. Sie schrieb weiter, dass ihr die Avancen des Mannes durchaus schmeicheln würden, sie an einem näheren Kontakt oder etwa an einem Treffen aber kein Interesse hätte. Die Frau schrieb das in einem höflichen, aber klaren Ton an den Mann, wie es nun vor dem Mendener Amtsgericht aus dem Schriftverkehr der beiden vorgelesen wurde. Zudem sei sie in einer Beziehung, hieß es weiter.
+++ SO BEHINDERT CORONA DAS AMTSGERICHT MENDEN +++
Aber der Balver ließ nicht nach. Obwohl er keine Antworten mehr bekam, schrieb er regelmäßig elektronische Nachrichten. Zwischen März 2019 und Januar 2021 waren es schließlich 157 Mails. Die Frau erstattete schließlich Strafanzeige wegen Nachstellung. Auch, weil der frühere Arbeitskollege in seinen Texten immer expliziter wurde, sich etwa Nacktbilder von ihr wünschte.
Ein dicker Ordner all dieser Nachrichten füllte die Akte für das jetzige Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Menden. Für die juristische Bewertung der Vorwürfe war auch zu klären, ob das mutmaßliche Opfer eindeutige Signale gesendet hatte, der Mann solle aufhören in seiner Kontaktaufnahme. Die Vorsitzende Richterin las dafür ausgewählte Nachrichten vor und schlussfolgerte, verschlüsselt und juristisch ausgedrückt: „Ich würde dem schon die Bedeutung eines eindeutigen Korbes beimessen.“
+++ AMTSGERICHT MENDEN: DAS „TERRORHAUS“ IN BALVE +++
Der Angeklagte hätte also mit seinen Nachrichten aufhören müssen. Was er aber nicht tat, wie er über seinen Verteidiger auch einräumen ließ. Alles, was ihm vorgeworfen werde, sei auch so passiert. Dieses Geständnis ersparte auch seinem Opfer eine Aussage vor Gericht. Die Frau hatte sich zuvor schriftlich bei der Polizei geäußert, was in der Verhandlung nur noch vorgelesen wurde. Dabei ging es etwa um die Folgen der Nachstellung. „Ich hatte Angst, auf die Straße zu gehen“, schrieb sie. Sie sei etwa zusammengezuckt, wenn sie irgendwo im Gebüsch oder im Wald beim Spaziergang etwas rascheln hörte. Sie befürchtete, der Mann könne ihr irgendwo auflauern. Zu einem Zusammentreffen kam es nicht mehr. Die Mailadresse des Angeklagten habe die Frau schließlich blockiert.
+++ JUSTIZ ZOG VON BALVE NACH MENDEN UM +++
Somit standen die angeklagten Taten der Nachstellung zwar fest. Verurteilt wurde der 46-jährige Balver trotzdem nicht. Grund ist, dass das Gericht eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Taten – immerhin ein Zeitraum von fast zwei Jahren – erkannte. Der Mann hatte selber ein psychologisches Gutachten für die Gerichtsverhandlung beantragt. Und dieses bescheinigte ihm gravierende Probleme, welche der Grund seien, dass er das Unrecht seiner Taten damals nicht habe erkennen können.
Öffentlichkeit ausgeschlossen
Die Darstellung durch den Gutachter fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, wie vom Beschuldigten beantragt. Er wollte den detaillierten Einblick in seine Privatsphäre und seinen gesundheitlichen Zustand nicht vor der Öffentlichkeit vornehmen lassen. Da er durch das Geständnis die eigentliche Tat aufklären half, war das auch Sicht des Gerichts auch in Ordnung. Und weil das Gutachten eben eindeutig ausfiel, blieb auch kein anderes Urteil möglich als der Freispruch.