Balve. Vor 50 Jahren schloss das Amtsgericht Balve. Gerichtsangelegenheiten werden seitdem vom Amtsgericht Menden erledigt. Rudolf Rath erinnert sich.

Alten Balvern versetzt das Jubiläum einen Stich ins Herz. Es markiert nämlich nichts weniger als ein Stück Bedeutungsverlust der stolzen Festungsstadt. Vor gut 50 Jahren schloss das Amtsgericht Balve. Was Balve verlor, gewann Menden.

Seit mehr als 50 Jahren, nämlich seit 1969, muss Balve ohne eigenes Amtsgericht auskommen. „Ein Jubiläum, das aber niemand gefeiert hat“, stellte Rudolf Rath nüchtern fest. Er jedoch hatte das Ereignis im Blick. Immerhin ist er ehrenamtlicher Leiter des Pfarrarchivs der katholischen St.-Blasius-Gemeinde.

Gerichtsangelegenheiten werden seitdem vom Amtsgericht Menden erledigt. Der Gerichtsbezirk umfasst beide Hönnestädte.

Das Amtsgericht Balve fiel 1969 einer Justiz-Reform der Landesregierung in Düsseldorf zum Opfer. Begründung: „Ebenso wie die allgemeinen Lebensverhältnisse differenzierter geworden sind, haben auch die gesetzlichen Regelungen einen komplizierteren und vielfältigeren Charakter gewonnen. Angesichts des breiten sachlichen Zuständigkeitsbereiches der Amtsgerichte zwingt diese Entwicklung dazu, auch dem Amtsrichter die Möglichkeit zu geben, sich auf bestimmte Sachgebiete zu spezialisieren.“

Protest aus Politik und Kultur

Die Reform stieß keineswegs auf ungeteilte Begeisterung. Kommunalpolitik und Kultur diskutierten kritisch, protestierten in Düsseldorf. Verhindern konnten sie die Entscheidung der Landesregierung nicht. „So verlagerten Beamte und Angestellte zwangsläufig ihre Arbeitsunterlagen zu laufenden Verfahren an ihre neuen Arbeitsplätze bei den Amtsgerichten in Menden und Arnsberg“, notierte Rudolf Rath.

Eine mildere Sicht der Dinge

In der 2005 veröffentlichten Version des überarbeiteten Pütter-Buches klingt die Sicht auf den Verlust des Amtsgerichtes versöhnlicher: „Heute steht der Bevölkerung ein modernes Gerichtsgebäude mit gut ausgebildetem Personal mit digitaler Technik zur Verfügung. Das Gerichtsgebäude ist behindertengerecht, mit einer Aufzugsanlage und einer Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich ausgestattet.“ Mitarbeiter seien bemüht, ihre Amtsgeschäfte zügig und sachgerecht zu erledigen.

Balver müssen seit dem 1. Juli jenes Jahres für Rechtsstreitigkeiten nach Menden pilgern, Sunderaner nach Arnsberg. Das gilt für Strafgerichtsprozesse und Zivilgerichtsverfahren wie für Notariats-, Testaments- und Vormundschaftsangelegenheiten sowie Grundbucheintragungen und Vereinsregistereintragungen.

„Zwar steht noch das letzte Amtsgerichtsgebäude an der Hönnetalstraße 2. Gefängniszellen erinnern mit ihren vergitterten Fenstern an frühere Zwangsunterbringungen, die allerdings in Balve immer nur von kurzer Dauer sein konnten“, meint Rudolf Rath. Kurzarreste, aber auch Ausnüchterungen waren da als Zwangsmittel nötig. „Der Wachtmeister stellte die Beaufsichtigung und Verpflegung der Insassen sicher.“

Nach Schließung des Amtsgerichtes wurde es 1970 an Privatleute verkauft. Damit änderten sich die Charakter der Besuche grundlegend. Vor 1970 war mancher Aufenthalt im Gebäude erzwungen. Danach war er stets freiwillig. Eine Imbissstube lockte, später auch das „Antikcafé“, „mit einer weitaus freundlicheren Bedienung“.

Geschichte der Rechtsprechung

Die Geschichte der Rechtsprechung in Balve reicht weit zurück. Josef Pütter hat sie 1965 aufgeschrieben – im Buch „Sauerländisches Grenzland im Wandel der Zeit“. Justiz in Balve begann mit den Freigerichten, der Gerichtshoheit der jeweiligen Grafen im 14. Jahrhundert. In neuerer Zeit wurde bis 1832 im Rathaus Recht gesprochen. Danach folgten bis 1839 und dann wieder von 1879 bis 1884 Gerichtsverfahren im Eckhaus Alte Gerichtsstraße/Hoffmeisterstraße. Das Gebäude befindet sich heute im Eigentum von Adalbert Allhoff-Cramer. Eine Bronzetafel der Heimwacht Balve an der nördlichen Außenwand informiert: „Altes Gericht. Als Wohnhaus 1808 erbaut und als Gerichtsgebäude genutzt“. Der Straßenname erinnert an die Historie des Fachwerkhauses. Die Arresteinrichtungen sind im Haus erhalten. 1884 zog die Gerichtsverwaltung in das neue Amtsgerichtshaus an der Hönnetalstraße.

Das Gebäude hatte die Gemeinde Balve errichten lassen. Hans Gemke urteilte ab 1961 als Balves letzter Amtsrichter. Rudolf Rath: „Von seinen Vorgängern erinnere ich mich an Amtsgerichtsrat Theodor Börger (bis 1957, dann im Ruhestand) sowie dessen Nachfolger Dr. Hermann Spindelmann (bis 1961, danach Amtsgerichtsdirektor in Arnsberg). Amtsgerichtsrat Gemke, später Amtsgerichtsdirektor, entschied in Menden über Verklagte in Zivilgerichtsverfahren beziehungsweise Angeklagte in Strafgerichtsverfahren aus dem Amt Balve.“

Dann, 1969, war alles vorbei. Balver beklagten Verlust des Amtsgerichtes lange. Das Recht, so haderten sie, sei buchstäblich auf der langen Strecke nach Menden geblieben.