Balve/Neuenrade. Wie geht’s der Wirtschaft in Balve und Neuenrade? Die Sparkasse stellt eine positive „Diagnose Mittelstand“. Doch ein Thema sorgt für Zorn.

Die Stimmung war entspannt. Kein Wunder, die „Diagnose Mittelstand“ von Sparkassen-Vorstand Mike Kernig und dem heimischen Firmenkunden-Experten Ralf Neumann fällt für die Wirtschaft in der Region günstig aus. 95 Prozent der Unternehmen aus dem Einzugsbereich der Vereinigten Sparkasse im Märkischen Kreis schreibt schwarze Zahlen. Doch bei einem Thema werden die beiden Banker energisch.

Langenholthausen,  Maisernte: Düngemittel werden teurer. 
Langenholthausen,  Maisernte: Düngemittel werden teurer.  © WP | Jürgen Overkott

Das A-45-Desaster mit der langfristig gesperrten Autobahnbrücke bei Lüdenscheid blockiert die heimische Wirtschaft genauso sehr wie ein quer liegendes Containerschiff im Suezkanal den weltweiten Warenverkehr: So sieht es Neumann. Für Kernig ergibt sich daraus als zwingende Konsequenz: „Wir müssen richtig Gas geben. Das muss so schnell wie möglich und so unbürokratisch wie möglich erfolgen. Da setze ich, wie sämtliche Unternehmen in der Region, auf die Bundesregierung, die auf ihre Worte Taten folgen lassen muss.“ Für Kernig ist klar, dass ein schneller Neubau der Rahmede-Talbrücke „keine Frage des Geldes, sondern eine Frage des Wollens“ ist.

Kampf dem Fachkräftemangel: Eine Studentin aus Balve hilft Rickmeier mit Bachelor-Arbeit: Christiane Schulz, Verena Hagen, Prof. Dr. Klaus Michael Mende und Frau Prof. Beate Burgfeld-Schächer (von links, Archiv).
Kampf dem Fachkräftemangel: Eine Studentin aus Balve hilft Rickmeier mit Bachelor-Arbeit: Christiane Schulz, Verena Hagen, Prof. Dr. Klaus Michael Mende und Frau Prof. Beate Burgfeld-Schächer (von links, Archiv). © MAV

Kein Verständnis hat Kernig für das Beharren des Öko-Verbandes BUND auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Er findet, dass das marode Bauwerk so umweltschonend wie möglich abgerissen werden soll: „Aber da stand eine Brücke, und da muss wieder eine Brücke hin.“ Was der BUND betreibe, sei „extremst kontraproduktiv“. Kernig erwartet, dass selbst eine Umweltverträglichkeitsprüfung der Neubau keineswegs verhindere, aber auf jeden Fall verzögere.

Grundsätzlich aber sehen Kernig und Neumann die heimische Wirtschaft für die Herausforderungen der Gegenwart wie der Zukunft gut aufgestellt. Sie habe aus der Bankenkrise der Jahre 2008/2009 gelernt, in dem sie die Eigenkapitalquote erhöht habe. „Und die Liquiditätsreserven, die die Firmenkunden bei uns auf den Konten haben, sind in den letzten Jahren auch gestiegen“, fügt Neumann hinzu. „Es ist genug Geld da.“ Zudem lebe die Sparkasse auch davon, Innovation und Investition mit Krediten zu finanzieren.

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Tatsächlich müssen Firmen zwischen Hönne und Lenne Antworten auf aktuelle Herausforderungen finden.

Rohstoffe und Vorprodukte sind knapp und teuer.

Energiekosten explodieren.

Transportkosten schnellen hoch.

„Die weltweiten Lieferprobleme müssen uns zu der Frage bringen, was denn just in time heißt. Müssen wir nicht doch wieder zurück zur Lagerhaltung? Das heißt für einen Unternehmer: Ich binde Liquidität für einen Lageraufbau, um für meine Kunden lieferfähig zu sein“, schlussfolgert Kernig.

Sichere wie attraktive Arbeitsplätze

Die marode und gesperrte Talbrücke Rahmede der Bundesautobahn A 45 zwischen Lüdenscheid-Nord und Lüdenscheid. Die Brücke ist nicht mehr befahrbar und muss abgerissen werden.
Die marode und gesperrte Talbrücke Rahmede der Bundesautobahn A 45 zwischen Lüdenscheid-Nord und Lüdenscheid. Die Brücke ist nicht mehr befahrbar und muss abgerissen werden. © WP | Rene Traut

Das Zauberwort der Zukunft heiße „Nachhaltigkeit“. Das bezieht Kernig auf die familiengeführten Unternehmen der Region, deren Philosophie eine große Schnittmenge mit dem Credo der öffentlich-rechtlichen kommunalen Bank habe. Kernig bezieht Nachhaltigkeit aber auch auf den Umbau der Wirtschaft zu klimaneutraler Produktion. „Wir reden da nicht nur über den Automotive-Bereich – wir reden über alle Branchen“, sagt Kernig. CO2-Neutralität sei das Ziel. „Eines wissen wir: Unsere Unternehmen müssen sich auf diesen Wandel einstellen“, stellt er fest.

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Dieser Wandel steht auch der Landwirtschaft bevor. Die Betriebe stehen laut Kernig vor ähnlichen Herausforderungen wie Industrie und Handel. Futter- und Düngemittel seien teuer geworden, von Energie zu schweigen. Zu befürchten sei, dass die Höfe die höheren Erzeugerpreise an die Kundschaft weitergeben. Zugleich beobachtet Kernig einen Verbrauchertrend zu mehr Qualität, auch wenn dafür höhere Preise aufgerufen werden. Das passe zum Boom der Hofläden, der mit dem Beginn der Corona-Pandemie zusammenfalle. Kernig: „Das ist ein Mega-Trend.“ Neumann und er sind sich sicher, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher auch auf lange Sicht bereit sei, mehr Geld für hochwertige Lebensmittel auszugeben.

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Ein weiterer Mega-Trend macht allerdings der heimischen Wirtschaft branchenübergreifend zu schaffen: der Fachkräftemangel. Familienbetriebe können Kernig zufolge punkten durch sichere wie attraktive Arbeitsplätze. Dazu komme noch etwas: soziale Unternehmenskultur.