Balve. Wunder gibt es immer wieder, heißt es. Pfarrarchivar Rudolf Rath hat eines erlebt. Dabei war er nach der Jahrhundertflut am Boden zerstört.
Pfarrarchivar Rudolf Rath ist erleichtert. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat Archivschätze aus dem Hönnetal gerettet. Wie, verrät der Ehrenamtler im Gespräch mit der Westfalenpost.
Ich höre, Sie sind kein großer Freund von Espresso.
Rudolf Rath Ich bin für Langgetränke. Espresso ist mir zu schell weg, und er ist mir auch zu stark.
Ich habe da mal etwas vorbereitet: Kaffee aus dem Porzellanfilter. Hatten Sie Mitte Juli, nach dem Hochwasser, den Kaffee auf?
Oh ja! Und das ist eigentlich bei mir sehr selten. Meistens trinke ich ihn ja. Nach dem Hochwasser hatten wir im Pfarrarchiv eine schwierige Situation.
Was war im Pfarrarchiv schwierig?
Schwierig war zunächst einmal, dass es nicht das eigene Hab und Gut war. Das war eine ganz besondere Verantwortung. Es gibt insgesamt acht Archive, die ich vereinige.
Sind Sie das Gedächtnis der Kirche in weiten Teilen des oberen Hönnetals.
Das kann man so sagen. Balve habe ich, Langenholthausen habe ich, Affeln, Blintrop. Garbeck und Küntrop haben eigene Archive.
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Wie viel Archivmaterial haben Sie?
Ich führe ein Findbuch im Computer, das ich schon lange nicht mehr ausdrucke. Mit Sicherheit sind das 1500 DIN-A-4-Seiten, was im Archiv enthalten ist und wo es steht, manchmal auch mit zusätzlichen Informationen.
Die Innenstadt von Balve ist besonders hochwassergefährdet, und das Pfarrarchiv befindet sich buchstäblich mitten drin. Wie viel Material ist beschädigt worden?
Wir haben das Material aus Münster zurückbekommen, und wir haben angefangen zu sortieren. Wir haben 41 Material-Kisten zurückbekommen. Hin geliefert haben wir 150 Säcke mit durchfeuchteten Dokumenten, 20 laufende Meter, es war Material aus dem unteren Bereich des Archivs, das Wasser stand 45 Zentimeter hoch.
Wie sind Sie an den Landschaftsverband geraten?
Wir haben uns als kirchliche Einrichtung erst mal an unsere Fachaufsicht in Paderborn gewandt, beim Erzbistum. Der Rat lautete: Meldet Euch beim Landschaftsverband, beim Archivamt. Wir haben ein Wahnsinnsglück gehabt. Wir haben uns gesorgt gemeldet und die Menge des beschädigten Materials beschreiben. Die Antwort lautete: Das kriegen wir noch unter. Drei Tage später ruft mich Dr. Todrowski (Archivarin des Märkischen Kreises; Red.) an: Wie kommt das, dass Ihr Euer Material in Münster noch unterbekommen habt? Wir haben es nicht mehr geschafft.
Sie hatten die Gunst der Stunde...
...und wir hatten die Gunst des minderen Volumens. Wir hatten eine halbe Tonne – der Kreis hatte 40 Tonnen. Das Angebot des Landschaftsverband war uns kostenlos; es wird vom Steuerzahler getragen.
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Was, bitte, hat der Landschaftsverband gemacht?
Die Experten in Münster haben das durchfeuchtete Material gefriergetrocknet. Ich hatte den Vorteil, dass das Material nur eine Nacht im Wasser gestanden hat. Am nächsten Morgen war das Wasser weg. Das Papier war nur feucht. Es war aber nicht verschimmelt. Deshalb haben wir das Zeug auch ziemlich sauber zurückgekriegt. Das habe ich aber erst jetzt festgestellt. Beim Gefriertrocknen geht es nur ums Trocknen, nicht aber um Reinigung. 95 Prozent haben zwar Wasserflecken, sind aber nicht zersetzt, sie sind lesbar. Es sind nur ganz wenige Stücke, die gereinigt werden müssen, und seitdem bin ich guter Laune. Wären die Dokumente wirklich verschmutzt gewesen, hätte ich eine Spezialfirma ansprechen müssen.
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Inwieweit ist ein kirchliches Archiv öffentlich nutzbar?
Das gibt keinen Anspruch darauf. Das ist der Unterschied zu öffentlichen Institutionen. Es gibt aber vom Erzbistum die dringende Empfehlung, das Material der Öffentlichkeit bereitzustellen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Kirche kaum noch die Möglichkeit hat, Stellen in Archiven personell zu besetzen.
Sie machen das ehrenamtlich.
Ich kriege keinen Pfennig dafür. Ich mache das seit 2004. Fast täglich bin ich drei Stunden im Archiv. Deshalb haben wir in Paderborn ein tolles Ansehen.