Balve. Der Deutsche Wetterdienst erwartet am Sonntag einen Monstersturm. Die Warnung weckt Erinnerungen an „Kyrill“.
Stürmische Zeiten kommen aufs obere Hönnetal zu. Der amtliche Deutsche Wetterdienst erwartet ab Sonntagnachmittag schwere Sturmböen in NRW. Starkwind soll bis Montagmorgen toben. Ist Orkan-Tief „Sabine“ die meteorologische Schwester des stürmischen „Kyrill“?
Rückblende. UWG-Fraktionschef Lorenz Schnadt kann sich an den 15. Januar 2007 noch so genau erinnern, als erzähle er vom jüngsten „Tatort“. Wenn der Garbecker über „Kyrill“ spricht, läuft bei ihm ein uns andere Mal derselbe innere Film ab. Ihm passierte damals Gott sei Dank nichts. Aber der Polizeioberrat wusste sofort, dass Waldbauern wie Bernward Lösse von einem Tag auf den anderen fast vor dem Nichts standen.
Er verlor durch den gewaltigen Sturm zwei Drittel seines Waldbestandes. „Von 300 Hektar sind gerade einmal 100 übrig geblieben“, hat er einmal bilanziert. Furcht vor einem neuen „Kyrill“ hat Lösse nicht: „In den nächsten Jahren ist doch kaum etwas da, was umfallen kann.“
Momentaufnahme. Förster Richard Nikodem ist am Freitagnachmittag in Lüdenscheid unterwegs, als ihn der Anruf der WESTFALENPOST erreicht. Welche Szenarien erwartet er, wenn „Sabine“ hinlangt? „Es kann jederzeit jede Menge umfallen: Das ist klar. Alle Bestände sind aufgerissen. Da ist ja nichts mehr intakt. Da kann sich nichts mehr gegenseitig stützen“, sagt er. Die Fichte wird’s treffen, den Laubwald indes kaum: „Die Bäume haben ja im Moment keine Blätter.“
Obacht aufs Auto
Und dann muss Nikodem in einem Anflug von Galgenhumor lachen. „Große Schäden für die Waldbauern erwarte ich nicht“, fügt der Forst-Experte hinzu, „die Preise sind eh im Keller.“
Kein Wunder: Vor wenigen Tagen noch, am Dienstag, war Nikodem bei der Forstbetriebsgemeinschaft Balve. Dort war von Preisen für Käferholz die Rede, die kaum zehn Euro pro Festmeter bringen. Vor zwei Jahren noch gab’s für den Festmeter 70 Euro. „Da mache ich mir jetzt keinen Kopf drum“, fügte der Wald-Fachmann hinzu.
Welchen Rat hat er für Bürger? „Ich kann den Leuten nur raten, bei Sturm ihre Füße aus dem Wald zu lassen. Ich habe den Wald zwar inzwischen ziemlich leer geräumt. Aber es kann immer mal was passieren“, warnt Nikodem. „Also: Obacht, wo man sein Auto hinstellt, Obacht, wo man herläuft.“
Gibt es ein vorbeugendes Waldbetretungsverbot? „Nein, nein“, betont der Förster, „definitiv nicht. Das Hirn muss schon eingeschaltet bleiben. Wir wollen den Leuten nicht vorgaukeln, dass wir sie vor allem schützen, wenn Gefahr droht. Betreten des Waldes erfolgt immer auf eigene Gefahr.“
Wo genau „Sabine“ stürmt, lässt sich nicht absehen. „Es kommt immer darauf, wo die Böe herkommt“, gibt Nikodem zu bedenken. „Der Wind dreht bekanntlich.“ Zwar sind Oberhänge grundsätzlich eher gefährdet als tiefere Lagen. Aber „Kyrill“ tobte auch in Tälern.
Wehr ist vorbereitet
Ein Schwenk zur Feuerwehr. Deren Chef Frank Busche verbreitet Ruhe vor dem Sturm. Vorbereitet ist die Wehr, alarmiert ist sie nicht: „Alles steht. Wir können reagieren.“ Busche und seine Leute vertrauen auf die Vorwarnungen der Rettungsleitstelle des Märkischen Kreises. Die Leitstelle verarbeitet regelmäßig aktualisierte Profi-Meldungen des Deutschen Wetterdienstes. Die Vorlaufzeit bei Gefahrenlagen liegt bei 60 bis 90 Minuten: „Das reicht für uns.“
Noch hat Busche Hoffnung, dass das Wetter nicht so schlimm wie angekündigt kommt: „Wenn das angekündigt wird, dann wird das nix.“ Bei der letzten Wetterwarnung, erinnert sich Busche, bewegten sich Unwetterzellen auf Balve zu. Die Einheiten waren in höchster Alarmbereitschaft: „Und dann haben sich die Wolken kurzerhand aus dem Staub gemacht.“
Zurück zu „Kyrill“. Richard Nikodem hat ganz besondere Erinnerungen an den Monstersturm: nämlich keine. „Ich habe den Orkan verschlafen. Ich hatte am Vorabend wohl kein Fernsehen geguckt.“
Am Tag danach war Nikodem allerdings schlagartig hellwach. „Ich wohnte damals in Blintrop, hatte vier Monate vorher mein Revier in Affeln aufgegeben, und weitere vier Monate später übernahm ich das Revier in Balve von meinem Kollegen. Er konnte nicht mehr. Er lag in der Klinik mit Burnout – als Folge von ,Kyrill’.“