Binolen. Was haben Käferholz und Corona-Virus miteinander zu tun? Was Balve und China? Besorgniserregend viel, wie Förster Nikodem erklärt.
Die Lage des Balver Waldes ist dramatisch. Das machte Forst-Experte Dr. Mathias Niesar vom Landesbetrieb Wald und Holz als Gast der Forstbetriebsgemeinschaft Balve (FBG) im Haus Recke in Binolen klar. Noch dramatischer ist laut Förster Richard Nikodem die Lage der Waldbauern. Als wären Hitze, Dürre und Borkenkäfer noch nicht genug, droht auch noch Gefahr durch das Corona-Virus.
„Den Waldbauern geht die Muffe“, stellte Nikodem im Gespräch mit der WESTFALENPOST fest. Grund: Chinesische Kunden sind derzeit die wichtigsten Abnehmer für heimisches Käferholz. Der Festmeter bringt im Schnitt neun Euro. „Vor zwei Jahren“, bilanzierte Nikodem, „brachte der Festmeter noch 70 Euro.“ Wenn chinesische Häfen wegen der Corona-Pandemie dicht machen, können Fichtenstämme aus dem Sauerland nicht mehr verschifft werden. Nikodem: „Das wäre eine Katastrophe.“
Hitze, Dürre, Borkenkäfer: Heimische Holzmärkte und Holzpreise sind nach zwei trockenen Sommern in Folge kollabiert. Daher gehen aus dem Balver Revier mehr als 80 Prozent des aufgearbeiteten Holzes nach Fernost. „Aber eine weitere Intensivierung des Holzeinschlages im laufenden Jahr ist notwendig“, weiß Nikodem. Nur wenn Käferholz weg ist, haben gesunde Bäume eine Chance. Daher mussten Sägen vier Mal mehr ran als gewohnt.
Chemie bringt längst nichts mehr. Warum? „Der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln hat aufgrund der extrem hohen Befallsdichte wenig Aussicht auf Erfolg“, stellt Nikodem fest. „In Balve wurde daher auch im vergangenen Jahr völlig darauf verzichtet.“
Kein Wunder, dass die Branche in Alarmstimmung ist. Kein Wunder, dass die Versammlung bestens besucht war. „Normalerweise kommen 30, 40 Leute“, weiß Nikodem, „jetzt waren es doppelt so viel. Sie alle hatten Sorgenfalten.“
Den heimischen Tann trafen die beiden trockenen Sommer besonders. Die Fichte hat laut Forstfachmann Niesar in Höhenlagen bis circa 400 Meter „fast keine Überlebenschancen mehr“. Balves höchster Punkt liegt auf 546 Metern. Nur auf Nordhängen von Hochlagen könne weiter Forstwirtschaft mit Fichten betrieben werden, hieß es.
Buchen droht Baumsterben
Längst sind auch Buchen dran. Ihnen droht auf einem Drittel der Fläche das Baumsterben.
Die Probleme der Wälder schlagen in der Forstwirtschaft direkt durch. Bundesweit wird der Schaden mit 13 Milliarden Euro beziffert. Damit nicht genug. „Wir hatten schlechte Saatgut-Ernten“, berichtete Nikodem, „und zugleich ist die Nachfrage nach Saatgut extrem hoch.“ Das treibt die Preise. Eine Schonung mit Nadelholz kostet – ohne Lohnkosten – 5.000 Euro. Für Laubholz wird das Doppelte fällig.
Ökologisch wäre Wiederaufforstung kahler Flächen geboten. Der Wald-Weise Niesar empfahl hitzebeständige Baumarten wie die Atlaszedern aus Marokko oder die Lindenblättrige Birke aus dem Kaukasus. Doch selbst Nikodem hält sich vorerst zurück. Normalerweise kämen Setzlinge im Frühjahr in den Boden. Doch Nikodem pflanzt diesmal erst im Herbst.
Ein weiterer Grund spricht für die Verschiebung von Neuanpflanzungen. Der Zustand von Forstwirtschaftwege lässt zu wünschen übrig. Die Pisten sind wegen intensiven Holzverkehrs oft verschlammt. Baumaßnahmen ergeben erst dann Sinn, wenn die Holzernte weitgehend abgeschlossen ist.
Unterdessen müssen sich die Waldbauern an einen System-Wechsel gewöhnen. Die FBG muss künftig Geld für den Förster vorstrecken. Das Land zahlt 80 Prozent zurück. Das restliche Fünftel der Kosten muss sich die FBG bei ihren Mitgliedern wiederholen. Kosten fallen allerdings nur noch anlassbezogen an. Bisher war eine Pauschale fällig. Ob das neue System segensreich ist, steht für Förster Nikodem auf einem anderen Blatt.
Das Borkenkäfer-Desaster zeichnet sich bereits 2018 ab.
2019 bessert sich die Lage des heimisches Waldes keineswegs. Der Frühling kam zu früh.
Die wirtschaftliche Lage der Waldbauern ist dramatisch.