Garbeck. Braune Fichten, kahle Buchen: Auf Garbecks Grembergs bietet sich ein Bild des Jammers. Doch Bernward Lösse hat einen Plan.

Dürre plagt das Land. Auch dem Wald macht sie zu schaffen. Wie sieht’s vor Ort aus? Die WP war mit Waldbauer Bernward Lösse hoch über Garbeck unterwegs.

Mittwochvormittag. Der Himmel ist grau. Regen gibt es nicht. Bernward Lösses Geländewagen schraubt sich einen Waldweg in Richtung Leveringhausen hoch. „Sehen Sie mal“, sagt der Landwirt zu uns, „die Buche da – sie hat in der Spitze keine Blätter mehr.“

Was wir nicht ahnen: Das ist nur der Anfang. Mit jeder Kurve ist mehr Elend zu sehen: vertrocknetes Farn in Tabak-Braun, Ebereschen mit Schrumpel-Früchten, großflächig braune Fichten.

Zweige schlaff im Wind

Der Indianer-Sommer schleicht sich allzu früh ran.
Der Indianer-Sommer schleicht sich allzu früh ran. © Jürgen Overkott

Doch das Schlimmste kommt erst oben. Eine Gruppe von Buchen steht oben auf der Kuppe des Gremberges, rund 500 Meter hoch liegt die Fläche, ein leicht geneigter Abhang. „Das Wasser“, weiß Bernward Lösse, „drainiert nach unten.“ Normalerweise. Doch was ist schon normal in diesem Jahr? Der karge Grauwacken-Boden ist staubtrocken, und ihre Buchen geben ihre traurige Antwort darauf. Kahl wehen ihre Zweige schlaff im Wind, ein Bild wie Ende November. Wir haben aber Mitte August.

„Nicht schön“, sagt Bernward Lösse immer wieder, „nicht schön.“

Kein Zocken wie beim Roulette

Rappeltrockene Blätter
Rappeltrockene Blätter © Jürgen Overkott

Andererseits will er nicht jammern. Und tatsächlich gibt es Grund zur Hoffnung. Bernward Lösse macht uns schnell klar, dass er nicht wie ein Glücksspieler zu Werke geht, der beim Roulette zockt. Im Gegenteil: Der Landwirt erzählt davon, dass er sich seit Jahrzehnten für ungewöhnliche Baumarten interessiert. Er nennt alle botanischen Namen in schönstem Latein. Er weiß auch, welche Bedingungen Baumarten aus der Fremde brauchen. Der Garbecker sagt lieber „Spätheimkehrer“. „Wissen Sie, warum?“, fragt er und gibt direkt die Antwort: „Weil diese Baumarten vor der letzten Eiszeit bei uns wuchsen.“

Jetzt ist aber ist Heiß-Zeit. Diese Geschichte erzählen dröge Wetter-Daten. Bis Mittwoch maß die Wetterstation, die die private Internetseite „wetter-balve.de“ mit Daten füttert, kümmerliche 268,2 Millimeter pro Quadratzentimeter. „Normalerweise fallen in Balve 1000 Millimeter im Jahr“, stellt Bernward Lösse trocken fest, „selbst wenn es jetzt viel regnen würde – das schaffen wir nicht mehr.“ Zudem bilanzierte der Mendener Amateur-Meteorologe Peter Friedrich, der vorige Monat sei der zweitheißeste Juli in der Wettergeschichte gewesen. „Nicht schön“, findet Bernward Lösse lange vor der Fahrt im heimischen Jungferngut, „nicht schön.“

Extremer Fruchtansatz

Farn, tabakbraun
Farn, tabakbraun © Jürgen Overkott

Selbst die prächtige Apfel-Ernte treibt im Sorgenfalten auf die Stirn. Der extreme Fruchtansatz bei den Bäumen – Bernward Lösse sieht ihn als Stress-Reaktion. Dabei will er seine Einschätzung keineswegs nur auf Dürre und Hitze beschränkt wissen. „Die Bäume“, sagt der Fachmann, „reagieren darauf, dass der Boden weniger Wasser speichern kann, sie reagieren auf die zunehmende Versauerung der Böden.“

Bernward Lösse nippt am Wasserglas. „Und dann gibt es noch Umwelt-Einflüsse, die den Bäumen zu schaffen machen.“ Oben an stehen Stickstoff-Einträge. Die Überdosis Stickstoff hat vielerlei Ursachen. „Da ist zunächst mal die Landwirtschaft. Gülle produziert Stickstoff. Viel zu lange haben Landwirte damit gewartet, die Gülle direkt in den Boden einzuarbeiten.“

Bernward Lösse liebt seltene Baumarten.
Bernward Lösse liebt seltene Baumarten. © Jürgen Overkott

Bernward Lösse macht eine Pause. „Aber“, sagt er, „die Landwirtschaft allein ist nicht schuld. Der Autoverkehr kommt dazu, und das, was die Industrie produziert, den Hausbrand nicht zu vergessen.“ Was tun?

Szenen-Wechsel. Wir sitzen wieder auf dem Auto, auf dem Weg zur Gremberg-Kuppe. Plötzlich hält Bernward Lösse an, steigt aus und verschwindet im grünen Tann. „Sehen Sie mal hier“, sagt er mit einer ausladenden Bewegung. „Hier stehen Douglasie, Küstentanne und Zeder.“ Das sind längst nicht alle Baumarten, die auf einer Fläche stehen, die Monster-Sturm „Kyrill“ vor elf Jahren rasierte. „Vielfalt“, betont Bernward Lösse, „das ist Vielfalt.“

Karge, felsige Böden

Die Vielfalt ist kein Selbstzweck. Die neuen Nadelhölzer setzte Bernward Lösse auf einem Grund, der wasserliebende Fichten vielerorts in Bedrängnis bringt. Bergeshöhen bringen es auf mehr Sonnenstunden als Nord- oder Osthänge. Dazu kommt karger, felsiger Boden. Die Nadel-Neulinge schrecken warme Sommer und kalte Winter nicht. „Diese Baumarten kommen mit unseren Klima-Veränderungen am besten zurecht.“

Und die Fichte? Natürlich hat Bernward Lösse nach wie vor Fichten-Bestände für Weihnachtsgeschäft. Doch er überlegt sich sehr genau, wo die Bäume angesichts steigender Jahrestemperaturen und weniger Niederschlag stehen dürfen: „Die Fichte kommt nicht mehr auf die Südseite.“

Stattdessen gibt es Platz für 100 Baumarten auf 300 Hektar Land. Das Zauberwort heißt Vielfalt.