Balve. . Winter ade, Frühling juche? Die Forstwirtschaft sieht den frühen Frühling mit gemischten Gefühlen. Wärme macht den Borkenkäfer munter. Was tun?
Die Natur ist früher als geplant aus dem Winterschlaf erwacht. Im Hönnetal haben sich die Blüten von Erle und Hasel geradezu explosionsartig vermehrt. Allergiker haben bereits jetzt die Nase voll. Aus dem Winterschlaf ist aber auch ein gefräßiger Geselle erwacht, Förster und Waldbesitzer fürchten: der Borkenkäfer.
Der frühe Frühling
Das Insekt wird ab acht Grad plus munter. Diese Marke wurde in den vergangenen Tagen zwischen Binolen und Balve, Grübeck und Garbeck locker übersprungen. Am Mittwochnachmittag übersprang das Thermometer ein weiteres Mal die Zehn-Grad-Marke. So jedenfalls meldete es die private Internetseite „www.balve-wetter.de“.
Und es so geht in den kommenden Tagen weiter. Für Sonntag werden sogar 14 Grad erwartet: Der Osterhase wäre begeistert von derlei Bedingungen. Der Borkenkäfer ist es.
Förster Richard Nikodem indes treibt das Wetter, das kaum noch eine Kapriole der Natur zu nennen ist, Sorgenfalten auf die Stirn. Noch haben Forst-Fachmann und Waldarbeiter längst nicht alle Folgen der Borkenkäfer-Invasion des vorigen Jahres verarbeitet, da deutet sich schon die nächste Herausforderung an.
Zur Erinnerung: Bis zum Ende der Wachstumsphase Ende Oktober/Anfang November gab es fünf Generationen Borkenkäfer. Üblich sind zwei. Richard Nikodem warnte schon damals: „Die Hälfte des Fichten-Bestandes ist in Gefahr. Es wird so schlimm wie bei ,Kyrill’.“
Die Schadensbegrenzung
Inzwischen sind der Förster und seine Mitarbeiter mit Schadensbegrenzung beschäftigt, ebenso die heimischen Waldbauern. Richard Nikodem am Mittwoch zur WP: „Wir holzen jeden Tag 100 Festmeter ab, und jeden Tag ziehen wir 100 Festmeter aus dem Wald.“
Die Arbeit ist mühselig. Richard Nikodem: „Wir können keine großen roten Flecken mit geschädigten Bäumen mehr erkennen. Die sind inzwischen alle raus. Was geblieben ist, sind geschädigte Einzelbäume.“
Damit nicht genug: Bei den Borkenkäfern gibt zwei Arten, die die Bäume auf exakt entgegengesetzte Weise angreifen. Der Buchdrucker arbeitet sich von unten hoch. Der Kupferstecher macht’s genau anders herum. Das erschwert die Arbeit von Richard Nikodem & Co.: „Wenn ich eine Fichte sehe, die unten grün ist, muss das noch lange nicht heißen, dass sie gesund ist. Sie kann oben rot sein.“ Der Kupferstecher hat lediglich dafür gesorgt, dass die Nadeln in der Krone abgestorben sind. Auf dem Weg zum Boden hat er noch viel vor.
Für die Arbeit im tiefen Tann hat das Folgen. Noch einmal Richard Nikodem: „Wir können nicht, wie in Menden, Harvester einsetzen. Die Maschinen lohnen sich erst dann, wenn größere Mengen an Bäumen gefällt werden.“ So müssen die Waldarbeiter an jedem einzelnen kranken Baum Hand anlegen.
Der positive Gesichtspunkt
Allerdings gab es bei der Begutachtung des Holzes auch halbwegs positive Überraschungen. Richard Nikodem: „Etwa ein Drittel der gefällten Bäumen waren nicht vom Borkenkäfer gefallen. Ihre Nadeln waren nur deshalb rot, weil die Fichten schlicht vertrocknet sind.“
Die Rolle des Wassers
Das jährliche Regen-Soll von knapp 1000 Litern Regen pro Quadratmeter wurde im vorigen Jahr klar verfehlt. Selbst der Dauerregen in der Zeit vor und nach Weihnachten konnte den Wasser-Mangel in der Region nur zum Teil beheben – gelegentlichen Hochwassers in der Hönne zum Trotz. So passen in die Sorpetalsperre 70 Millionen Kubikmeter Wasser. Am Mittwochnachmittag meldete der Ruhrverband 50 Millionen.
Skeptiker befürchten, dass die Region bei einem weiteren Dürre-Jahr auf dem Trockenen sitzt.
Das Holz vertrockneter Bäume indes bereitet der heimischen Waldwirtschaft keine Probleme. Im Gegenteil: „Das Holz ist gut“, weiß Richard Nikodem, „es kann vermarktet werden.“
So rollen derzeit täglich drei Laster mit Holz in Richtung Beckum. Dort, im ehemaligen Lhoist-Steinbruch, werden die Stämme gelagert.
Der Feind des Vielfraßes
Trotz der beunruhigend vorzeitiger Wärme will Richard Nikodem noch keinen Alarm schlagen. Selbst wenn der Februar im langjährigen Vergleich zu trocken bliebe, ein feuchtes Frühjahr könnte den Borkenkäfer stoppen. Denn Regen mag die Raupe Nimmersatt überhaupt nicht. Das kühle Nass hat nämlich aus Sicht des Borkenkäfer einen Nachteil. Es lässt Pilze zwischen Baum und Borke sprießen. Die Freunde des Regens sind die Feinde des Borkenkäfers.