Balve/Neuenrade. Drama im Wald. Die Dürre trifft Nadel- wie Laubbäume. Selbst die überlebenden Bäume haben es im Frühjahr schwer. Förster Nikodem schlägt Alarm.

Trotz einiger Regentage war auch dieser Sommer bisher zu trocken. Förster Richard Nikodem schlägt Alarm.

Ich sehe allerorten braune Nadelbäume, manchmal sogar braune Nadelbaum-Gruppen. Wie geht es dem Patient Wald?

Richard Nikodem Meine Kollegen und ich haben jede Menge zu tun. So langsam gerät das hier aus den Fugen.

Gilt das nur für Nadelbäume?

Borkenkäfer-Fallen konnten bei der Trockenheit 2019 nicht viel bewirken.
Borkenkäfer-Fallen konnten bei der Trockenheit 2019 nicht viel bewirken. © WP | Jürgen Overkott

Nein, auch für Laubbäume. Wenn Du durch die Gegend fährst, siehst Du auch bei Laubbäumen überall gelbe Blätter. Sie machen jetzt schon einen auf Herbst. Wenn die Bäume jetzt schon Blätter abwerfen, können sie keine Reservestoffe mehr abbauen und haben im nächsten Frühjahr weniger Power.

Es geht also nicht nur darum, die Verdunstungsoberfläche zu verkleinern.

Wenn keine Blätter mehr da sind, können sie auch keinen Sauerstoff produzieren. Die Blätter werden aber auch für Fotosynthese gebraucht, damit der Baum die Energie erhält, die er zur Bildung seiner Jahresringe braucht. Die Energie wird im Winter normalerweise in den Wurzeln gebunkert. In den Wurzeln lagern 30 bis 40 Prozent der Energie für das nächste Jahr.

Von oben kommt derzeit kein Wasser, und unten, im Boden, ist auch nichts.

Der Grundwasser-Spiegel ist gesunken, um bis zu einem Meter unter dem Normalstandard. Auf Kuppen wird es sogar noch mehr sein. Die Wurzeln der Bäume erreich einfach kein Wasser mehr. Viele Bestände werden trocken. Fichten, beispielsweise, können sich dann nicht mehr gegen den Borkenkäfer wehren. Die Laubbäume fallen regelrecht trocken. Man sieht, dass einzelne Bäume jetzt den Löffel abgeben.

Was würde passieren, wenn jetzt Regen käme?

Bei langer Trockenheit sterben die Feinwurzeln ab. Selbst wenn es regnen würde, könnten die Wurzeln nur noch begrenzt Wasser aufnehmen. In diesem Jahr ist auf großen Flächen der Zug abgefahren. Die betroffenen Bäume können sich in diesem Jahr nicht mehr erholen. Sie werden absterben.

Etliche Bäume kommen trotzdem durch. Welche Folgen hat die Trockenheit für die Holzqualität?

Förster Nikodem zeigt Balver Grundschülern die Lage im Wald.  
Förster Nikodem zeigt Balver Grundschülern die Lage im Wald.   © WP | Erik Bäcker

Grundsätzlich bleibt das Holz gesund. Der Tischler merkt aber hinterher, dass die Jahresringe unterschiedlich breit sind. Das sind nicht sonderlich beliebt, weil dann Spannung im Holz entsteht. Egal ist das aber beim Bauholz für den Dachstuhl. Das merkt dann nur der Waldbauer. Er sieht, dass sein Baum in dem betreffenden Jahr nicht so stark zugelegt hat wie sonst. Wenn man aber Furnier aufs Holz machen möchte, sind unterschiedlich breite Jahresringe nicht gut. Spannungen bedeuten, dass das Holz an der Stelle lange Risse kriegen kann.

In den vergangenen Jahren hatten wir außergewöhnlich viele Mastjahre mit extrem vielen Samen. Wie sieht es dieses Jahr aus?

Das kann ich so nicht bestätigen. Aber mir ist aufgefallen, dass die viele Bäume extrem früh unreife Früchte abgeworfen haben. Die Bäume sagen: Ich habe kein Wasser für mehr, um die Früchte aufzupumpen – ich schmeiße jetzt alles ab, was ich nicht dringend brauche.

Weg mit Schaden.

Wir werden also nicht so viel fruchtifizierenden Samen. Wir haben in der Amecke den einzigen Saatgutbestand des Märkischen Kreises – der vertrocknet gerade.

Wenn es trocken ist, freuen sich die Borkenkäfer. Wie sieht es mit Schädlingspilzen aus?

Da sehe ich keine Gefahr. Pilze brauchen Wasser, um zu leben, und im Augenblick ist keins da.

Es gibt beim Klimawandel viele Verlierer. Sehen Sie auch Gewinner?

Ja, natürlich. Jeder Standort bietet Pflanzen die Möglichkeit, dort zu leben. Wenn ein Standort für eine Pflanzenart trocken wird, kommt eine andere Pflanzenart zum Zuge, die weniger Wasser braucht. Wenn der Boden für Fichten zu trocken wird, schafft es wahrscheinlich die Douglasie – also ist die Douglasie die Gewinnerin des Klimawandels. Früher hat die Buche mit ihrem dichten Blätterdach hier alles platt gemacht. Jetzt hat sie zu wenig Wasser.

Was passiert auf Freiflächen, die ja auch durch Stürme wie „Friederike“ entstehen können?

Der Borkenkäfer bei der Arbeit
Der Borkenkäfer bei der Arbeit © WP | Peter Müller

Da wachsen Pionierpflanzen. Bei uns sind das Birke und Eberesche. Für uns stellt sich die Frage: Können diese Bäume die Pflanzen ersetzen, die da vorher gestanden haben? Wir müssen ja sehen: Wenn ein alter Baum abstirbt, folgt ein neuer Baum, der erst mal minimal klein ist.

Welche Bedeutung hat das für die Luft?

Ein kleiner Baum kann längst nicht so viel Kohlendioxid binden wie ein großer. Die Holzproduktion steht für uns im Augenblick an zweiter Stelle. Wir versuchen gerade an Biomasse zu retten, was zu retten ist.

Warum?

Die Bäume binden nicht nur Kohlendioxid, sie produzieren auch Sauerstoff, und obendrein reinigen sie das Grundwasser. Das Schlimme ist: Unsere Rettungsversuche halten sich im Augenblick sehr in Grenzen.