Balve. . Der Mann ist mit allen Wassern gewaschen: Rudolf Rath. Dem Archivar ist gelungen, Balves Innenstadt zu beleben. Wie hat er das gemacht?
Wie wird eine Innenstadt wiederbelebt? Dafür gibt es Klassiker: mehr Einzelhandel, mehr Gastronomie, mehr Veranstaltungen. Auf die Idee, mit einem Pfarrarchiv Volk anzulocken, würde kaum einer kommen. In Balve funktioniert’s. Und dafür gibt es einen ganz besonderen Grund.
Das Netz
Ortstermin am Dienstag nach Pfingsten, alte Hospitalstraße. Rudolf Rath sitzt an seinem Schreibtisch direkt am Eingang der alten Post. Er lächelt in sich hinein. Seine stille Botschaft: Es läuft im Archiv.
Ein Blick in lokale Facebook-Gruppe lehrt: Ausgerechnet zukunftsträchtige Kommunikationsmittel befeuern augenscheinlich das Interesse an Vergangenem. Stimmt die Wahrnehmung des Archivars mit der schlaglichtartigen Beobachtung überein? „Unbedingt“, entgegnet der Jäger der verlorenen Schätze, „es gibt eine Gruppe im Internet, an der sich unwahrscheinlich viele Leute beteiligen. Sie sehen die Geschichte aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Kernpunkt scheint das Hönnetal zu sein.“
Das Hönnetal
Lebt das alte Amt Balve Jahrzehnte nach seiner Auflösung 1975 in Köpfen und Herzen der Menschen weiter? „Man kann sogar sagen: das ganze Hönnetal“, betont der Fachmann für regionale Geschichte, „also auch Menden und Neuenrade. Wir dürfen nicht vergessen, dass es mal Pläne gab, aus Menden, Balve und Neuenrade eine große Stadt zu machen: die Hönnestadt. Über Wege im Internet nähert sich das jetzt alles an.“ Bürger lassen Städte zusammenwachsen.
Der Kontakt
Erfahrung lehrt, dass es vielfach leicht ist, Fotos wie Film ins Netz zu stellen, materielle oder geistige Schätze ins Archiv zu bringen jedoch schwer. Wie sieht’s in Balve aus? Rudolf Rath lacht: „Viele Menschen erinnern sich und sagen: Ich habe doch noch was auf dem Dachboden oder im Keller, das könnte ich doch mal ins Archiv bringen. Ich habe heute Morgen noch ein Paket bekommen, ganz frisch.“
Wie nehmen die Geschichtsfans Kontakt zum Archiv auf – per Telefon oder per Mail, per Post oder persönlich? Alle Wege werden beschritten. „Aber“, betont Rudolf Rath schmunzelnd, „seitdem wir mitten in der Stadt sind, kommen wesentlich mehr Leute als früher persönlich vorbei – meist sind sie auf dem Weg zum Rathaus oder haben gerade ein paar Sachen eingekauft. Die Hemmschwelle ist unheimlich gesunken.“
Der Standort
Der Archivar sieht den neuen Standort des Stadt-Gedächtnisses mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Er weiß: Der Standort Alte Post ist als Provisorium gedacht. Sobald das neue Pfarrheim der katholischen St.-Blasius-Gemeinde fertig ist, steht ein weiterer Umzug an – und damit entfernt sich das Archiv wieder von der Innenstadt. Doch das ist noch Zukunftsmusik.
Der Schachzug
Damit ging der Plan von Rudolf Rath auf: „Mein Ziel war, das Pfarrarchiv ein bisschen bekannter zu machen. Viele Leute springen darauf hin und bringen alte Sachen mit: Endlich weiß ich, wohin damit. Manche haben auch ein schlechtes Gewissen, weil sie vorhatten, das alte Zeug in einen Container zu tun.“
Der Platz
Spürt Rudolf Rath schon den Fluch der guten Tat? Gott sei Dank nicht. Die Schränke im neuen Archiv in der alten Post haben buchstäblich noch Luft nach oben.“ Und das, obwohl kürzlich Eisborns Pfarrarchiv in den Räumen an der Alten Hospitalstraße einquartiert wurde. „Hier habe ich Möglichkeiten.“
Die Zukunft
Wie sieht’s im neuen Pfarrheim aus? Dort gilt die Devise: Weniger ist mehr. Und das ist kein Scherz. Nach Quadratmetern gemessen, kann Rudolf Rath mittelfristig weniger Raum nutzen, viel weniger: „Das wird nur noch knapp die Hälfte sein.“ Dennoch kann er noch mehr Balve-Nostalgie unterbringen. Das klingt paradox, ist es aber nicht. Rudolf Rath löst den scheinbaren Widerspruch gleich auf: „Im neuen Archiv kriege ich eine neue Art von Einrichtung: Rollschränke. Sie nehmen nicht viel Platz weg.“
Der Kenner der heimischen Historie sieht dem kommenden Umzug gelassen entgegen. Selbst wenn es – was Gott verhüten möge – irgendwann wirklich eng werden würde: Rudolf Rath besitzt schon jetzt Ausweichmöglichkeiten. „Ich habe noch ein Depot im Kirchturm.“
Eines ist Rudolf Rath noch wichtig. Wenn er von Schätzen spricht, meint er, wichtig genug, ideelle Werte. Bronze, Silber und Gold hat er nie gewollt.