Balve. . Warum geht im Pfarrarchiv St. Blasius jetzt die Post ab? Warum hat Hausherr Rudolf Rath seine Liebe zu Hausgeräten entdeckt? Was macht der Engel?

In der Ladenzeile an der Alten Hospitalgasse mitten im Stadtzentrum geht bald wieder die Post ab. Jedoch nicht mehr im eigentlichen Sinn wie früher. Vielmehr ist in das Ladenlokal des gelben Riesen das Pfarrarchiv der katholischen St.-Blasius-Gemeinde eingezogen. Schränke und Regale, Tische und Rechner stehen schon. Alles, fast alles ist fertig. Archivar Rudolf Rath hat gar selbst an Hand angelegt – an den Staubsauger.

Rudolf Rath hat vor dem Umzug eine Zeichung angefertigt, wo welche Möbel stehen sollen.
Rudolf Rath hat vor dem Umzug eine Zeichung angefertigt, wo welche Möbel stehen sollen. © Jürgen Overkott

Der Hausherr strahlt am Donnerstagmorgen so sehr, als habe er Weihnachten selbst an der Krippe in Bethlehem gestanden. Selbst die ungewohnte Arbeit mit dem hellblauen Haushaltshelfer fällt Rudolf Rath leicht – auch wenn er zugibt, ein Spätberufener zu sein. Der Umzug aus den alten Räumen im alten Pfarrheim hat ihm erkennbar eine Last genommen.

Vom fünfköpfigen Team aus Arnsberg kann er nur schwärmen: „Die haben alle Hand in Hand gearbeitet, auch der Chef. Die Leute haben vorher Fotos von allen Regalinhalten gemacht, und von allem, was in den Schränken stand. Und dann haben sie’s genauso wieder aufgebaut.“ Siebeneinhalb Stunden brauchten die Packer der Firma Arndt, zwei Lastwagen, eine Fuhre. Am Ende standen die Möbel wie die sprichwörtliche Eins.

Dieses Archiv ist keine staubige Angelegenheit.
Dieses Archiv ist keine staubige Angelegenheit. © Jürgen Overkott

Zwei wohltemperierte Räume beherbergen Dokumente der Kirche und fromme Dokumente von Familien aus dem Hönnetal. „Im Vergleich zu früher habe ich sogar mehr Platz“, sagt Rudolf Rath bei einem Rundgang durch die Räume. Dabei schwingt etwas Verlegenheit mit. Tatsächlich steht dem Archiv mit 80 Quadratmetern reichlich Platz zur Verfügung. Einen weiteren Raum nutzt die Gemeinde als Lagerraum. Dazu kommt noch eine Toilette.

Dr. Rudolf Tillmann suchte Spuren

Nicht nur der ehrenamtliche Archivar, auch seine Gäste wissen die Einrichtung zu schätzen. Tatsache ist: Das Pfarrarchiv gehört zu den bestgenutzten Dokumenten-Sammlungen weit und breit.

Das Gedächtnis des Hönnetals
Das Gedächtnis des Hönnetals © Rudolf Rath

Kurz vorm Umzug, beispielsweise, forschte Dr. Rudolf Tillmann über Höfe im Hönnetal. Der ehemalige Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Düsseldorf besinnt sich seiner Herkunft von einem Bauernhof in der Grübeck. Vor zwei Jahren erst promovierte der vielseitig interessierte Eisborner über Landwirtschaft im Hönnetal. Die historischen Schätze des Pfarrarchivs waren ihm dabei eine wichtige Hilfe – und natürlich der fachkundige Rat des Hausherrn. Den alten Brauch will Rudolf Rath auch in neuen Räumen fortführen. Für wissbegierige Besucher hat er im 45 Quadratmeter großen Nebenraum einen Schreibtisch aufstellen lassen. Kunst- und Tageslicht sollen obendrein für erhellende Momente sorgen.

Das Gros des Materials stammt aus der Hauptgemeinde St. Blasius. Manches Kleinod indes kommt aus Nachbargemeinden. Die Menge des Archivmaterials kann Rudolf Rath nicht beziffern – wohl aber, wie stark das elektronische Findbuch in seinem Rechner im Bürobereich am Eingang ist: „Das sind 2000 Seiten, DIN-A 4.“

Maßgeschreinerte Möbel

Rudolf Rath sieht Archiv-Arbeit Gott sei Dank keineswegs als einen humorfreien Dienst. Im Gegenteil: Im Nebenraum thront in einem teiloffenen Schrank ein sogar von der Straße aus unübersehbarer güldener Engel. Ein Engel der besonderen Art. Ein Engel, der auf die Pauke. Kein Wunder, dass das Himmelswesen nicht aus einem Gotteshaus, sondern aus der Modebranche stammt. „Der Engel war Dekoration in einem Geschäft in Menden“, erzählt Rudolf Rath. Allen der Gedanke an die schräge Geschichte zaubert ihm ein Lächeln ins Gesicht. „Und dann wurde der Engel geklaut. Keine Ahnung, wer’s war. Vielleicht war’s ein Dumme-Jungen-Streich.“ Und dann? „Irgendetwas tauchte der Engel wieder auf – und zwar bei dem damaligen Pfarrer Dr. Reinhard Richter. Der hatte Humor. Der ließ für den Engel extra einen Hocker machen.“

Pfarrer Andreas Schulte, Archivar Rudolf Rath, Heimatforscher Dr. Rudolf Tillmann (von rechts)
Pfarrer Andreas Schulte, Archivar Rudolf Rath, Heimatforscher Dr. Rudolf Tillmann (von rechts) © Jürgen Overkott

Jetzt wacht das himmlische Wesen, halb Engel, halb Bengel, darüber, dass im Archiv alles in Ordnung bleibt. Vom Regal aus hat er alles im Blick, das Fenster zur Straße, das Fenster zum Hof und nicht weniger als drei Türen.

Vorn, im Eingangsbereich, muss der goldene Flügelbube nicht wachen. Da wacht Rudolf Rath. Vom 7. Januar an ist er montags bis freitags erreichbar, von 9.30 bis 12.30 Uhr. Wer kleine Anfragen beantwortet der Hüter historischer Schätze spontan, bei aufwendigen Vorhaben bittet er um Anmeldung.

Rudolf Rath schätzt, dass er zwei Jahre in dem schicken Provisorium arbeiten wird. Danach steht ein weiterer Umzug ins neue Pfarrheim an. Dort muss sich Rudolf Rath kleiner setzen. Was ihm den neuerlichen Ortswechsel versüßt wie die Bonbons auf seinem Schreibtisch: Das künftige Archiv erhält maßgeschreinerte Möbel.

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Kontakt: „ru.rath@t-online.de“.